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Dornier-Technik im Wandel der Zeit

Vom Wal zur Top-Strickmaschine

Mit seinen Flugbooten vom Typ ›Wal‹ hatte Dornier ein Fluggerät ersonnen, das keine befestigte Rollbahn benötigte, daher überall dort einsetzbar war, wo es Wasser gab. Doch nicht nur Flugboote kon­struierte das rührige Familienunternehmen, sondern allerlei andere technische Highlights, die im Dornier-Museum Friedrichshafen zu besichtigen sind.


Ehrgeizige Pioniere lassen sich zu keiner Zeit ihre Visionen nehmen. So geschehen bei Claude Dornier, der seinen Traum von einem Ganzmetallflugzeug durch die Auflagen der Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland nicht verwirklichen konnte. Er tat dies kurzerhand in Italien, wo der ›Wal‹, den er in Deutschland konstruierte, das Licht der Luftfahrtwelt erblickte. Dank seiner Robustheit und guten Flugeigenschaften erweckte dieser Flugzeugtyp rasch die Aufmerksamkeit ­einiger Staaten, die damit ihre Grenzen sichern und unbekannte Regionen erforschen wollten.

Darunter war auch der norwegische Polarforscher Roald Amundsen, der 1925 von Spitzbergen aus mit zwei Wal-Flugbooten den Nordpol überfliegen wollte. Das Vorhaben schlug jedoch wegen eines Motorschadens bei ­einem Flugboot fehl, weshalb die Mannschaft unverrichteter Dinge mit dem zweiten Flugboot zurückkehren musste. Dieser Wal wurde im Deutschen Museum durch die Luftangriffe der Alliierten im 2. Weltkrieg zerstört. Nur eine Luftschraube konnte gerettet werden, die heute in Friedrichshafen zu bewundern ist. Dort gibt es übrigens auch einen Nachbau dieses berühmten Flugbootes zu bestaunen.

Handwerk mit Klasse


Dem Flugzeugbau von Dornier ist im Museum viel Raum gewidmet. Zahlreiche Exponate geben einen Einblick in die hohe handwerkliche Kunst, die damals bereits beherrscht wurde. Sehr imposant beispielsweise das Flugboot ›DO X‹, das zwölf Motoren hatte und bis zu 66 Passagieren Platz bot. Claude Dornier wollte in seinen Flugbooten den Passagieren einen ähnlichen Komfort bieten, wie ihn Reisende im Zeppelin und in den großen Dampfern genießen konnten. Im Museum ist eine Beispieleinrichtung zu sehen, die heute wohl jeder Sicherheitsingenieur schmunzelnd ablehnen würde.

Während des Krieges bekamen Kampfbomber und Jagdflugzeuge etwas vom Genie Claude Dorniers ab. Dieser ersann beispielsweise die ›DO 335‹, einen einsitzigen Tiefdecker, der je eine Luftschraube am Bug und am Heck besaß und bis heute das schnellste Serienflugzeug mit Kolbenmotor ist. Ein erhaltenes Exemplar ist heute in den USA zu besichtigen. Das Unternehmen Dornier leistete jedoch nicht nur auf technischem Gebiet Pionierarbeit, sondern war auch sehr sozial engagiert. Es wurde erkannt, dass Spitzenleistungen der Belegschaft keine Selbstverständlichkeit sind, sondern das Ergebnis kontinuierlicher Zuwendung und Anerkennung. Gute Leistungen wurden belohnt, ebenso wurden Weiterbildungen, Sport und Wohnmöglichkeiten geboten. Zwar wurden im Laufe des Krieges vermehrt Zwangsarbeiter eingesetzt, diese wurden jedoch entlohnt und mit Lebensmittelrationen versorgt.

Stets ganz vorne dabei


Nach dem Zweiten Weltkrieg hat das Unternehmen natürlich weiterhin Flugzeuge gebaut, wenn auch keinen Wal und keine DO X, denn deren Zeit war nun vorbei. Man konzentrierte sich auf Rüstungsaufträge und kleine Verkehrsflugzeuge. Ein Ergebnis dieser Umorientierung steht direkt vor dem Museumseingang: Der Senkrechtstarter ›DO 31 E1‹, der im Auftrag der Bundeswehr ab 1963 konstruiert wurde und 1967 seinen Erstflug absolvierte.
Für das leichte Jagdflugzeug Fiat G.91 produzierte Dornier in Lizenz das Rumpfmittelstück und war teilweise bei der Endmontage beteiligt. Auf dem Freigelände steht auch die ›DO 28 Skyservant‹, die erstmals 1966 flog und für den Passagier- und Frachtverkehr entwickelt wurde. Mit der erstmals im Jahre 1993 zugelassenen ›DO 328‹ hat Dornier ein Regionalflugzeug geschaffen, das hohen Komfort für die Passagiere bot und Maßstäbe in Sachen Betriebskosten setzte.

Durch Diversifikation besetzte Dornier viele interessante Geschäftsfelder. Zwar sind Militärprodukte wichtige Schwerpunkte, doch ist das Dornier-Logo in Satelliten ebenso zu finden, wie auf Hausdächern oder im Krankenhaus. Die Warmwasserbereitung war schon 1975 ein Thema für Dornier. Auch der Nierensteinzertrümmerer ist ein Kind von Dornier, dessen Funktionsprinzip mehr zufällig bei der Schadensbegutachtung der Zielerfassungs-Optik des damalig bei der Bundeswehr geflogenen Starfighters eingesetzt wurde. Diese wurden auch bei Regen mit hoher Geschwindigkeit geflogen, weshalb die Tropfen eine zerstörerische Kraft entwickelten, die zu Stoßwellen führten. Diese Stoßwellen macht man sich im Nierensteinzertrümmerer zu eigen.

Eine weitere Geschäftsidee von Dornier ist die Verbesserung der Webmaschine. Um sage und schreibe 300 Prozent konnte das Unternehmen in den letzten 40 Jahren die Geschwindigkeit der Webmaschinen steigern. Dabei wird ein Faden von der Stärke eines Menschenhaares auf hohe Geschwindigkeit beschleunigt und auf über fünf Meter Länge sicher geführt. Ein pneumatisch arbeitendes Schusseintragssystem sorgt dafür, dass der Schussfaden mit Mach 1,5 seinem Ziel entgegenrast. Mit dieser Maschine lassen sich natürlich nicht nur normale Fäden zu Stoffbahnen verweben, sondern auch CFK-Ballen herstellen.

Dornier hat raffinierte Methoden entwickelt, CFK zu Schläuchen und anderen Bauteilformen zu „weben“. Versehen mit Harz entstehen daraus äußerst feste Bauteile, die extrem leicht sind. Kein Wunder, dass dieses Material auf der Wunschliste von Auto- und Flugzeugbauern ganz oben steht. Im Museum gibt es im Rahmen einer Sonderausstellung den BMW ›i3‹ zu sehen, ein Kleinwagen mit 170 PS, der per Batterie dank des geringen Fahrzeuggewichts bis zu 160 km weit fahren kann.

Auch Teile des Trainingsflugzeugs ›Alpha Jet‹ sind bereits aus CFK hergestellt worden. Insbesondere der Airbus A 350 wird aus diesem Material gefertigt.CFK hat daher eine große Zukunft. Kein Wunder, dass es zu diesem Material eine Sonderausstellung im Museum gab. In dieser konnte man bis September 2014 erfahren, was man immer schon wissen wollte, um die Möglichkeiten und die Verarbeitung von CFK zu verstehen. In einem Video zeigte die Sonderausstellung beispielsweise, wie Roboter aus einem CFK-Strang einen Druckbehälter selbstständig wickeln. Riesige CNC-Maschinen tragen Harz auf CFK-Matten auf, die nach dem Aushärten einen Flugzeugflügel bilden. In dieser Abteilung konnte man sehr viel Zeit verbringen, da hier der Werkstoff der Zukunft extrem interessant präsentiert wurde.

Ein Stoff mit Zukunft


Hier gab es beispielsweise ein sehr leichtes Wanderkajak zu sehen, das rasch wasserdicht zusammenmontiert ist. Die Herzen von Skateboarder und Skisurver schlugen höher, wenn Sie „ihre“ Sportartikel in CFK-Ausführung sahen und Ducati-Fans zückten das Handy, um damit eine Ducati mit CFK-Kleid zu fotografieren. Doch ist das noch lange nicht alles, wo sich CFK einen Platz erobert hat. Aus diesem Material werden mittlerweile Tennisschläger, Geigen, Räder, Bremsen, Hubschrauberflügel, Fahrrad- und Hubschrauberrahmen und sogar medizinische Prothesen hergestellt.

Und wer Bedenken hat, dass dieses Material wohl dereinst die Umwelt belasten wird, da es so gut wie unzerstörbar ist, der konnte beruhigt durch die Ausstellung laufen, denn auch zu diesem Thema gab es einen Abschnitt: Das Material kann mittlerweile recycelt werden.

Ein besonderes Highlight gilt es noch zu beachten: Die Geschichte der DO X, die eigentlich in Serie gefertigt werden sollte, letztlich aber ein Opfer der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre wird und daher nur dreimal gebaut wurde. Dazu gibt es im Museum Interessantes zu lesen und zu sehen. Zahlreiche Fotos zeigen den Flug nach Rio und New York, untermalt von packenden Erzählungen, die das Leben und Leiden der Besatzung lebendig werden lassen.

Da wird beispielsweise bei jeder Gelegenheit nur wenige Meter über der Wasseroberfläche geflogen, um den zusätzlichen Auftrieb für das Spritsparen zu nutzen, schließlich sind doch arg weite Strecken zurückzulegen, ehe man wieder auftanken kann. An anderer Stelle erfährt man, dass schwülwarme Luft ein Abheben des Flugzeuges nicht zulässt. Geldprobleme führen dann dazu, dass die Besatzung, bis auf eine Wachmannschaft, mit dem Schiff wieder nach Deutschland zurückfährt und die DO X erst viel später wieder zurückgebracht werden kann.

All diese Dinge gehen einem bei einem guten Cappuccino nochmals durch den Kopf, den man sich im museumseigenen Café gönnt, während in unmittelbarer Nähe die kleinen NT-Zeppeline vom Friedrichshafener Flugplatz starten und landen. Man ist richtig froh darüber, nicht mehr in der Pionierzeit der Flugzeuge zu leben, sondern in einer Zeit, in der Flugzeuge mit hoher ­Sicherheit und bestem Komfort die Länder der Welt miteinander verbinden.

Wo würden wir heute stehen, wenn es nicht solche Pioniere, wie Claude Dornier gegeben hätte? Zu schade, dass es dieses Unternehmen nicht mehr als eigenständigen Marktteilnehmer gibt, denn nur Vielfalt garantiert stetigen Fortschritt. Da kann man nur hoffen, dass noch ganz viele ­Pioniere nachfolgen werden, die dereinst neue Ideen verfolgen, die der Menschheit wiederum einen gewaltigen Schub verleihen. Wer weiß, womöglich ist es gerade der rothaarige Knirps oder das schwarzhaarige Mädchen, die gerade in der Spielecke des Museums fleißig an ihren Papierfliegern basteln?

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88046 Friedrichshafen
Tel.: +49 7541 487 36 00
Fax: +49 7541 487 36 51
E-Mail: info@dorniermuseum.de
www.dorniermuseum.de

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