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Die Erbschaftsteuer gehört abgeschafft

Thilo Brodtmann spricht Klartext

Die Erbschaftsteuer ist nicht nur für die überwiegend von Familien geführten mittelständischen Unternehmen ein ständiger Unsicherheitsfaktor. Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des VDMA, schlägt daher vor, diese Steuer abzuschaffen, um Unternehmen und Bürger wieder mehr Planungssicherheit zurückzugeben.


Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat das Erbschaftsteuergesetz Ende 2014 gekippt. Bereits 1995 und 2006 musste die Politik in gleicher Sache Niederlagen einstecken. Die Folge ist heute – wie in der Vergangenheit – die gleiche: der Gesetzgeber muss nachbessern.

Gegenstand des letzten Verfahrens war die Frage, ob das aktuelle Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt. Streitpunkt waren die sogenannten Verschonungsregeln für Unternehmensvermögen. Ganz konkret ging es darum: Rechtfertigt der Erhalt von Arbeitsplätzen eine weitgehende Befreiung?

Die beanstandeten Vorschriften, einschließlich der Verschonungsregeln für Unternehmensvermögen, sind zunächst weiter anwendbar. Der Gesetzgeber muss jedoch bis spätestens 30.Juni 2016 eine Neuregelung treffen. Ob diese Reparaturarbeiten dann bei einer erneuten Überprüfung durch das höchste Gericht Bestand haben, steht in den Sternen. Die Befürchtung ist deshalb nur allzu berechtigt, dass das Gezerre um eine „gerechte“ Erbschaftsteuer zu einer unendlichen Geschichte zu werden droht.

Auch wenn die Verschonungsregelungen mit dem Gleichheitssatz im Grundsatz vereinbar sind, bedürfen diese beim Übergang »großer Unternehmensvermögen jedoch der Korrektur«, so das Bundesverfassungsgericht. Zwar liege es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen. Diese Privilegierung sei jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine sogenannte „Bedürfnisprüfung“ vorzusehen.

Das Bundesverfassungsgericht formuliert also als Aufgabe an den Gesetzgeber, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmen festzulegen, für die eine Verschonung ohne Bedürfnisprüfung nicht mehr in Betracht kommt. Ebenfalls unverhältnismäßig sei die bedingungslose Freistellung von Betrieben mit bis zu zwanzig Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 Prozent. Auch insoweit sind die Verschonungsregelungen verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen führen.

Das alles hört sich durchaus logisch und nachvollziehbar an. Wird aber der Gesetzgeber bei seinem nächsten Versuch diese Kriterien umsetzen können, ohne ein bürokratisches Monster zu kreieren? Die vorgelegten Eckpunkte für eine „minimalinvasive“ Änderung des Erbschaftsteuergesetzes lassen nichts Gutes erahnen: So soll ein „Großunternehmen“ bereits ab einem Wert von 20 Millionen Euro vorliegen und für Zwecke der „Bedürfnisprüfung“ soll sogar selbst erarbeitetes (und versteuertes) Privatvermögen des Unternehmenserben herangezogen werden. Diese Vorstellungen erscheinen mit den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts sowie grundlegenden Prinzipien, etwa das der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die sich wegen vorhandenem Vermögen durch den Erbfall überhaupt nicht erhöht hat, nur schwerlich vereinbar.

Dass ferner zentrale Problemfelder, wie die gesetzlich angelegte strukturelle Überbewertung von Unternehmensvermögen und Fragen steuerlicher Doppelbelastungen nicht angetastet werden sollen, provoziert geradezu den erneuten Gang nach Karlsruhe. „Minimalinvasive“ Gesetzeskorrekturen sind unzureichend. Das Ergebnis „Operation gelungen – Patient tot!“ verkennt die Belange des industriellen Mittelstands. Ob ein künftiges Erbschaftssteuergesetz Politik, Wirtschaft und Recht gleichermaßen zufrieden stellen kann muss bezweifelt werden.

Dreimal innerhalb von nur zwanzig Jahren hat nun das Bundesverfassungsgericht das Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt. Dass es bei einer weiteren Anrufung zum mehr oder weniger selben Ergebnis kommt, ist angesichts der sich teilweise widersprechenden Bedingungen nicht auszuschließen. Das sind zwanzig Jahre und mehr Rechts- und Planungsunsicherheit – für den Standort Deutschland ein unhaltbarer Zustand.

Hiervon betroffen ist vor allem Deutschlands industrieller Mittelstand, dessen Beitrag zum allgemeinen Wohlstand die Politik zu recht immer wieder lobt. Gerade diese überwiegend von Familien geführten Unternehmen denken und handeln in langfristigen Zeiträumen, wenn sie Investitionsentscheidungen treffen und damit Arbeitsplätze sichern. Sollte dem der Gesetzgeber nicht endlich in vollem Umfang Rechnung tragen? Denn über eines sollten wir uns nichts vormachen: Die mit der Erhebung der „neuen“ Erbschaftsteuer verbundenen Lasten für Steuerzahler und Finanzverwaltung und damit das Verhältnis von Aufwand und Ertrag dieser Steuer wird aller Wahrscheinlichkeit nach wegen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes noch schlechter werden als es ohnehin schon ist.

Sollte man da nicht endlich die Abschaffung der Erbschaftsteuer in Erwägung ziehen? Für die Politik mag dieser Schritt noch ein Tabu sein. Ihr müsste aber doch allmählich klar sein, dass der damit verbundene Einnahmeverlust eine gut angelegte Investition ist, damit der Standort Deutschland für den industriellen Mittelstand über Generationenwechsel hinaus attraktiv bleibt.

Aktuell geht es um eine Summe von rund 5,4 Milliarden Euro in Zeiten höchster Steuereinnahmen. Das sind weniger als ein Prozent des gesamten Steueraufkommens, und im Vergleich zu den Milliarden, die allein die Rente mit 63 verschlingt, eine bescheidene Summe. So billig sind vernünftige Wachstums- und Beschäftigungsimpulse so bald nicht wieder zu bekommen.

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