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Die Heimat der Dampflokomotiven

Schwarzen Giganten auf der Spur

Die Eisenbahn ist ein echtes Zugpferd für Technik­Interessierte. Hier wird besonders anschaulich der technische Fortschritt sichtbar, der Industrienationen auszeichnet. Diesbezüglich eine besonders lohnenswerte Quelle ist das Deutsche Dampflokomotiv-Museum im „Eisenbahnerdorf“ Neuenmarkt.


Wer noch nie in seinem Leben eine ausgewachsene Dampflok gesehen hat, wem das durchdringende Pfeifen deren Signalhörner fremd ist oder sich endlich einmal selbst als Lokführer eines „Schwarzen Giganten“ fühlen möchte, der breche nach Nordbayern auf. Im schönen Städtchen Neuenmarkt findet sich auf 100.000 Quadratmetern ein gigantisches Dampflokmuseum, in dem mehr als 30 rollfähige Dampflokomotiven darauf warten, gründlich begutachtet zu werden.

Besonders sehenswert

Auf dem weitläufigen Gelände findet sich so manche Rarität, die es nur mehr hier zu sehen gibt. Ein ganz besonderes Schmankerl findet man beispielsweise nach ­einem kurzen Fußmarsch im Kohlenhof. Hier verrichtet der deutschlandweit letzte noch vorhandene Dampfdrehkran von 1927 seinen Dienst.

Das Besondere ist, dass dieser Kran nicht nur Kohle schaufeln konnte, sondern auch in der Lage war, selbst zu fahren. Dadurch konnte auf den Einsatz einer weiteren Rangierlokomotive verzichtet werden. Man sollte sich unbedingt die Zeit nehmen, dieses interessante Stück Industriegeschichte näher zu studieren, das bis 1973 im Deggendorfer Hafen im Einsatz war.

So mancher Sicherheitsingenieur würde sich wohl mit Grausen von der offen zugänglichen Technik abwenden, doch bekommt man gerade dadurch höchst interessante Einblicke in die Funktionsweise von Kränen. An Ergonomie wurde damals kein Gedanke verschwendet. Alles wurde rein zweckmäßig ausgeführt. Selbst die Kohle musste von Hand und über Kopf in den Führerstand gewuchtet werden, um den dort stehenden Dampfkessel zu beschicken. Apropos Kohle: Die immer stärker werdenden Dampfrösser entwickelten einen gewaltigen Hunger nach dem „Schwarzen Gold“. Reichten für die ersten Dampfloks ­einige wenige Körbe Kohle für mehrere Kilometer Fahrt, so benötigten spätere Exemplare bis zu einer halben Tonne für die gleiche Strecke. Diese waren aber auch ungleich stärker und schwerer.

Wer sich den Dampfkran angesehen hat, sollte nicht gleich den Rückweg antreten, sondern sich Zeit nehmen, den Kohlenhof des Betriebswerks näher zu mustern. Hier sind sowohl die Wasserkräne als auch die elektrische Beleuchtungseinrichtung echte Raritäten. Sie stammen aus den 1930er beziehungsweise aus den 1940er Jahren. Prachtstücke, wohin das Auge blickt und den Museumsbesuch zu einem besonderen Erlebnis machen.

Über alle diese Besonderheiten rund um die Dampflok klärt das Museum umfassend auf. Hier erfährt man beispielsweise, dass im Oktober 1977 die letzte Dampflokomotive Deutschlands aufs Abstellgleis geschoben wurde. Dies war gleichzeitig die Geburtsstunde des Deutschen Dampflokomotiv Museums durch eine Privatinitiative. Man hat sich auf die Fahne geschrieben, umfassend zu allen Aspekten rund um die Dampflok zu informieren. Und das ist wirklich gründlich gelungen.

Sogar deren Funktionsweise wird auf ganz besondere Weise vermittelt: Mehrere Projektoren strahlen beispielsweise eine Dampflok an und spielen dort Animationen ab, die sehr plastisch vermitteln, was gerade vor sich geht. Überhaupt haben sich die Museumsverantwortlichen sehr viel Mühe gegeben, die Technik der Dampfloks nach allen Regeln der Kunst anschaulich zu vermitteln.Das fängt bei Schnittmodellen an, geht über die einfallsreiche Beschriftung eines Lokführerstands und endet mit dem Gang unter die Räder einer Lok noch lange nicht. Den Besucher erwarten nahezu an jeder Stelle interessante Dinge, die er im Zusammenhang mit Dampfloks oft noch nicht wusste.

Für schöne SW-Fotos

So gibt es beispielsweise eine weiß lackierte Lok, die sich fremdartig von den anderen, schwarz lackierten Loks abhebt. Des Rätsels Lösung lautet, dass damals die ersten Exemplare eines neuen Lok-Modells für den Fotografen zunächst einen weißen Anstrich aus leicht abwaschbarer Farbe bekommen haben, damit diese auf Schwarz-Weiß-Fotos eine gute Figur machten. An anderer Stelle gewähren offenstehende Klappen einen Blick in die Technik der Rauchkammer beziehungsweise der Feuerbüchse. Als Feuerbüchse wurde derjenige Teil der Lok bezeichnet, in die die Kohle geschaufelt wurde. Angesichts der benötigten Menge moderner Loks war diese Arbeit alles andere als romantisch.

Der Heizer musste zudem darauf achten, die Kohle gleichmäßig in die Feuerbüchse zu befördern, damit deren Abbrand gleichmäßig erfolgte. Man kann sich lebhaft ausmahlen, dass die von der Feuerbüchse abgegebene Hitze im Sommer extrem unangenehm war. Aber auch im Winter konnte man sich wohl nicht so recht am warmen Feuer erfreuen, da die Kälte des Fahrtwinds einer schwitzenden Bedienungsmanschaft sicher extrem zusetzte.

Ein Blick in den Innenraum einer Feuerbüchse offenbart, dass hier vormals ein kraftvolles Feuer brannte. Die großen Kohlemengen bewirkten eine gewaltige Hitze, die das in Rohren zirkulierende Wasser zu Dampf umwandelte, der einen großen Druck im Kessel erzeugte. Die neben jeder Lok stehenden Info-Tafeln klären auf, dass bereits im Jahre 1923 das Modell ›95‹ über eine Leistung von 1330 PS verfügte, die für eine Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h reichten.

Doch viel wichtiger war die schiere Kraft, die es der Lok ermöglichte, zuverlässig Schräglagen zu erklimmen. Sie wurde daher bevorzugt in den deutschen Mittelgebirgen eingesetzt.

Im Museum wird man auch informiert, dass die Farben von Dampfloks eine bestimmte Signalwirkung haben: Eine rote Farbe bekommt alles Bewegliche in Bodenhöhe, Schwarz ist für die restlichen Teile der Lok vorgesehen.

Auch das Bezeichnungssystem für Dampflokomotiven folgt einem sehr einfachen Schema: Zunächst bekommt die Lok eine Stammnummer, die den Verwendungszweck ausdrückt. Von einem Zwischenraum getrennt folgt eine Ordnungsnummer, die die gebaute Stückzahl, die Herkunft oder Bauartunterschiede repräsentiert. Seit 1968 gibt es ein neues Nummernschema, um auch Elektroloks sowie Dieselloks zu kennzeichnen.

Interessant auch die ausgestellte Kriegslokomotive ›KDL 1‹: Wegen des im 2. Weltkrieg sich ergebenden Materialmangels entstand in Deutschland ab dem Jahre 1941 die Baureihe 52, bei der die Konstruktion auf die allereinfachste Bauweise reduziert wurde. So wurden beispielsweise statt Speichenrädern nur mehr einfache Scheibenräder verwendet, die Windleitbleche stark vereinfacht und im Führerstand nur mehr ein Fenster eingebaut. Wer als Besucher sich zwischen der Kriegslok sowie der in normaler Ausführung gebauten ›01 1061‹ stellt, wird die Unterschiede zwischen den beiden Lok-Bauweisen deutlich erkennen.

Wenige Schritte weiter erwartet den Besucher erneut ein Highlight des Museums: der 1937 in Dienst gestellte Salonspeisewagen der Gattung ›Salon R4ü-37‹. Bis 1941 diente dieser Salonwagen dem deutschen Reichskanzler Adolf Hitler als persönlicher Speisewagen. Nach dem Krieg nutzte der britischen Generalfeldmarschall Bernard Montgomery den Wagen für seine Zwecke.

Echtes Zeitdokument

Anfang der 1950er Jahre lies der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer den Wohnbereich des Salonwagens in einen Funkraum umbauen, der danach allen Bundeskanzlern als Funkbegleitwagen diente. Auch Willy Brandt und Queen Elizabeth II nutzten diesen Wagen, der somit ein bedeutendes Zeitdokument wurde.

Gleich neben diesem historisch wertvollen Exponat steht ein nicht minder staunenswertes Museumsexemplar: die ›10 001‹. Sie ist das letzte erhaltene Dampflokmodell dieser Baureihe beziehungsweise die Krönung des Dampflokbaus. Die von Friedrich Krupp 1956 gebaute, 2500 PS starke Lok war als Schnellzug für Hauptstrecken gedacht. Mit der Umstellung der Bahn auf Loks mit Elektro- und Dieselbetrieb war dieser modernen Lok jedoch kein langes Leben gegönnt. Sie wurde daher bereits nach nur zehn Jahren im Jahre 1968 ausgemustert. Nachdem die Schwesterlok verschrottet wurde, ist nur mehr das in Neuenmarkt stehende Exemplar aus dieser Baureihe erhalten und somit ein besonderes Highlight des Museums.

Doch ist das Museum voll von weiteren, sehr sehenswerten Stücken. Hier der imposante Einblicke erlaubende Zylinder einer Dampflok, dort die Treppe, um eine Lok von unten zu betrachten, hier der Schneepflug mit durch Druckluft bewegliche Pflugscharen, dort eine Modellbahn der Spitzenklasse im Maßstab 1:87, hier eine imposante Segmentdrehscheibe, um eine Lok in die andere Fahrtrichtung zu drehen, dort ein stilecht angelegter Bahnhof – es gibt eine Unmenge zu sehen, weshalb ein halber Tag wohl nicht ausreicht, um halbwegs alles aufzunehmen, was auf Augen und Ohren einstürmt.

Da kann nur geraten werden, bei schönem Wetter den idyllischen Biergarten zum Verweilen aufzusuchen, um sich mit selbst mitgebrachter Brotzeit für eine zweite Runde zu stärken. Und wer es perfekt machen will, bucht eine Museumsführung, da viele Sehenswürdigkeiten erst durch die Erläuterungen eines Experten so richtig hervortreten. In jedem Fall wird ein Besuch in Neuenmarkt anhaltende Begeisterung für alte Dampfloks hervorrufen. An den Besuch im Deutschen Dampflokomotiv-Museum wird man sich selbst noch nach Jahren gerne erinnern.

Video

Mehr Informationen:

Kontakt  Herstellerinfo 
Deutsches Dampflokomotiv-Museum
Birkenstraße 5
95339 Neuenmarkt
Tel.: 0 92 27-57 00
Fax: 0 92 27-57 03
E-Mail: info@dampflokmuseum.de
www.dampflokmuseum.de

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