Neuer Verbrenner ohne Kurbelwelle
Innovativer Motor lässt staunen
In Verbrennungsmotoren wird seit jeher die Kraft des explodierenden Kraftstoffes über Kolben, Pleuel, Kurbelwellen und Getriebezahnräder auf die Räder eines Kraftfahrzeugs übertragen. Dass es deutlich einfacher geht, zeigt der Kugelmotor des Schweizer Erfinders Arnold Wagner.
Yamaha YP 400 mit eingebautem Kugelmotor
Die Kraft des Dampfes wussten schon die alten Griechen zu nutzen, wie beispielsweise Heron von Alexandria mit seiner Aeolipile, auch Heronball genannt, zeigte. In dieser mit abgewinkelten Düsen versehenen Hohlkugel wurde Dampf eingeleitet, der durch diese Düsen entwich, weshalb die Kugel in Drehung versetzt wurde.Die Idee, Dampf zu nutzen, um Arbeitskraft zu erzeugen, inspirierte viele helle Köpfe, eine Maschine zu entwickeln, die dem Menschen ein neues Zeitalter versprach. Aber erst 1690 gelang es dem Franzosen Denis Papin, einen funktionierenden Vorläufer einer Dampfmaschine zu entwickeln. 1769 gelang es James Watt, die von Papin entwickelte Dampfmaschine entscheidend zu verbessern, was ein neues Zeitalter für die Menschheit einläutete.
Der Kugelmotor wurde erfolgreich getestet
Alte Technik im neuen Schlauch
Auch heutige Verbrennungsmotoren sind nichts anderes als Dampfmaschinen im Kompaktformat. Ihre Erfinder haben erkannt, dass es nicht immer Wasserdampf sein muss, um einen Kolben auf- und abzubewegen. Sie schlussfolgerten, dass diesen Part auch explodierender Treibstoff übernehmen kann.
Bereits im Jahre 1801 meldete der Franzose Philippe Lebon d´Humbersin einen Gasmotor zum Patent an, doch konnte er diesen Motor leider nicht mehr präsentieren, da er 1804 ermordet wurde. Den ersten brauchbaren Gas-Verbrennungsmotor baute 1859 der Franzose Jean-Joseph Étienne Lenoir, den er auch in Wagen und Boote einbaute.Diesen und allen nachfolgenden Verbrennungsmotoren ist gemeinsam, dass die am Kolben anliegende Kraft über ein Pleuel auf eine Kurbelwelle übertragen wird, von wo aus das Drehmoment über ein Getriebe die Räder antreibt.
Die Einheit ›Kolben-Pleuel-Kurbelwelle‹ ist eine Schwachstelle des Verbrennungsmotors, da die dort wirkenden Beschleunigungskräfte bei zu hoher Drehzahl dazu führen können, dass beispielsweise die Streckgrenze des Pleuelmaterials überschritten wird, was zu deren Zerstörung führt. Die Kurbelwelle eines Verbrennungsmotors darf daher eine maximale, vom Hersteller festgelegte Drehzahl nicht übersteigen.
Nuten dienen der Motorsteuerung
Grenzen überwinden
Diese Limitierung wollte Felix Wankel mit seinem Wankelmotor aufheben. Sein Motor arbeitete mit einem rotierenden Kolben, was Pleuel, Kurbelwelle und Nockenwelle überflüssig macht. Limitierende Drehzahlen sind daher erst jenseits von 15 000 Umdrehungen für den rotierenden Kolben nötig. Leider gab es bei diesem Motorenprinzip lange Zeit Probleme mit den Dichtungen. Zudem erlaubt die Trochoiden-Brennraumform keine hohe Verdichtung, was zu schlechtem Wirkungsgrad und damit hohem Kraftstoffverbrauch führt. Deshalb konnte sich dieser Motor nicht durchsetzen.
Kugeln ersetzen Kurbel- und Nockenwelle
Völlig neues Verfahren im Fokus
Auch andere Erfinder haben sich Gedanken gemacht, wie ein Verbrennungsmotor auszusehen hat, um mit möglichst wenigen Teilen und mit großzügigem Drehzahlband zu laufen. Auf das Prinzip des Kugelmotors ist zuerst Frank Berry in den USA gekommen, der einen derartigen Motor 1961 erfand und patentierte. Leider verstarb der Erfinder im Jahre 1969, weshalb seine Idee wieder in Vergessenheit geriet. Diese war wohl so gut, dass andere kluge Köpfe zwangläufig wieder auf sie stießen.
So Wolfhart Willimczik, der einen kugelförmigen Zweitakt-Kolbenmotor am 11. Juli 1974 in der damaligen DDR zum Patent anmeldete. Auch Herbert Hüttlin entwickelte einen Kugelmotor, den er 2002 zum Patent anmeldete. Bei der Recherche kam das Patent von Berry zum Vorschein, was die Anmeldung von Hüttli einschränkte. Im Jahr 2005 gab Hüttlin die weitere Entwicklung seines Motors auf der Berry-Basis wieder auf.
Nicht so der Schweizer Erfinder und Flugzeugbauer Arnold Wagner. Sein wassergekühlter Hiteng-Kugelmotor arbeitet zwar teilweise nach dem Prinzip des Berry-Motors beziehungsweise des Kugelmotors von Hüttlin, ist jedoch eine großteils eigene Entwicklung, die mit zahlreichen Patenten geschützt ist.
Das Arbeitsprinzip ist äußerst einfallsreich und überraschend. Wird dieser Motor als Animation betrachtet, so ist es sehr schwer, auf dessen Funktionsweise zu schließen. Diese erschließt sich erst, nachdem ein zerlegter Motor in Augenschein genommen wird. Es zeigt sich, dass Keramikkugeln in Nuten einer Kugelhohlschale geführt werden, die wiederum in zwei halbkugelförmigen Bauteilen – Kugelkolben genannt – stecken. Diese können im weitesten Sinne als Pendant zum Kolben eines herkömmlichen Verbrennungsmotors betrachtet werden.
Diese etwa handballgroßen Kugelkolben führen ineinandergesteckt durch die Zwangsführung mithilfe der Keramikkugeln stets wiederkehrende Bewegungen aus. Zum einen drehen sie sich um den Kugelmittelpunkt, zum anderen vollführen sie eine hin- und hergehende Bewegung, die jener klatschender Händen ähnelt.
Der ausgetüftelte Mechanismus führt dazu, dass Nocken- und Kurbelwelle sowie das Pleuel überflüssig werden. Die auf- und zuklappenden Kugelkolben sind derart konstruiert, dass sie mit den Hinterseiten das Ansaugen des Kraftstoffs und die Vorverdichtung, mit der Vorderseite die Kompression sowie den Abgasausstoß nach der Explosion des zerstäubten Benzins selbst bewältigen können. Die ausgesprochen hohe Funktionsdichte der Bauteile führt dazu, dass eine ganze Reihe weiterer Bauteile beim Kugelmotor nach den Ideen von Arnold Wagner entfallen.
Befinden sich beispielsweise in einem modernen Fireblade-Vierzylindermotor von Honda 140 Teile, so kommt der Wagner-Kugelmotor mit nur 12 Teilen aus, die bereits am 10.01.2005 in einem ersten Testlauf in Bewegung gesetzt wurden.
Und wo Teile entfallen, ist natürlich das Gewicht eines Motors entsprechend geringer. Nur knapp 23,5 Kilogramm bringt ein Kugelmotor mit 26 kW Leistung auf die Waage. Hinzu kommt, dass weniger Teile sich natürlich auch in der Montagezeit bemerkbar machen: Schon nach rund 45 Minuten ist ein Kugelmotor komplett montiert!
Öffnung zur Gemischansaugung (links)
Feuertaufe bestanden
Selbstredend, dass der Motor – der sich für Roller, Motorräder, Kleinautos und Spezialfahrzeuge eignet – bereits seine Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt hat: Bisher sind 536 Stunden Prüflauf mit vier Prototypen absolviert worden. Eingebaut in einen Yamaha-Motorroller des Typs YP 400 wurden damit am 12. März 2014 erste Fahrversuche durchgeführt.
Damals anwesende Versuchsteilnehmer loben seinen turbinenartigen Lauf sowie dessen Sound, der einem Viertakt-Zweizylinder-Boxermotor bei 2 000 Umdrehungen pro Minute ähnelt. Die damals beim Verbrennungsvorgang beobachtete blaue Auspuff-Flamme weist auf ein Gemisch in der Nähe von Lambda 1 hin. Dies bedeutet, dass im Motor genau die Luftmenge vorhanden ist, um den eingespritzten Kraftstoff vollständig zu verbrennen.
Wie der Erfinder mitteilt, wurde damals mithilfe des Yamaha-U-Kats bereits die Abgasnorm ›Euro 2‹ erfüllt. Eingeregelt wären problemlos die Euro 3-Abgasnormen einzuhalten. Auch strengere Abgasnormen wären wohl kein Problem, da dieses Motorkonzept noch viel Feinarbeit zulässt, was zudem eine massive Gewichtsreduzierung mit einschließt.
Ein Knackpunkt ist der derzeitige Stand der Niederdruck-Einspritztechnik (3 bar) des Yamaha-YP400-Rollers, da diese noch nicht so weit entwickelt ist, das hohe Drehzahlpotenzial des Motors – das bei über 10 000 U/min liegt – auszunutzen, weil die Ansaug-Schlitz-Öffnungszeit unter fünf Millisekunden bei 4 500 U/min liegt, wobei dann beim Höherdrehen der Motor wegen Gemischabmagerung abgedrosselt wird. Neuere Systeme mit mehr als zehn bar Druck könnten dieses Problem beheben.
Auch hinsichtlich des Fahrkomforts wird viel geboten, da der Motor durch die Kugelform und mangels hin- und hergehender Massen turbinenartig läuft. Die derzeit noch auftretenden Drehzahlvariationen, die zu Schieberuckeln führen, lassen sich wohl durch eine elektronische Regelung in den Griff bekommen.
Kraftübertragung per Kugelkolben
In die Zukunft gedacht
Arnold Wagner hat bereits ein Konzept ausgearbeitet, auf welche Weise sich sein Motor nützlich machen könnte, bis die reinen Elektrofahrzeuge so ausgereift sind, dass schnelles Laden mit großer Reichweite einhergeht. Herausgekommen ist ein Hybrid-Antrieb für Zweiräder, bei dem ein Kugelmotor über ein Planetengetriebe mit einem Asynchron-Elektromotor verbunden ist.
Das Planetengetriebe-Hohlrad wiederum ist über einem Zahnriemen mit dem Hinterrad des Motorrads verbunden.Diese Antriebseinheit besäße zusammen 60 kW Leistung, würde dem Motorrad eine Spitzengeschwindigkeit von rund 200 km/h verleihen und nur zwei Liter Sprit pro 100 Kilometer verbrauchen.
Investoren werden gerne eingeladen, Kontakt mit dem Erfinder aufzunehmen, denn das Ende der Verbrenner ist wohl noch einige Jahre entfernt. Womöglich wird es gar nie eintreten.
Erfinder Arnold Wagner
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Diesen Artikel finden Sie auch in Heft 5/2019 auf Seite 58. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!
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