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Gedanken zur Zeit September 2010

Wirtschaftskrimi um neue Kelch GmbH

Das Unternehmen Kelch, bekannt für seine Messgeräte und seine Schrumpftechnik, hat in den letzten Monaten eine an Dramatik nicht zu überbietende Zeit hinter sich gebracht. Mit der Gründung der neuen Kelch GmbH durch die neuen chinesischen Besitzer soll nun Ruhe einkehren und zu alter Stärke zurückgefunden werden. Dies wird angesichts der höchst seltsamen Entwicklungen und Verwicklungen wohl so schnell nicht der Fall sein, schließlich interessiert sich mittlerweile auch der Staatsanwalt für die Geschehnisse der jüngsten Zeit.


Kelch, 1942, mitten im zweiten Weltkrieg gegründet, produzierte Werkzeugmaschinenspindeln, Werkzeugwechsler, Spannzeuge sowie Einstell- und Schrumpfgeräte. Unternehmen mit diesem Produktportfolio sind den starken zyklischen Schwankungen des wirtschaftlichen Umfelds ausgesetzt. Unternehmenslenker solcher Firmen benötigen daher besondere Fähigkeiten, um ihr Unternehmen durch alle Widrigkeiten zu bekommen.

Solche Widrigkeiten waren um das Jahr 2003 zu umschiffen, als Aufträge ausblieben und die Liquidität bedroht war. Der ehemalige Kelch-Inhaber schlug damals der 240 Mann starken Belegschaft vor, die 40-Stunden-Woche wieder einzuführen und 25 Arbeitsplätze zu streichen, um das Unternehmen wieder auf gesunde Füße zu stellen. Die Mitarbeiter willigten in den Plan ein. Leider stellten sich der Betriebsrat und die IG Metall gegen diesen Vorschlag. Daraufhin wurde das Unternehmen in drei Teilbereiche aufgeteilt, um zu verhindern, dass eine defizitäre Sparte alle anderen gefährdet. Neu gegründet wurden die KPTec, die Werkzeugmaschinenspindeln baut und die Kelch Handhabungstechnik GmbH, die den Markt mit Werkzeugwechslern beliefert.

Wie sich dann bald herausstellte, war diese Vorsichtsmaßnahme sehr berechtigt, da bereits im Jahre 2004 die alte Kelch GmbH Insolvenz anmelden musste. 2005 wurde die insolvente Kelch GmbH dann vom chinesischen Unternehmen HMCT übernommen. Mit 170 Beschäftigten konnte der Betrieb im gleichen Jahr wieder aufgenommen werden.

Es ist völlig unverständlich, dass sich Chinesen das Kelch-Know-How sichern konnten. Es gab damals genügend deutsche Unternehmen, die sich für Kelch und seine Patente interessierten und wohl bessere Perspektiven für die Mitarbeiter geboten hätten. Wenn es gilt, sicherheitskritische Anlagen etwa in den Iran zu exportieren, muss dies vom Unternehmen gemeldet werden. Anschließend wird genau geprüft, ob die Lieferung der Ware erfolgen kann. Wenn jedoch sensible Patente den Weg ins Ausland anzutreten drohen, greifen keinerlei Sicherheitseinrichtungen. Ehemalige Besitzer oder Insolvenzverwalter können in diesem Fall ungeprüft sensibelste Technik auf dem Weltmarkt anbieten. Im nationalen Interesse müssen daher neue Vorschriften geschaffen werden, die künftig solche Deals verhindern. Die Politik ist zum wiederholten Male aufgefordert, endlich mit dem Ausverkauf Deutschlands Schluss zu machen und interessierten Unternehmen, die in Deutschland produzieren, die Möglichkeit geben, hier zum Zug zu kommen.

Die neuen chinesischen Besitzer betonen zwar, dass es ihnen nicht darum ging, ein Unternehmen zu erwerben, dessen Know-how der Grund für den Kauf ist. Doch zeigen gerade chinesische Unternehmen, dass sie mit besonderer Skrupellosigkeit zu Werke gehen, um den großen technologischen Rückstand auf den Westen aufzuholen. Transrapid und Airbus sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass China sehr wohl alle Hebel in Bewegung setzt, um an wichtige Schlüsseltechnologie zu kommen. Nicht ohne Grund werden Russland und China im Verfassungsschutzbericht als Hauptakteure genannt, wenn das Thema „Wirtschaftsspionage“ angesprochen wird. Es ist nicht bekannt, dass China ebenso freizügig ist, wenn ein technologisch wichtiges chinesisches Unternehmen durch ein westliches Unternehmen übernommen werden soll. Im Gegenteil, China tut alles, um den Abfluss von wichtigem Know-how zu verhindern. Fatalerweise wird das abgeschöpfte Wissen auch noch genutzt, um das Original mit einem billigen Plagiat vom Markt zu drängen.

Alleine dieses Beispiel zeigt, dass es höchste Zeit wird, Politiker ähnlich wie unverantwortliche Bankmanager in Haftung zu nehmen, wenn sie wissentlich oder unwissentlich solche Deals zulassen. Schließlich haben sie einen Eid geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.

Der fahrlässige Umgang mit den Schätzen, die Deutschland zu bieten hat, führte leider für die Kelch GmbH und deren Beschäftigten zu einer fatalen Entwicklung, die absolut vermeidbar gewesen wäre.

Daran haben auch die Gewerkschaften ein gerütteltes Maß an Schuld. So wichtig Gewerkschaften sind, so falsch liegen sie, wenn sie glauben, der bessere Unternehmer zu sein. Anstatt sich der Meinung der Beschäftigten anzuschließen und gemeinsam mit den Inhabern eine Gesundung des Unternehmens anzustreben, führte die Weigerung des Betriebsrats, sinnvolle und moderate Arbeitsplatz-Anpassungen an die wirtschaftliche Lage zuzulassen, bereits 2005 zum Verlust von knapp dreimal so vielen Arbeitsplätzen und erwirkte darüber hinaus, dass das Unternehmen in fremde Hände geriet.

Die chinesische HMCT, die Kelch nach der Pleite übernommen hat, wurde vor 60 Jahren gegründet und beschäftigt aktuell rund 3000 Mitarbeiter. 90 Prozent der Produkte werden im Heimatmarkt abgesetzt. HMCT gehört zu 51.67 Prozent dem Handelsunternehmen Genertec, zu 24.8 Prozent der chinesischen Provinz und zu 23.53 Prozent den Mitarbeitern. Unter dem Markennamen „Links“ werden Messgeräte wie etwa Messuhren, Bügelmessschrauben und Messschieber produziert. Die Produkte von Kelch passen daher ideal ins Portfolio der Chinesen.

Es war dem Unternehmen nicht gegönnt, in geschäftlich ruhigeres Fahrwasser zu kommen. Die beginnende weltweite Wirtschaftskrise im Jahre 2008 verschärfte die Situation weiter. Auch innerbetrieblich war Kelch nicht zur Ruhe gekommen. Die folgenden Ereignisse zeigen, dass das Management von Kelch mit Weichenstellungen auf diese Herausforderungen reagierte, die reichlich Stoff für einen Wirtschaftskrimi liefern.

In einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten vom 30.7.2008 räumte der damalige Geschäftsführer Thomas Esswein ein, dass zwei Jahre ohne Strategie und ohne Sanierungskonzept „weitergewurstelt“ worden ist. Die Belegschaft sah sich zum Handeln gezwungen, woraufhin externe Wirtschaftsprüfer ins Haus geholt wurden. Diese monierten im Sommer 2009 lange Durchlaufzeiten und fehlende innerbetriebliche Kalkulationen. Die Geschäftsleitung reagierte darauf mit der Bemerkung, dass keine Ressourcen für die notwendigen Schritte vorhanden seien. Wenn die weitere Entwicklung von Kelch betrachtet wird, stellt sich die Frage, ob in diesem Stadium bereits bewusst eine Situation geschaffen wurde, um Gründe für weitere negative Schritte zu sammeln.

Bezeichnenderweise hat die Kelch & Links GmbH in dieser Zeit (insgesamt zwei Jahre) keine Bilanzen mehr veröffentlicht, obwohl dazu jedes andere Unternehmen verpflichtet ist. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der Besitzer der Produktionshalle, diese für monatlich 90.000 Euro an Kelch & Links vermietete. Hier werden Erinnerungen an den Handelskonzern Karstadt-Quelle wach, der auch unter überzogenen Mietforderungen litt und nicht zuletzt dadurch am Markt scheiterte.

Am 7.12.2009 wurde dann die Kelch & Links GmbH in eine Kelch & Links Produktion GmbH und eine Kelch & Links GmbH aufgeteilt. Dass die Produktions-GmbH lediglich mit 25.000 Euro Stammkapital und die Verwaltungs-GmbH mit allem restlichen Kapital ( über 1 Million Euro) der alten Kelch & Links ausgestattet wurde, hat strategische Gründe. Denn zusammen mit den hier untergebrachten Leasingrechten an Maschinen kann problemlos ein neues Produktionsunternehmen gegründet und auf den Weg gebracht werden, ohne unerwünschtes Personal berücksichtigen zu müssen und ohne Gefahr zu laufen, produktionswichtige Maschinen aus den Händen zu geben.

Die nun folgenden Aktionen zeigen, dass hier trickreich zu Werke gegangen wurde. Am 1.1.2010 nahm die Kelch & Links Produktion GmbH ihren Betrieb auf. Kurz danach, am 11.1.2010 wurde in München die Gesellschaft „Blitz 10-507“ gegründet. Der Gegenstand des Unternehmens war die Verwaltung eigenen Vermögens. Als Geschäftsführer fungierten damals Katja Gogalla und Randi Mette Seines. Am 8.2.2010 wurde die Blitz 10-507 von den Gesellschaftern in Kelch & Links GmbH Sitz München umbenannt und der Gegenstand des Unternehmens auf die Herstellung, Montage und Serviceleistungen in Bezug auf Werkzeugmaschinen, Werkzeuge und Messgeräte geändert. Die alten Geschäftsführer schieden aus. Das Zepter übernahm Thomas Esswein, der gleichzeitig auch die alte, in Schorndorf ansässige Kelch & Links GmbH als Geschäftsführer leitete. Hier sind offensichtlich bereits weitere Fäden des Wirtschaftskrimis gezogen worden, um die Ziele der chinesischen Kelch-Führung zu erreichen.

Es war also schon damals geplant, die Kelch & Links Produktion GmbH nicht weiterzuführen, sondern in Weinstadt eine neue Produktion zu starten. Da die Kelch Produktion GmbH nur über sehr wenig Stammkapital verfügte, konnte das Personal günstig entsorgt und die Maschinen problemlos am neuen Standort aufgestellt werden, da ja die Verwaltungs-GmbH die Rechte daran hatte.

Dies wussten die Mitarbeiter nicht, die am 16.2.2010 verhindern wollten, dass Maschinen in Nacht und Nebel-Aktionen aus der alten Produktionsstätte abtransportiert werden. Am 19.2.2010 erstattete die IG Metall Anzeige wegen Konkursverschleppung. Am 22.2.2010 ging schließlich die Kelch & Links Produktion GmbH in Konkurs.

Damit ist das Kapitel Kelch aber noch lange nicht beendet. Laut Pressetext von Kelch wurde die neue Kelch GmbH am 1. März 2010 in Weinstadt gegründet, was so nicht korrekt ist, da die entsprechenden Einträge im Handelsregister andere Auskünfte geben. Tatsache ist: Am 1. März 2010 wurde die in München eingetragene, aus der Blitz 10-507 hervorgegangene Kelch & Links GmbH in Kelch GmbH umbenannt. Diese in München unter der Handelsregisternummer HR B 183459 firmierende GmbH wurde dann laut Handelsregister am 20. April 2010 beim Amtsgericht Stuttgart unter der Handelsregisternummer HR B733476 eingetragen und der Unternehmenssitz von München nach Weinstadt verlegt. Es erfolgte also lediglich eine Änderung des Firmensitzes und keine Neugründung. Gleichzeitig erhöhten die Gesellschafter zu diesem Datum das Stammkapital um 1.000.000 Euro auf 1.025.000 Euro.

Mittlerweile beschäftigt sich auch die Staatsanwaltschaft mit den Vorgängen und hat am 1.6.2010 die Geschäftsräume in Schorndorf durchsucht. Auch den Geschäftsführer Thomas Esswein gibt es nicht mehr in dieser Funktion. Wenige Tage vor der Pressekonferenz der neuen Kelch GmbH am 15.6.2010 wurde dieser von Wolfgang Kottenberg abgelöst. Wolfgang Kottenberg ist Interims-Geschäftsführer von Kelch und Mitglied der Geschäftsleitung von Abecon, einer Unternehmensberatung. Die Einsetzung von Wolfgang Kottenberg war wohl ein weiterer strategischer Schritt, um während der staatsanwaltlichen Ermittlungen die neue Kelch GmbH aus dem Blickfeld zu nehmen.

Daher konnten der neue, vorläufige Kelch-Geschäftsführer Wolfgang Kottenberg und der Vorstandsvorsitzende von HMCT, Hualiang Wei, freudig eine unbelastet startende neue Kelch GmbH präsentieren, die mit aktuell 41 Personen bereits produziert und laut Wei einen europäischen Brückenkopf für HMCT-Produkte bilden soll.

Als Fazit lässt sich feststellen, dass diese für das Unternehmen Kelch äußerst negative Entwicklung wohl schon im Anfangsstadium verhindert worden wäre, wenn die IG Metall und insbesondere der Betriebsrat wohlwollend begleitet von den zuständigen Ministerien Hand in Hand mit dem damaligen Inhaber von Kelch als Reaktion auf die kritische Geschäftslage eine angemessene Lösung erarbeitet hätten. So wären etliche Arbeitsplätze gerettet worden und wichtiges Know-How und Patente nicht ins Ausland abgeflossen.

Neben wirtschaftlichen Aspekten sind wohl auch innerbetriebliche Probleme daran schuld, dass die chinesische Führung von HMCT ebenfalls einen nicht sauberen Weg eingeschlagen hat, um bestimmtes Personal loszuwerden und mit einer loyalen Mannschaft neu zu starten.

Nicht zuletzt die zuständigen Politiker geben angesichts dieser Entwicklung ein besonders trauriges Bild ab. Auf dem Fernsehschirm übertrumpfen sie sich gegenseitig, wenn es darum geht, Worthülsen, gefüllt mit heißer Luft zu produzieren. Wenn es jedoch darum geht, sich mal richtig reinzuhängen und Lösungen für den Standort zu erarbeiten, hört man entweder nichts oder nur: „man müsste“ und „man sollte“. Wer aber das ist, der da „müsste“ oder „sollte“, wird nicht gesagt, schließlich will man vermeiden, dass der Sprecher selbst die Rolle übernehmen muss, bei der er auch Fehler machen kann. Daher wird so etwas weggeschoben, weil eben nur die Leute befördert beziehungsweise wiedergewählt werden, die keine Fehler machen. Insofern trifft auch den Wähler eine Teilschuld, wenn man die momentane politische Landschaft in Deutschland betrachtet.

Um für die Zukunft so negative Entwicklungen wie die von Kelch bei anderen Unternehmen zu vermeiden, ist es unumgänglich, Betriebsräte intensiv zu schulen. Und zwar nicht zuletzt in der Kunst der Unternehmensführung. Denn nur Betriebsräte, die etwas von Unternehmensführung verstehen, sind kompetent, zusammen mit dem Inhaber das jeweilige Unternehmen auf gutem Weg zu halten und diesen nicht als natürlichen Feind des Arbeitnehmers zu betrachten.

Gesunde Unternehmen machen es vor, denn dort hat sich eine Kultur des Miteinanders herausgebildet, in denen beide Seiten wissen, dass es ohne den anderen nicht geht. Insbesondere die Gewerkschaften sollten sich künftig sehr zurückhalten, wenn es darum geht, in die Schieflage geratene Unternehmen wieder aufzurichten. Dass sie davon am allerwenigsten verstehen, haben sie als Arbeitgeber selbst schon oft gezeigt. Es sei nur auf den Fall „Neue Heimat“ verwiesen.

Auch die Chinesen werden lernen müssen, dass sich innerbetriebliche Probleme auch anders lösen lassen und Tricksereien auf lange Sicht in jeder Hinsicht nur schaden.

 

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