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Chiemgaus automobile Raritäten

Die Heimat von KAN und Protos

Das Chiemgau ist bekannt für seine einmalig schöne Landschaft. Ob Wassersport, Wandern oder Bergsteigen – für jeden Geschmack bietet dieses Fleckchen Erde reizvolle Ziele rund um den Chiemsee. Doch gibt es noch ­einen gewichtigen Grund, hierher zu kommen: Das EFA-Museum in Amerang. Hier gibt es automobile Raritäten zu bestaunen, die anderswo nur mehr selten präsentiert werden.


Wer hat je von den Autobauern Aga, Brennabor oder Presto gehört? Lange ist es her, dass deren Produkte über die Straßen Europas fuhren. Heute sind die Zeugen der automobilen Frühzeit nur mehr in gut bestückten Museen zu besichtigen. Eine der bedeutendsten Sammlungen deutscher Hersteller ist im EFA-Museum zu finden, das sich im Chiemgauer Städtchen Amerang niedergelassen hat.

Hier gibt es 220 deutsche Oldtimer von 32 Firmen zu besichtigen, die teilweise schon lange ihre Fertigung aufgeben mussten. Sogar ein Gefährt des Unternehmens KAN ist hier zu sehen, das von 1911 bis 1914 im Städtchen Königgrätz der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn seine Produkte herstellte.

In Amerang ist sehr schön zu sehen, wie sich die Automobile im Laufe der Zeit an die veränderten Käuferwünsche und die immer stärker werdenden Motoren, sowie besser ausgebauten Straßen anpassten. Waren beispielsweise anfangs noch Holzräder der Kutschen an den ersten ernstzunehmenden Automobilen zu finden, das Starten des Motors mit der Handkurbel üblich und Benzinpumpen oder Synchrongetriebe Fremdwörter, so wurden diese Unzulänglichkeiten im Laufe der Zeit überwunden und durch Lösungen ersetzt, die dafür sorgten, dass das Auto seinen weltweiten Siegeszug auf dem Globus antreten konnte.

Wer das EFA-Museum in Amerang besucht, sollte Zeit mitbringen und sich eine fachkundige Führung gönnen. Wer das Museum auf eigene Faust durchstreifen will, kann das natürlich tun, doch wird ihm womöglich entgehen, dass früher beispielsweise die ­automobilen Scheinwerfer mit gefährlichem Karbid funktionierten und die Auto-Pioniere generell über sehr viel Wissen bezüglich ihres Gefährts verfügen mussten, damit sie bei dessen Versagen nicht auf die Hilfe damals noch rarer Automobilspezialisten angewiesen waren.

Gut betuchte Käufer eines Automobils hatten es einfacher, da sie sich gleich einen Chauffeur gönnten, der sich in der Regel mit dem Fahrzeug auskannte und auch gleich dessen Wartung übernahm.

Zahlreiche Automobile in Amerang zeigen, dass es dieser Spezies anfangs auch nicht besser ging, als den Kutschern in vorautomobiler Zeit: Sie waren, wie diese, dem Wetter ausgesetzt, während die „Herrschaften“ im Trockenen saßen.

Henry Ford war einer der ersten Industriellen, die verstanden, wie man ein Auto bauen musste, damit es auch für weniger betuchte Käufer erschwinglich wurde. Er führte 1913 das von Eli Olds im Jahre 1902 ersonnene Fließband ein und konnte auf diese Weise sein legendäres Modell ›T‹, auch als ›Tin Lizzy‹ bezeichnet, für sensationell günstige 300 Dollar verkaufen. Allerding gab es das Auto nur in Schwarz und ohne irgendwelche Extras. Dennoch wurde das Modell über 20 Jahre unverändert gebaut und davon 15 Millionen Stück abgesetzt. Natürlich ist auch diese Modell im EFA-Museum zu sehen.

Ehekiller Kurvenlicht

Nicht weit entfernt vom Standort der Tin Lizzy findet sich ein Protos-Tourenwagen, der ab 1924 gebaut wurde und – man lese und staune – bereits damals über die Funktion ›Kurvenlicht‹ verfügte, das fälschlicherweise als Erfindung der französischen Marke ›Citroën‹ eingestuft wird. Allerdings mussten hier die Schweinwerfer vom Beifahrer über ein Gestänge in die gewünschte Richtung gelenkt werden, was mitunter misslang und so manchen Ehekrach auslöste.

Nachdem in Europa die Straßen immer besser wurden und auch Autobahnen das Land überzogen, kann erneut ein Fortschritt im Automobilbau festgestellt werden. Nun verschwanden die Holzräder und die Motoren wurden kräftiger. Größere Strecken waren ab sofort problemlos zurückzulegen, weshalb sich die Frage nach dem Benzinverbrauch stellte.

Solange man ein Automobil nur zur Präsentation seines Wohlstands verwendete, war es nahezu egal, wie hoch der Benzinverbrauch war, da keine großen Strecken zurückgelegt wurden. Schließlich galt es lediglich, die nahe Kirche oder den Markt zu erreichen, weshalb ein Benzinverbrauch von 50 Liter pro 100 Kilometer, wie er für den Benz 27/70 von 1921 dokumentiert ist, nicht ins Gewicht fiel. Dieses Fahrzeug hatte einen Hubraum von über sieben Liter und dennoch nur 70 PS, was gerade ausreichte, um den vier Tonnen schweren Wagen auf 100 km/h zu beschleunigen.

Die Automobile wurden nun immer windschlüpfriger, robuster und gingen sparsamer mit Benzin um. Auf diese Weise konnten große Strecken problemlos und komfortabel zurückgelegt werden. Der Mercedes Benz 320, der ab 1938 gebaut wurde, benötigt beispielsweise nur mehr 3.2 Liter Hubraum, um 78 PS zu entwickeln. Das in Amerang gezeigte diesbezügliche Modell war übrigens früher im Besitz von Generalfeldmarschall Göring.
Nach dem Krieg wurden in Deutschland zunächst kleine Automobil-Brötchen gebacken. Die Modelle, die den Krieg unzerstört überstanden, wurden wegen Benzinmangels auf Holzvergaserbetrieb umgestellt. Der Automobile Neustart war extrem schwierig, da ein Großteil der Fertigungsanlagen zerstört waren oder von den Siegermächten demontiert wurden.

Spätere Modelle, wie das Goggomobil von Glas, die Isetta von BMW oder der Kabinenroller von Messerschmitt sorgten in den 1950er Jahren für erneute Mobilität und begründeten das Wirtschaftswunder in Deutschland.
Schon sehr bald waren die deutschen Autobauer wieder auf Augenhöhe mit der weltweiten Konkurrenz und trumpften mit Modellen auf, die Automobilgeschichte schrieben. Dazu gehört natürlich der VW-Käfer, der, ähnlich wie das T-Modell von Ford, über viele Jahre gebaut wurde.

Auch der Käfer-Nachfolger ›Golf‹ ist ein Dauerläufer, der weltweit bereits in Millionen Stückzahlen verkauft werden konnte. Besonders interessant ist, dass im EFA-Museum die kompletten Einzelteile eines Golf-Modells übersichtlich sortiert ausgestellt sind. Wer hier verweilt, bekommt eine Ahnung davon, dass ausschließlich eine Fließbandproduktion in der Lage ist, derart viele Teile kostengünstig zu einem bezahlbaren Produkt zusammenzubauen.

Audi als Geburtshelfer

Wenig bekannt ist die Geschichte, dass es Porsche nur deshalb gibt, weil sich Audi damals nicht in der Lage sah, für Porsche ein von ihm entworfenes Auto zu bauen. Kurzerhand zog Porsche dann ein eigenes Unternehmen auf, das mittlerweile zu den Ikonen deutschen Automobilbaus gehört.

Diese Anekdoten erfährt man, wenn man eine geführte Tour durch das EFA-Museum bucht. Auch zum neueren ›Z1‹ von BMW weiß der Führer, dass verunfallte Fahrzeuge selbst nach fachgerechter Reparatur immer mit dem Türmechanismus zu kämpfen hatten, der die Türe durch den Verzug nicht mehr zuverlässig auf- und abbewegte. BMW hat daher bald von dieser Art Türe wieder Abstand genommen.

Lediglich kräftig zupackende Frauenhände waren für den Kleinschnittger ›F125‹ nötig, um den fehlenden Rückwärtsgang zu ersetzen. Das an ein Spielzeugauto erinnernde Gefährt war mit nur 150 Kilogramm besonders leicht und dank seines hinten liegenden Schwerpunkts durch Anheben an der vorderen Stoßstange mühelos umdrehbar.

Schmunzeln auch vor dem RO 80-Modell von NSU, bei dem das Unternehmen nach 30 000 Kilometer einen kostenlosen Austauschmotor zur Verfügung stellte, da der Kreiskolbenmotor seinerzeit unter Dichtungsproblemen litt. Die RO 80-Eigner winkten sich stets fröhlich mit der Anzahl Finger entgegen, die die Zahl der bereits eingebauten Motoren andeuteten.

Erstaunt vernimmt man auch, dass alle im EFA-Museum ausgestellten Exemplare ausnahmslos fahrtüchtig sind und regelmäßig bewegt werden. Auf diese Weise will man sicherstellen, dass die Raritäten nicht den Museumstod sterben. Schließlich werden Motordichtungen spröde und platten sich Reifen ab, wenn sie Jahr für Jahr nur als Staubfänger ihr Dasein fristen.

Ausgewählte Exemplare kann man sich sogar für besondere Anlässe, wie etwa Hochzeiten, für einen Tag zu einem bezahlbaren Preis ausleihen, wobei dann sogar der Fahrer inklusive ist. Das ist auch nötig, da wohl kein Eigner eines modernen Autos in der Lage ist, unfallfrei ein tonnenschweres Gefährt ohne Servolenkung und synchronisiertem Getriebe zu bewegen.

Wer will kann sich auch den Pullmann-Mercedes ausleihen, mit dem schon Königin Elisabeth bei Ihrem Deutschlandbesuch im Jahre 1972 durch das Land chauffiert wurde.

Ein Extra-Grund, das EFA-Museum zu besuchen, findet sich eine Etage tiefer: Die weltgrößte Modelleisenbahn der Spurgröße II. Hier wurden 650 Meter Gleis verlegt und Hafenanlagen, Bahnhöfe und Seenlandschaften auf 500 Quadratmeter Fläche arrangiert. Die altehrwürdige Steuerung erlaubt den gleichzeitigen Betrieb von neun Zügen, die in diesem Panorama ihre Runden drehen. Abgerundet wird die Eisenbahnabteilung durch eine beeindruckende Sammlung von Eisenbahnmodellen in allen gängigen Spurgrößen, die auf jeden Fall einen Blick wert sind.Wer dann noch Zeit hat, sollte sich im museumseigenen Restaurant stärken, das inmitten der automobilen Raritäten seinen Platz hat. Hier lässt sich trefflich der EFA-Besuch abrunden.

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Mehr Informationen:

Kontakt  Herstellerinfo 
EFA-Museum für deutsche Automobilgeschichte
Wasserburgerstr. 38
83123 Amerang
Tel.: 08075-8141
Öffnungszeiten: 10:00 bis 18:00 Uhr
Eintrittspreise: Normal: 9 Euro, ermäßigt: 4 Euro
www.efa-automuseum.de

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