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TU München: Verbrennungsmotor hat Potenzial

Abgesang viel zu früh angestimmt

Aktuell wird der Verbrennungsmotor massiv verteufelt, obwohl diese Technik der Menschheit einen immensen Wohlstandszuwachs beschert hat. Dass das Potenzial des Verbrennungsmotors noch lange nicht ausgereizt ist und dieser durchaus das Zeug hat, als umweltfreundliche Alternative neben alternativen Antriebsarten weiterzuexistieren, zeigen nicht zuletzt Forschungsarbeiten der Technischen Universität München.


Wer sich heute mit den Abgasen eines modernen Automotors das Leben nehmen möchte, wird – im Gegensatz zu früher – wenig Erfolg haben, da moderne Verbrennungsmotoren dank wirkungsvoller Katalysatoren nur geringe Mengen Kohlenstoffmonoxid ausstoßen. Wegen des geringen CO-Anteils in den Abgasen ist eine zum Tode führende Kohlenstoffmonoxidintoxikation nicht mehr zu erwarten.
Unbestreitbar ist der Verbrennungsmotor in den letzten Jahrzehnten deutlich sauberer geworden. Dies zeigen auch die Daten des Umweltbundesamts. Die Statistik weist nach, dass die Belastung der Luft mit Schadstoffen in den vergangenen 25 Jahren nachdrücklich abgenommen hat. Mittlerweile gibt es in Deutschland keine Überschreitung der europaweit geltenden Grenzwerte für Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Benzol und Blei mehr. Auch beim Thema ›Feinstaub‹ gibt es massive Verbesserungen: Das Jahr 2016 war das Jahr mit der niedrigsten Belastung seit dem Jahr 2000. Die Entwicklung von Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) ist klar rückläufig. Die diesbezüglichen Grenzwerte werden nur mehr lokal an lediglich einem Viertel aller Messstellen an wenigen Tagen im Jahr überschritten.

Die Luftqualität in deutschen Städten wurde besser

Abgaswerte deutlich reduziert

Die Anstrengungen der Ingenieure und Techniker in der Automobilindustrie tragen demnach Früchte. Mit Motoren die die Euro 6-Norm erfüllen sind bereits heute Verbrenner zu haben, die im Vergleich zu Euro 4-Motoren deutlich weniger NOx ausstoßen. Insbesondere Kfz-Dieselmotoren stoßen mit Euro 6-Technik in Schadstoffbereiche vor, die ehedem nur Benziner erreichten. Es wäre daher übereilt, den Verbrennungsmotor auf das Abstellgleis zu schieben, solange keine umweltfreundlichere, bezahlbare Alternative in großen Stückzahlen zur Verfügung steht.

Das Entwicklungspotenzial von Verbrennungsmotoren ist noch lange nicht ausgeschöpft. So gab es beispielsweise im Rennsport bereits Versuche, Wasser in den Zylinder einzuspritzen, um die Leistung des Motors durch eine Abkühlung der Frischladung und damit eine erhöhte Zylinderfüllung zu erreichen. Dieses Potential wurde auch im Flugzeugbau genutzt. Beispielsweise wurde die Leistung des Motors einer BF 109, eines im 2. Weltkrieg eingesetzten deutschen Jagdflugzeugs, mit dem Einspritzen einer Wasser/Methanol-Mischung um rund 550 PS massiv erhöht, wodurch die Steigleistung gewaltig anstieg.

Aktuell gibt es von BMW das Fahrzeug ›M4 GTS‹, das über einen Motor mit Wassereinspritzung verfügt. Durch diese Technik wird die Temperatur der Verbrennungsluft gesenkt. Der feine Wassernebel führt dazu, dass die Leistung des Motors von 431 auf 500 PS steigt. Vorteil der Wassereinspritzung: die Abgase werden sauberer und es entstehen weniger Stickoxide. Als Faustregel gilt, dass ein Prozent Wasser zu einer NOx-Reduzierung von einem Prozent führt.

Es zeigt sich, dass Wasser hinsichtlich Leistung und Abgaswerte eine große Rolle spielt. Dies ist auch beim sogenannten ›AdBlue‹ der Fall. Unter dieser Bezeichnung wird schon länger eine Lösung für Dieselmotoren angeboten, die auf Harnstoff basiert. AdBlue besteht zu 32,5 Prozent aus Harnstoff und zu 67,5 Prozent aus demineralisiertem Wasser.

Dieser Stoff wird in den Abgasstrom eingespritzt – in der Folge entsteht unter Hitzeeinwirkung Ammoniak. Dieser reagiert mit den Stickoxiden, wodurch in einem Katalysator harmloser Stickstoff und Wasserdampf entstehen. Damit das System funktioniert, ist eine gewisse Abgastemperatur nötig. Tempo 30-Zonen sind daher nur bedingt geeignet, um die Abgase in Städten mithilfe dieser Technik zu verbessern, da kalte Motoren dort länger brauchen, um die erforderliche Wirktemperatur zu erreichen.

Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn kräftig in die Infrastruktur für Gas-Autos investiert würde, da diese nur vergleichsweise geringe Mengen NOx und Feinstaubpartikel ausstoßen. Zudem ist im Vergleich zum Benzinmotor der CO2-Ausstoß im Realbetrieb um 10 bis 13 Prozent geringer. Kommt zu 100 Prozent synthetisch hergestelltes Gas zum Einsatz, so ist sogar der CO2-neutrale Betrieb möglich.

Anfallende Daten werden in Echtzeit analysiert

Neue Kraftstoffe im Fokus

Dass synthetisch hergestellte Treibstoffe ein Königsweg in die Zukunft des Verbrennungsmotors sind, beweisen Forscher der Technischen Universität München. Diese arbeiten an Verbrennungsmotoren, die mit heute noch exotischen Kraftstoffen laufen, die beispielsweise unter dem Kürzel ›OME‹ unter Experten bekannt sind. Dahinter verbirgt sich Oxymethylenether, der dereinst den Diesel als Kraftstoff ablösen soll.

Dieser Kraftstoff wird im Power-to-Liquid-Verfahren hergestellt. Unter diesem Begriff versteht man verschiedene Techniken, um mithilfe elektrischer Energie flüssige Kraftstoffe herzustellen. Im Fall des OME-Kraftstoffs wird Kohlenstoffdioxid (CO2) aus Industrieabgasen, Biomasse oder aus der Luft gewonnen und mithilfe einer chemischen Reaktion unter Einsatz von Wasserstoff in Methanol umgewandelt.

In einem weiteren Prozessschritt entsteht dann der flüssigen Treibstoff OME. Wenn der dazu nötige Strom aus Solar-, Wind- oder Atomkraftwerken kommt, so ist der Treibstoff klimaneu­tral zu gewinnen und zudem bezahlbar, wie erste Überschlagrechnungen zeigen: Bei einer Großserienproduktion ist dieser Treibstoff zu Kosten von rund einem Euro pro Liter erzeugbar.

Es zeigt sich, dass derartige Treibstoffe das Zeug haben, ein echter Ersatz für herkömmliche, aus Erdöl gewonnene Treibstoffe zu werden. Dies haben Investoren erkannt, die in Südnorwegen ab dem Jahr 2020 pro Jahr zunächst rund zehn Millionen Liter sogenannten Blue Crude-Diesel nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren gewinnen wollen. Diese Menge reicht aus, um in dieser Zeit circa 13 000 Autos mit Sprit zu versorgen. Dieser Kraftstoff hat Ähnlichkeit mit fossilem Diesel, produziert jedoch weniger Ruß und hat einen höheren Heizwert als OME. In Europa entsteht demnach eine echte Konkurrenz zu den Erdölproduzenten. Der entstehende Konkurrenzkampf wird wohl noch viele Innovationen hervorbringen, die dem Verbrennungsmotor zugutekommen.

Skeptiker des Verbrennungsmotors werden aufhorchen, wenn sie erfahren, dass OME-Treibstoff absolut sauber verbrennt, somit Abgasskandale der Vergangenheit angehören. Der Grund ist, dass in Oxymethylenether molekular gebundener Sauerstoff vorhanden ist. Im Gegensatz dazu besteht beispielsweise Dieselkraftstoff aus Kohlenwasserstoffverbindungen. Da im OME-Molekül keine C-C-Bindungen vorhanden sind, können beim Verbrennen auch keine Rußpartikel während des Verbrennungsprozesses entstehen.

OME-Kraftstoffe werden mittels eines Nummernsystems klassifiziert, das von 1 bis 6 reicht. Die Kraftstoffe OME 3, OME 4 und OME 5 besitzen Eigenschaften, die herkömmlichem Diesel ähnlich sind. Dadurch ist es möglich, bereits existierende Dieselmotoren mit OME zu betreiben. Versuche zeigen, dass dazu lediglich kleine Anpassungen, etwa an der Einspritztechnik, nötig werden.

Interessant ist, dass bereits seit den 1990er-Jahren Versuche mit OME1 angestellt wurden und von einer deutlichen Absenkung der Partikelemissionen sowie einer weitgehenden Unterdrückung der Rußbildung berichtet wird. Es handelt sich also nicht um eine echte Kraftstoff-Neuheit, sondern um eine Technik, die nun dank großzügiger Fördergelder massiv Fahrt aufnimmt. Neben der Automobilindustrie hat auch die Luftfahrtbranche Interesse an diesen Treibstoffen bekundet, weshalb diesbezügliche Forschung finanziell unterstützt wird.

Ganz vorne zu finden bezüglich der Erforschung hinsichtlich der Nutzung dieser Kraftstoffe ist das Institut für Verbrennungskraftmaschinen der Technischen Universität München, das von Prof. Dr.-Ing. Georg Wachtmeister geleitet wird. In diesem Institut stehen unter anderem teilweise selbst gebaute Forschungsmotoren zur Verfügung, die von entsprechender Messtechnik überwacht werden, um die beim Verbrennungsvorgang entstehenden Daten zu gewinnen.

Innovativer Kraftstoff: OME

Satte Schadstoffreduzierung

Bei diesen Versuchen konnte nachgewiesen werden, dass beim Verbrennen von synthetischen Kraftstoffen im Vergleich zu Dieselkraftstoff die Emission von Ruß und Partikeln stark reduziert wird. Damit wurde der Nachweis erbracht, dass OME-Kraftstoffe sich vorzüglich als Diesel-Ersatz eignen.

Es gibt allerdings zwei Nachteile: Bei der Verbrennung von OME-Kraftstoff kann ohne geeignete Anpassung des Brennverfahrens Methan entstehen, zudem ist der Heizwert von OME um rund den Faktor 1,7 geringer. Beide Nachteile sind aktuell Gegenstand der Forschungstätigkeit, um ein praxistaugliches und emissionsfreies Motorkonzept zu erarbeiten. Insbesondere die Entstehung von Methan bereitet den Forschern Kopfzerbrechen, da Methan ein viermal stärkeres Treibhausgas als CO2 ist.

Damit Lösungen für die Verminderung beziehungsweise Vermeidung des Methans ausgearbeitet werden können, sind Messdaten nötig, die direkt aus dem Verbrennungsraum geholt werden müssen. Die Forscher haben daher raffinierte Kniffe ersonnen, die dies möglich machen: Ob direkte Einblicke durch ein Quarzglasfenster oder ausgeklügelte Partikelzählrohre – an Ideen mangelt es nicht, dem Verbrennungsmotor sein Giftschleuderimage abzuerziehen. Das Ziel ist, die optimale Einspritzdauer zu finden, die Abgasnachbehandlung zu optimieren und die Volllastfähigkeit des Verbrennungsmotors sicherzustellen, wenn OME-Kraftstoff genutzt wird.

Werden wichtige Weichen von den maßgeblichen Personen in Wirtschaft und Politik beizeiten klug gestellt, so sollte eine problemlose Koexistenz unterschiedlichster Antriebskonzepte für Kraftfahrzeuge aller Art machbar sein. Das wäre nicht nur für die Umwelt von Nutzen, sondern würde auch zu einem gesunden Wettbewerb unter den Energieanbietern führen, der verhindert, dass preisbeherrschende Monopole entstehen.

 

Mehr Informationen:

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Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen
Technische Universität München
Boltzmannstraße 15
85748 Garching
Tel.: 089.289.16323
Fax: 089.289.16324
Motorenlabor
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Tel.: 089.289.24101
Fax: 089.289.24100
 

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