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Staunen im Eisenbahnmuseum

Stählerne Rösser und ihre Technik

Eisenbahnmuseen sind Besuchermagnete. Technik und Design geben sich hier ein Stelldichein. Als Perle ihrer Zunft präsentiert sich das private Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen, das auf einem riesigen Gelände stählerne Raritäten aus vergangener Zeit präsentiert, von denen viele noch fahrbereit sind.


Die Geschichte der Menschheit sowie deren technischen Errungenschaften sind empfindliche Güter. Werden diese nicht bewahrt und gepflegt, geht ein entscheidender Kompass verloren, der das Navigieren in der Vergangenheit erlaubt. Wie der erstaunliche Mechanismus von Antikythera oder die ägyptischen Pyramiden zeigen, sind wichtige Meilensteine menschlicher Genialität durch Krieg, religiöse Verblendung oder Desinteresse seit jeher bedroht und laufen Gefahr, dass ihr Kon­struktionsprinzip beziehungsweise ihre Bauweise in Vergessenheit geraten. Die Folge ist, dass der Fortschritt massiv zurückgeworfen wird.

Wie ausgeraubte Museen, in die Luft gesprengte Altertümer, zusammenbrechende oder in Flammen aufgehende Bibliotheken oder schlicht das Tun der Wegwerfgesellschaft zeigen, ist der Kampf um das Erbe der Menschheit täglich zu führen.

Gar nicht hoch genug einschätzbar sind daher die zahllosen Stunden, die ehrenamtliche Idealisten aufbringen, um technische Meilensteine vor dem Verfall oder der Schrottpresse zu bewahren. Mit an vorderster Front sind die zahlreichen Freunde der Eisenbahn zu finden. Dazu zählen nicht zuletzt die über 100 ehrenamtlichen Mitglieder des Eisenbahnmuseums Bochum, die auf einem riesigen Gelände der ehemaligen Bundesbahn sage und schreibe 120 rollfähige Raritäten deutscher Eisenbahngeschichte für kleine und große Eisenbahnfans in Schuss halten beziehungsweise restaurieren.

Ohne ihr Wirken würden von Deutschlands zweitältestem Personenwaggon aus dem Jahre 1861, dem Salonwagen der Reichregierung unter Adolf Hitler aus dem Jahr 1937 oder dem nur mehr hier zu bestaunenden Schienen-Straßen-Bus aus dem Jahr 1953 wohl nur noch Geschichtsbücher erzählen. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Dampflokomotiven, denen sich Technikliebhaber jeden Alters mit großen Augen nähern.

Loks mit Aha-Effekt


Im Bochumer Eisenbahnmuseum gibt es hochinteressante Exponate zu sehen, von denen man als Durchschnittsbesucher teilweise noch nie etwas gehört hat. Oder kennt jemand die sogenannte Dampfspeicherlokomotive? Wenn nicht, dann auf nach Bochum, zum größten privaten Eisenbahnmuseum Deutschlands! Hier wird erklärt, dass diese besondere Dampflokomotive ihren Dampf nicht selbst produzierte, sondern extern mit Dampf „betankt“ wurde. Diese Dampflok war daher für Fabriken interessant, die Dampf während der Produktion erzeugten und diesen praktisch als „Abfall“ zu Verfügung hatten.

Das Erkennungsmerkmal solcher Loks ist der fehlende Schornstein. Raffiniert ist nun, dass der Dampf nicht einfach in einen Kessel gefüllt wird, sondern dass sich in diesem Kessel bereits heißes Wasser befindet. Heißes Wasser ist in der Lage, große Mengen Dampf zu speichern. Sinkt nun während des Betriebs der Druck im Kessel durch die Dampfentnahme, so entweicht neuer Dampf aus dem heißen Wasser. Durch diese geniale Idee kann eine Dampfspeicherlok mehrere Stunden auf dem Betriebsgelände Arbeit leisten, ehe sie wieder „betankt“ werden muss. Wer würde sich an diese Technik erinnern, wenn es so eine Lok nicht mehr zu besichtigen gäbe?

Cleverer Vielstoff-Motor


Doch das ist noch lange nicht alles, was es an Staunenswertem in Bochum-Dahlhausen zu sehen gibt. Nur wenige Schritte neben der Dampfspeicherlok erblickt der Besucher eine Petroleum-Lokomotive, die von der Gasmotorenfabrik Deutz bereits im Jahre 1912 gebaut wurde. Diese war insbesondere für Unternehmen mit eigenem Eisenbahnbetrieb interessant, da diese Lok im Verhältnis zur Dampflokomotive deutlich wirtschaftlicher zu betreiben war.

Sie war für den Einmannbetrieb ausgelegt, konnte mit verschiedensten Brennstoffen, wie Benzol, Petroleum, Benzin oder Spiritus betrieben werden und musste im Gegensatz zu Dampfloks nicht stundenlang für den Betrieb vorbereitet werden, sondern war bereits nach nur 30 Minuten einsatzbereit. Der Motor mit dem gewaltigen Hubraum von 18 Litern entwickelte je nach Kraftstoffsorte eine Leistung zwischen 30 und 40 PS, was zusammen mit dem großen Schwungrad ausreichte, um schwere Lasten mit mindestens 5 km/h über das Werksgelände zu schleppen. Dampflokomotiven hatten sich noch einer weiteren Konkurrenz zu erwehren, die bereits sehr früh das Licht der Schienenwelt erblickten: Eisenbahnen mit Stromantrieb.

Bereits im Jahre 1913 wurde die im Museum ausgestellte ›LPD 3‹ für die Kaiserliche Post von AEG gebaut. An jeder Achse war ein Gleichstrommotor befestigt, die mit 550 Volt betrieben wurden und insgesamt eine Leistung von 147 kW entwickelten. Dies genügte, um dieser imposanten Erscheinung eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h zu verleihen. Doch auch für Strecken ohne elek­trische Oberleitung hatten findige Entwickler schon früh eine Lösung anzubieten: Den Akku, wie die ›Ka 4013‹ aus dem Jahre 1930 demonstriert. Dieses Modell wurde als Rangierlok eingesetzt und war so erfolgreich, dass von den damals vier gebauten Exemplaren drei bis ins Jahr 1965 im Einsatz waren.

Herrscher der Gleise


Trotz der sehr erfolgreichen Alternativen waren jedoch Dampflokomotiven lange Zeit die unumwundenen Herrscher über das weltweite Schienennetz. Sie waren in der grimmigen Kälte Sibiriens ebenso zuhause, wie in der glühenden Hitze Afrikas. Ihr Vorteil war, dass deren Betriebsstoffe, Kohle und Wasser, nahezu überall reichlich zur Verfügung standen. Wie die ›97 502‹ im Museum demonstriert, waren Dampfloks sogar auf Strecken unterwegs, die für Eisenbahnen eigentlich wegen ihrer Steigung unüberwindlich waren.

Für diese Strecken wurde diesem Loktyp ein Zahnrad spendiert, das auf steilen Strecken in die dort zwischen den Schienen eingelassenen Zahnstangen formschlüssig eingriff. So war es problemlos möglich, große Lasten über eigentlich für Eisenbahnen unüberwindbare Berge zu transportieren.

Im Bochumer Eisenbahnmuseum laden nicht nur die zahlreichen Loks zum Staunen ein, sondern auch die ebenso in großer Zahl ausgestellten Waggons, die dokumentieren, wie sehr sich der stetige technische Fortschritt auf den Komfort der Zugreisenden auswirkte.

Wie ein aus dem Jahre 1861 stammende Waggon zeigt, war dieser Komfort damals alles andere als einladend: Es gab lediglich eine trüb leuchtende Öllampe für den gesamten Waggon, die Inneneinrichtung beschränkte sich auf einfache Brettersitzbänke und hölzerne Gepäckablagen und im Winter war es bitterkalt, da es natürlich auch keine Heizung gab. So mancher Schaffner oder Bremser fiel dieser Kälte zum Opfer, da diese lediglich auf einfachen Sitzen mit Blechlehne auf dem Wagendach mitfuhren.

Nur wenige Schritte neben dem zweitältesten Waggon Deutschlands kann der Schlafwagen ›10222‹ aus dem Jahre 1937 besichtigt werden, der Bestandteil des Dienstzuges von Adolf Hitler war. Im Gegensatz zu den ersten Waggons der ­Eisenbahngeschichte gab es hier jede Menge Komfort, der das Reisen zum Vergnügen machte.

Der Schlafwagen aus dieser Zeit war sogar so komfortabel, dass er nach dem Krieg weiterverwendet wurde. Unter anderem nutzten der US-General Eisenhower und die Bundespräsidenten Theodor Heuss, Heinrich Lübke und Gustav Heinemann ihn für ihre Staatsbesuche. Aber auch Königin Elisabeth II. sowie der Schah von Persien konnten seinen Komfort genießen. Ein geschichtliches Juwel also, das den Besuch des Eisenbahnmuseums eine exquisite Note verleiht.

Ein besonders imposantes Exemplar des Museums befindet sich im Freigelände: die Drehscheibe. Dieses war nötig, damit Loks den ihnen zugedachten Stellplatz im Lokschuppen erreichten, wo sie gewartet werden konnten. Zudem war es damit möglich, die Lok umzudrehen, damit sie in der Lage war, mit dem Kessel nach vorne ihre nächste Fahrt anzutreten. Der Grund ist, dass damalige Dampfloks im Vor- und Rückwärtsgang nur unterschiedlich schnell fahren durften. Bei heutigen modernen Loks ist diese Beschränkung aufgehoben, weshalb keine Drehscheibe mehr benötigt wird.

Keine Kunstwelt


Überhaupt hat man im Freigelände des 1977 gegründeten Museums nicht das Gefühl, sich in einem solchen zu befinden. Das ist auch kein Wunder, war dies doch ehemals ein Depot der Bundesbahn, in dem Eisenbahnen gewartet und mit Wasser, Sand und Kohle versorgt wurden. An dem weitläufigen Gelände haben gerade Kinder ihre Freude. Hier entdecken sie die sehr gut erhaltene Rangierlok des ehemaligen Bochumer Opelwerks, können einen Grubenbahnwagen aus der Zeit des Kohlebergbaus erkunden oder sich an der Transportbahn für die Kumpels erfreuen, die sie über das Gelände fährt.

Ganz Kräftige können ihre Kraft an einer Draisine einsetzen, mit der in Begleitung eines Führers über das Museumsgelände gefahren wird. Wer dann immer noch nicht genug hat, kann auch eine Sonderfahrt mit der Dampflok buchen, die auf Werksbahngleisen unter anderem zu ­einem 1985 stillgelegten Hochofenwerk von Thyssen führt. Fazit: Daumen hoch für ein Museum, das sich als Top-Freizeitziel outet, in dem auf spielerische Weise Technik erfahrbar wird.

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Stiftung Eisenbahnmuseum Bochum
Dr.-C.-Otto-Straße 191
44879 Bochum
Tel.: 0234 - 492516
Fax: 0234 - 94428730
E-Mail: info@eisenbahnmuseum-bochum.de
www.eisenbahnmuseum-bochum.de

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