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Gedanken zum Mai 2010

Die Türkei ist ein schlafender Riese am Bosporus. Bislang wurde er nicht erweckt, da fähige türkische Köpfe noch nicht den Weg an die Staatspitze fanden. Dieses bedauerliche Vakuum wird momentan von bisweilen rückwärtsgewandten Akteuren gefüllt. Der Wunsch nach türkischsprachigen Gymnasien in Deutschland, ausgesprochen vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, ist jedenfalls nicht geeignet, die Türkei zu einer wirtschaftlichen Großmacht reifen zu lassen.


Mehr als 15 Millionen Türken werden nach Schätzung von Experten die Türkei verlassen, wenn diese in die EU aufgenommen werden sollte. Alleine diese Zahl macht deutlich, dass die Türkei sich keinen Gefallen damit tut, ein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft zu werden. Der Aderlass an Menschen würde die türkische Wirtschaft massiv schwächen, denn sicher werden hauptsächlich bestens ausgebildete Menschen das Land verlassen. Wenn zusätzlich noch bäuerliche Schichten ihre Zukunft in einem fremden Land suchen sollten, wird die Versorgung mit Lebensmitteln ein weiterer Krisenherd sein, der die Türkei massiv destabilisiert. Zu allem Überfluss hat die Türkei momentan eine Regierung und mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ein Oberhaupt, das diese Gefahren nicht sieht und eher noch weiter verschlimmert.

Das Beispiel Griechenland sollte für die Türkei eigentlich eine Mahnung sein, sich mit Macht in einen Staatenbund zu zwängen, in dem es nur verlieren kann. Erschwerend kommt hinzu, dass Leute wie Erdogan das Erbe des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk verraten und die bewährte gesetzliche Trennung von Staat und Religion immer mehr aufweichen. Dass es Erdogan darum geht, die Geschichte der weltoffenen Türkei zu beenden und dem radikalen Islam den Weg zu bereiten, sieht man nicht zuletzt an einer angestrebten Gesetzesänderung, die Imamen eine Teilimmunität verleihen soll.

Hunderttausende Türken sind bereits gegen diese Bestrebungen auf die Straße gegangen. Ihnen ist bewusst, dass das Handeln Erdogans der Türkei großen Schaden beschert hat und noch bescheren wird.

Die Probleme der Türkei sind enorm. Neben den Bekanntesten wie etwa der Kurden- und Zypernfrage gibt es weniger Augenfällige. So werden beispielsweise wichtige Weichenstellungen etwa in der Bildungspolitik nicht getätigt. Lediglich 93 Prozent aller schulpflichtigen Kinder gehen in die Schule. Sechs Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen sind Analphabeten. 51,3 Prozent der Bevölkerung zwischen 18 und 24 Jahren besitzen keinen Bildungsabschluss. Angesichts dieser Zahlen ist es völlig kontraproduktiv, etwa in Deutschland Gymnasien für hier lebende Menschen mit türkischen Wurzeln zu fordern.

Die Art, wie Erdogan sein Land führt, lässt schlechte Erinnerungen gerade bei uns Deutschen wach werden. Die Rede ist von Adolf Hitler. Auch dieser hat in besonderer Weise den Stolz der Menschen angesprochen und diese gegen andere Völker aufgehetzt. Interessant sind zudem markante Parallelen zwischen Erdogan und Hitler. Beide haben eine Gefängnisstrafe abgesessen und beide sind nur deshalb an die Macht gekommen, weil im Hitler-Fall das deutsche Ermächtigungsgesetz bemüht und im Erdogan-Fall das türkische Grundgesetz geändert wurde. Laut türkischem Grundgesetz durften sich nämlich keine Leute politisch betätigen, denen in einem Strafprozess ein Politikverbot auferlegt wurde.

Der Grund, warum im April 1998 Erdogan vom Staatssicherheitsgericht Diyarbakır zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, war, dass er laut Gericht einen Missbrauch der Grundrechte und -freiheiten gemäß Artikel 14 der türkischen Verfassung nach Artikel 312/2 des (damaligen) türkischen Strafgesetzbuches (Aufstachelung zur Feindschaft aufgrund von Klasse, Rasse, Religion, Sekte oder regionalen Unterschieden) durchführte. Er wurde damals zu zehn Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot verurteilt. Anlass war eine Rede bei einer Konferenz in der ostanatolischen Stadt Siirt, in der er aus einem religiösen Gedicht, das Ziya Gökalp zugeschrieben wurde, zitiert hatte:

Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.

Nachdem er an der Macht war, hat Erdogan, wie damals Hitler, keine Gelegenheit ausgelassen, sich in andere Länder und deren Innenpolitik einzumischen. Die Einladung europäischer, türkischstämmiger Abgeordneter im Februar 2010 nach Istanbul mit der Bitte, Entscheidungen im türkischen Sinne anzustreben, ist nur eine Variante davon. Er ermunterte damals türkischstämmige Bürger zur Annahme der jeweiligen europäischen Staatsbürgerschaft, mit dem Ziel, politisch im Sinne der Türkei tätig zu werden. In einer Rede wiederholte der türkische Premier den umstrittenen Satz aus seiner Rede in Köln 2008 "Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und "Wir müssen die europäische Kultur mit der türkischen impfen."

Laut Ermittlungen der Zeitung „Welt Online“ war die Veranstaltung entgegen Erdogans üblichen Auftritten vor der Öffentlichkeit geheim gehalten worden, was zu Verstimmungen in diplomatischen Kreisen führte. Weder die türkischen Medien noch der Großteil der Botschaften der Teilnehmer aus den verschiedenen Ländern waren eingeweiht. Hätten nicht mehrere deutsche Teilnehmer im Nachhinein die Zeitschrift „Der Spiegel“ darauf hingewiesen, so wäre diese Geheimveranstaltung wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt. Verschiedene Botschaften versuchen nun, angesichts des brisanten Inhalts der Reden, eine Teilnehmerliste der türkischstämmigen Politiker ihres Landes zu rekonstruieren.

Auch in der aggressiven Tonlage erinnert Erdogan an Hitler. Jüngst hat Erdogan gar verlautbaren lassen, Israel, den langjährig Verbündeten, militärisch anzugreifen, wenn dieses Land weiterhin sein Recht auf Selbstverteidigung im Gazastreifen wahrnehmen würde.

Anstatt anderen Ländern zu drohen, sollte sich Erdogan besser seinem Land zuwenden und hier an der Steigerung der Lebensqualität der Bevölkerung arbeiten. So ist etwa die Sterblichkeit in jungen Lebensjahren in der Türkei viel zu hoch. 2005 betrug beispielsweise die Kindersterblichkeit auf 1000 Lebendgeburten 29 Kinder. Die Säuglingssterblichkeit liegt bei 26 Säuglingen, bezogen auf 1000 Lebendgeburten. Diese Zahlen sind in keiner Weise einer modernen Industrienation würdig. Zum Vergleich: Der Wert für Deutschland lag im Jahre 2005 bei circa vier Säuglingen. Auch hier sieht man, dass in Erdogans Heimat noch jede Menge Arbeit auf ihn wartet. Die Menschen wollen ein besseres Leben, Bildung und Gesundheit. Stattdessen hat sich ein Hetzer an die Staatspitze gesetzt, der auf dem besten Weg ist, das Erbe Atatürks zu verspielen.

Derartige Drohgebärden zum Ablenken von innenpolitischen Problemen war für unverantwortliche Politiker schon immer ein beliebtes Spiel. Ein verantwortungsbewusster Staatslenker würde, im Gegensatz zu Erdogan, in der Türkei weitreichende, auf eine gute Zukunft gerichtete Reformen einläuten und massive Mittel unter anderem in die Schulbildung investieren. Das Anwerben der im Ausland lebenden Türken im großen Stil wäre ein weiterer kluger strategischer Schritt, da diese Menschen die türkische Wirtschaft massiv nach vorne puschen könnten. Schließlich ist ein großer Teil von ihnen bestens ausgebildet worden. Die in der damaligen DDR gelegene „Insel“ Westberlin hat es damals vorgemacht, wie man erfolgreich Menschen anlockt. Ankara sollte nicht zögern, es nachzumachen. Die Rückkehr von mehreren Millionen bestausgebildeter Türken würde das Land in kürzester Zeit nach vorne katapultieren. Bereits heute sind ehemalige deutsche Industrieperlen wie Grundig oder Telefunken in türkischer Hand. Mit dem Potenzial der türkischen Rückkehrer wäre der Weg der Türkei zu einem Big Player in vielen Bereichen gegeben.

Nachdem die Türken in der Zukunft ihre Bildungspolitik erfolgreich geändert und ihre Wirtschaft zur Blüte gebracht haben, kann in einem zweiten Schritt die Türkei als Zugpferd einer nahöstlichen Union dienen. Wie das frühere Beispiel zwischen dem Warschauer Pakt und den Nato-Staaten zeigte, ist es für den Frieden dienlicher, wenn sich vitale Machtblöcke gegenübersitzen. Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft, sondern führt auch zu geistigen und gesellschaftlichen Höhenflügen, wenn die Menschen nicht unterdrückt werden. Genau dies ist leider zunehmend in der EU oder in radikalen muslimischen Staaten der Fall. Und auch hier ist die Türkei schon einen entscheidenden poitiven Schritt weiter, als andere Staaten mit muslimisch geprägter Führung. Wenn islamisch geprägte Staaten einen Bund ähnlich der Europäischen Union bilden würden, werden diese einen rasanten Aufschwung vor sich haben, von dem alle profitieren.

Denn anders als in der Einbindung in die EU kann die Türkei in diesem Bund ihre Vorteile voll einbringen. In der EU würde ihr eher das Schicksal Griechenlands blühen, das nun hauptsächlich zum fremdbestimmten politischen Handeln gezwungen ist. Hinzu kommt, dass die Türkei wohl nie mehr an alte Stärke anknüpfen könnte, da die ausgewanderten Bürger sich in ihrer neuen Heimat fest niederlassen und hier das Bruttosozialprodukt mehren. Ganz abgesehen von der Gefahr, den der Wechsel in einen Staatenbund birgt, über dem durch die Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise das Schicksal des Untergangs kreist.

Daher ist es eminent wichtig, dass das türkische Volk klar erkennt, dass Erdogan für den Gang in dunkle Zeit, die Ideen Atatürks jedoch in eine strahlende Zukunft führen. Diesen klaren Blick haben leider unsere Väter vermissen lassen. Daher ist heute Deutschland politisch nur mehr ein Schatten seiner selbst. Das türkische Volk hat die einmalige Chance aus der deutschen Vergangenheit zu lernen und einen unheilvollen Weg für ihr schönes und reiches Land zu vermeiden.

 

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