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Das Geheimnis des Atomkellers

Die neue Energie aus dem Würfel

Die Geschichte der Kernspaltung ist wohl jedem bekannt. Weniger bekannt sind die Leute, die die Erkenntnisse der Entdeckung von Otto Hahn weiterverfolgten. Und nur wenigen Insidern ist bekannt, wo diese forschten. Diesbezügliche Antworten werden in der schwäbischen Felsenstadt Haigerloch gegeben.


Mittelalterliche Alchemisten waren auf der Suche nach ­einem Weg, Gold herzustellen. Sie entdeckten stattdessen das Porzellan. Einige Jahrhunderte später waren wieder zwei Entdecker am Werk, Neues zu erforschen: Otto Hahn und Fritz Straßmann. Sie waren dabei, dem Geheimnis des Atoms auf den Grund zu gehen und haben eine epochale Entdeckung gemacht: Die Kernspaltung, die sich im Jahre 1938 der Welt offenbarte. Eine Entdeckung, die das Ende aller Energiesorgen versprach, jedoch auch die theoretische Möglichkeit einer schrecklichen Bombe bot.

Kein Wunder, dass sich das Militär schon bald nach Bekanntwerden der Forschungsergebnisse von Hahn und Straßmann brennend für die Ergebnisse der Arbeiten interessierte. In Deutschland und den USA begann ein Wettlauf der Wissenschaftler in Sachen Weiterentwicklung dieser Energieform. Die damals im Dritten Reich durchgeführten Forschungen und die erreichten Erkenntnisse sind auch heute noch wenig bekannt. Dies hat mit der damaligen Geheimhaltung von Deutscher und Alliierter Seite zu tun. So durfte beispielsweise ab 1939 in Deutschland kein Artikel mehr über Kernphysik veröffentlicht werden. Dadurch konnten sich im Laufe der Zeit unterschiedlichste Gerüchte etablieren.

Irrige Theorie


So gibt es beispielsweise Informationen, dass Deutschland damals sehr wohl über einsatzfähige Kernwaffen verfügte, diese jedoch vor Hitler geheim gehalten wurden und als Friedensverhandlungspfand für eine neue Regierung nach Hitlers Ermordung in der Wolfsschanze gedacht waren. Nachdem das Stauffenberg-Attentat fehlschlug, wurden diese grauenvollen Waffen versteckt, doch von US-Soldaten entdeckt. Diese Bomben wurden dann laut diesem Gerücht auf Japan abgeworfen.

Gegen diese Theorie spricht, dass der deutsche Kernphysiker Kurt Diebner im Jahre 1962 in einem Artikel zwar von sprengstoffgetriebenen Fusionsversuchen mit kleinen Kugelanordnungen in den Jahren 1943/44 schreibt, diese jedoch laut seiner Aussage alle scheiterten.

Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass in Deutschland mehrere Gruppen an der Kernspaltung forschten. Unter anderem gingen die Wissenschaftler Werner Heisenberg im Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut, Kurt Diebner in Gottow und Paul Hartdeck an der Universität Hamburg der Frage nach, wie die Kraft des Urans nutzbar zu machen wäre. Nachteil dieser Strategie: Das vorhandene rare Uran musste unter den Gruppen aufgeteilt werden, was den Versuchen abträglich war.

Bemerkenswert ist, dass das deutsche Militär zwar an den Forschungen Interesse zeigte, dieses jedoch schnell verflog, nachdem klar war, dass die Uranbombe noch viele Jahre von ihrer Verwirklichung entfernt war. Die Forschung war daher eine zivile Forschung, die die Energieerzeugung zum Ziel hatte. Wenig bekannt ist, dass der französische Forscher Joliot-Curie nach dem Fall von Paris im Jahre 1940 von Kurt Diebner zu einer Zusammenarbeit an nichtmilitärischen Projekten gewonnen werden konnte. Bereits im Juli 1940 nahm die französische Arbeitsgruppe unter der Leitung von Wolfgang Gentner ihre Arbeit auf.

Umwege zum Reaktor


Ebenfalls im Juli 1940 wurde auf dem Gelände des Kaiser-Wilhelm-Instituts in Berlin ein Labor eingerichtet, um Deutschlands ersten Uran-Reaktor zum Laufen zu bringen. Schon im Herbst war der Bau fertiggestellt und die Forschungen konnten anlaufen. Eine dieser Erkenntnisse war, dass Natururan sich nicht von Haus aus als „Brennstoff“ für die angestrebte Uranmaschine eignete. Nur das Uran-Isotop U235 eignet sich als Energiespender, weshalb dieses Isotop gesammelt werden muss, was als ›anreichern‹ bezeichnet wird. Daher wurden zunächst vom Physiker Manfred von Ardenne „Atomumwandlungsanlagen“ gebaut, um dies zu erreichen.

Dabei führt der Begriff ›Anreichern‹ zunächst einmal in die Irre, denn beim Anreichern geht es darum, die im Natururan vorhandenen Isotope U238 und U235 voneinander zu trennen, was dank der leicht unterschiedlichen Gewichte von U235 und U238 mit physikalischen Verfahren gelingt. Für Atomreaktoren benötigt man Uranmaterial dessen Anteil von U235 bei drei bis fünf Prozent liegen muss. Für Atombomben muss der Anteil sogar bei 90 Prozent liegen. Sicher mit ein Grund, warum die A-Bomen-Versuche von Dr. Diebner in Ortruf erfolglos blieben. Die Atomforschung in Deutschland war trotz des Krieges erstaunlich fortschrittlich. Sogar ein Ringbunker wurde nach dem Krieg bei Bad Saarow gefunden, der wohl Geräte beherbergte, um Uran anzureichern.

Doch gab es noch viele Hindernisse zu überwinden, der „Uranmaschine“ näherzukommen. Dazu gehörte die Suche nach einer geeigneten Bremssubstanz für die Neutronen, die durch die Kernspaltung frei wurden. Professor Walter Bothe sollte dazu die Berechnungen durchführen. Er verrechnete sich jedoch und schloss das reichlich vorhandene Graphit als Bremssubstanz aus. Stattdessen wurde auf das damals nur in Norwegen produzierte ›schwere Wasser‹ gesetzt, das lediglich in sehr kleinen Mengen erzeugt wurde. Einer der vielen Fehler, die dafür sorgten, dass Deutschland seinen Vorsprung in der Atomforschung verlor.

Doch der Elan wurde nur verlangsamt, kam jedoch nie zum Stillstand. Schon im Juni 1942 wurde unter der Leitung von Heisenberg und Döpel in Leipzig zum weltweit ersten Mal eine positive Neutronenvermehrung gemessen. Die Kettenreaktion war trotz der kriegsbedingten Hindernisse in Gang gesetzt!1943 gingen die Alliierten daran, gezielt Deutschlands Industrie und Forschungseinrichtungen anzugreifen. Auch die Norwegische Anlage zur Produktion von schwerem Wasser wurde durch britische Bomberverbände zerstört.

In der Folge dieser Angriffe wurde ein Teil des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik aus der Stadt verlegt. In einem ehemaligen Bierkeller eines Haigerlocher Gasthofes in Süddeutschland wurden von Walter Gerlach, einem Physiker, der Haigerloch aus seiner Studentenzeit kannte, ideale Bedingungen für die weitere Uran-Forschung gefunden. Der Keller war in einen Berg getrieben und der Eingang lag in einem kleinen Tal, was einen guten Schutz gegen Bombenangriffe bot. Hier wurde mit Graphit, Uranwürfeln und schwerem Wasser ein extrem einfacher Versuchreaktor gebaut.

Ziel fast erreicht


Obwohl im Sommer 1944 die gesamte deutsche Uran- und Schwerwasserproduktion zum Erliegen kam und obwohl der Vormarsch der Alliierten ungebremst weiterging, wurde hier fleißig die Uranforschung weitergetrieben. Gegen Ende Februar 1945 konnte Professor Karl Wirtz den Uranmeiler mit 664 Uranwürfel von je fünf Zentimeter Kantenlänge, die zusammen 1,5 Tonnen wogen, sowie 1,5 Tonnen schwerem Wasser bestücken und die Versuche bezüglich der Uranspaltung fortführen, was in Berlin und anderswo nicht mehr möglich war. Zu keiner Zeit war jedoch genug Material vorhanden, um den Reaktor kritisch werden zu lassen. Spätere Berechnungen ergaben, dass der Reaktor dafür die eineinhalbfache Größe hätte haben müssen.

Kurz vor Ende des Krieges, am 23. April 1945 erreichten amerikanische Soldaten Haigerloch und gingen unverzüglich daran, den Reaktor zu zerstören und die Forschungsberichte zu beschlagnahmen, um diese in den USA auszuwerten. In ihrem Eifer wollten die Amerikaner gleich die darüberliegende Kirche mitsprengen, was Marquard Gulde, der damalige Pfarrer, zum Glück verhindern konnte. Die deutschen Wissenschaftler wurden verhaftet und im britischen Landsitz Farm Hall interniert, wo sie am 6. August 1945 über den Nachrichtensender BBC vom Atombombenabwurf der USA auf Japan erfuhren.

Otto Hahn war ob dieser Nachricht schwer erschüttert. Er hatte zwar für die Entdeckung der Kernspaltung 1944 den Nobelpreis bekommen, war sich jedoch stets der Tatsache sehr bewusst, dass „sein Baby“ in den Händen unverantwortlicher Politiker und Nationen zu einem Monster heranwachsen kann. Auch von Weizsäcker war fassungslos, dass die Amerikaner diesen Schritt getan haben und hielt die Aktion für Wahnsinn.

Inmitten der damaligen Forschungsanlage, dem heutigen Museum ›Atomkeller Haigerloch‹ kann man sich in der geschichtsträchtigen Umgebung bestens in die Welt der damaligen Wissenschaftler hineinversetzen, die eine neue Energiequelle erforschen wollten. Unübersehbare Attraktion ist die Kaskade an Uranwürfeln, die in das mit schwerem Wasser gefüllte Becken getaucht wurden. Man fühlt sich wie neben einem Modell des ersten Autos, dessen Funktion keine Rätsel aufgab, da alles überschaubar blieb.

Besonders interessant auch der Nachbau des Experimentiertisches von Otto Hahn, der zeigt, dass man für Grundlagenforschung nicht unbedingt ein großes Labor mit einem entsprechenden Etat benötigt. Schnittmodelle neuerer Atomreaktoren, Schautafeln und Versuchsaufbauten zum Messen der Radioaktivität von Alltagsgegenständen machen den Besuch zu einem lehrreichen Erlebnis.Obwohl das Museum keine Riesenhallen mit Exponaten bietet, verweilt man hier besonders lange. Hier wird man von einer Aura gefangen genommen, wie sie nur wenige Orte in Europa bieten. Es gibt keinen besseren Ort, um die Anfänge der Atomtechnik so intensiv aufzusaugen wie hier.

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Interessante Links zum Thema ›Atom‹

Mininukes – Geheimpatente und Hintergründe in der Bundesrepublik Deutschland

Wikipedia: Otto Hahn

Wikipedia: Forschungsreaktor Haigerloch

Wikipedia: Kurt Diebner

Wikipedia: Carl Friedrich von Weizsäcker

Wikipedia: Karl Wirtz

Wikipedia: Uranprojekt

PM: Urananreicherung

Mehr Informationen:

Kontakt  Herstellerinfo 
Atomkeller-Museum Haigerloch
Pfluggasse 5
72401 Haigerloch
Tel.: 07474-69727
www.haigerloch.de/de/Tourismus/Atomkellermuseum

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