EPA: Neue Kunststoffklasse gegen die Plastikflut
Glasartiger Kunststoff ist robust und recycelbar
Angenommen ein Kratzer am Auto oder ein kaputtes Spielzeug könnten mit einem Wundermaterial ganz einfach „geheilt“ werden: Inspiriert von der Vision einer derartigen Substanz gelang Ludwik Leibler und seinem Team, François-Genes Tournilhac und Corinne Soulié-Ziakovic, im Jahr 2011 ein Coup: Sie entwickelten mit den Vitrimeren eine neue Kunststoffklasse. Dieses Material ist nicht nur leicht, robust und formbar, sondern entfaltet unter Hitze zusätzlich Selbstheilungskräfte. Zudem ist der Kunststoff durch die guten Recyclingeigenschaften sehr umweltfreundlich. Die bedeutungsvolle Entdeckung der Vitrimere revolutionierte die Polymerindustrie und machte den in Polen geborenen französischen Spitzenforscher Ludwik Leibler (63) weltberühmt.
Ob beim Flugzeug- oder Fahrzeugbau, in der Elektronik-, Bau- oder Sportindustrie – Kunststoffe sind gefragt, um Metallteile durch leichtere, aber ebenso widerstandsfähige Materialien zu ersetzen. Die extrem belastbaren Duroplaste galten lange als einzige Alternative, weil sie sowohl mechanisch und thermisch als auch chemisch widerstandsfähig sind. Ihr Nachteil: Einmal zu einer Form gegossen lässt sich dieser Kunststoff nicht mehr verformen und ist deshalb kaum recycelbar. Ein großes Problem für die Umwelt, die unter dem kaum abbaubaren Plastikmüll leidet.
Formbar wie Glas – aber unzerbrechlich
Leibler forschte gemeinsam mit seinem Team an der ESPCI Paris Tech (Ecole Supérieure de Physique et Chimie Industrielles) nach einem Kunststoff, der im festen Zustand so robust ist wie Duroplaste oder Gummi, sich jedoch erhitzt wie Glas und sich verformen lässt: Vitrimere. Sie bestehen aus einem Netz von Molekülen, welche unter Hitze sehr rasch ihre Struktur verändern können, ohne dass sich die Anzahl der molekularen Verbindungen ändert.
Im Gegensatz zu anderen Kunststoffen sind Vitrimere in ihrer Form veränderbar und können daher auch einfach recycelt werden. Die Selbstheilungsfunktion eröffnet zahlreiche neue Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie: Die Vitrimere können durch Erhitzen wie Metalle verschweißt werden, was komplexe Objektformen zulässt, welche mit Gusstechnik herzustellen unmöglich oder zu teuer wären.
Vom polnischen Physiker zum französischen Forschungsdirektor
Ludwik Leibler gehört seit über 30 Jahren zu den führenden Wissenschaftlern in Frankreich, besitzt 47 Patente und erhielt von unterschiedlichen Organisationen eine Vielzahl von Auszeichnungen für seine Lehre und Forschung. Leibler promovierte als theoretischer Physiker an der Universität Warschau, arbeitete ein Jahr als Postdoktorand unter der Leitung von Nobelpreisträger Pierre-Gilles de Gennes am Collège de France in Paris, bevor er für das französische Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Straßburg und anschließend in Paris forschte. Im ständigen Kontakt mit der Industrie gelangen ihm zahlreiche bahnbrechende Innovationen auf dem Gebiet der Polymerphysik, für die er weltweit Anerkennung fand. 2001 wurde Leibler Professor an der ESPCI ParisTech, wo er auch das Labor für Weiche Stoffe und Chemie leitet.
Der Visionär will Wunden heilen
Auch bei weiteren bedeutenden Innovationen Ludwik Leiblers wie dem selbstheilenden Gummi, der sich nach einem Riss durch einfachen Kontakt selbst reparieren kann, spielen Molekülverbindungen eine zentrale Rolle. Aufbauend auf seiner revolutionären Arbeit mit Polymeren und selbstheilenden Materialien forscht der visionäre Wissenschaftler an einem neuen Klebstoff aus Quarzsand-Nanopartikeln für biologisches Gewebe.
Während die Moleküle der Vitrimere nur untereinander Brücken bilden, verbinden sich die Moleküle der biologischen Nanopartikel auch mit anderen Stoffen. In der Chirurgie besitzt diese Nanopartikellösung beim Verschließen von Hautwunden oder bei der Verankerung von medizinischen Geräten an Gewebe und Organen ein vielversprechendes Potenzial.
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