Das große Wunderland der Schiffe
Erlebniswelt Schiffahrtsmuseum
Vom Einbaum über die Kogge bis zum Walfangdampfer und U-Boot-Jäger – das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven gibt tiefe Einblicke in das Bestreben des Menschen, Schiffe für unterschiedliche Zwecke zu bauen. Zahlreiche Exponate sind begehbar und geben den Blick auf die Technik frei, Flüsse, Seen und Meere zu befahren. Insbesondere Familien mit Kindern sei daher ein Besuch ans Herz gelegt.
Schiffe spielen eine Schlüsselrolle in der Entwicklung des Menschen. Bereits der Bau einfacher Einbäume erforderte entsprechende Werkzeuge, Geschick und jede Menge Ausdauer. Der Gebrauch dieses Gefährts war zudem schwierig, da einfache Ausführungen leicht kentern konnten. Diesen Mangel konnten findige Ureinwohner durch den Anbau von Auslegern oder dem Zusammenkoppeln zweier Einbäume abstellen. Dadurch war es möglich, Segelmasten anzubauen, um noch schneller das Nass zu durchqueren, beziehungsweise weite Strecken in kurzer Zeit zurückzulegen. Der Schiffbau kann daher als ein wesentlicher Meilenstein in der Entwicklung des Menschen angesehen werden.
Wer dem Deutschen Schiffahrtsmuseum einen Besuch abstattet, bekommt im Zeitraffer die ganze Geschichte des Schiffbaus präsentiert. Jeder Schritt und jeder Blick lässt neue Informationen sprudeln, die helfen, die Welt der Schiffe zu begreifen. Fasziniert nimmt man einen Einbaum in Augenschein und versucht, sich in die Zeit seines Gebrauchs zurückzuversetzen.
Von klein nach groß
Ein kurzer Blick nach rechts ermöglicht einen Sprung um viele Jahrhunderte: Eine im Verhältnis zum Einbaum riesige Kogge kommt ins Blickfeld, die dokumentiert, was der Mensch in diesem Zeitraum aus den ersten Paddelschlägen und Segelabenteuern mit Einbäumen machte.
Mit Koggen war der Handel mit Gütern aller Art in großer Menge möglich. Dass die Kogge überhaupt noch als solche vorhanden ist, kann nur als Glücksfall bezeichnet werden. Immerhin 600 Jahre lag das Schiff auf dem Grund der Weser, ehe sie geborgen wurde. Damit sie auf Dauer erhalten bleibt, wurde sie 20 Jahre lang in einen großen Tank gelegt, der mit einer Mischung aus Polyethylenglykol und Wasser gefüllt wurde. Das Kunstwachs wanderte in dieser langen Zeit in das Holz ein und festigte es. Nun ist die Kogge für immer stabil.
Das Museum bietet eine unglaublich große Zahl sehenswerter Exponate. Da sind zum Beispiel die Uniformen berühmter Kapitäne, aber auch die zahlreichen Modelle berühmter Handels- und Schlachtschiffe zu nennen. Wer es noch nicht wusste, der erfährt hier, dass die deutsche Regierung 1938 den Flugzeugträger ›Graf Zeppelin‹ in Auftrag gab. Dieser wurde nie fertiggestellt und 1945 von der Kriegsmarine selbst versenkt.
Nicht nur das kleine U-Boot ›Seehund‹ von 1945 und das Mittelstück des Raddampfers ›Meissen‹ lohnen, genauer in Augenschein genommen zu werden, sondern natürlich auch die Exponate im Anbau des Museums, wo Sportboote, Segeljachten und Rettungsschiffe die Besucher begrüßen. Hier kann man beispielsweise lernen, dass der bekannte Katamaran eigentlich eine Erfindung aus der Südsee ist, da dort die Doppelrumpfboote für den Fischfang zuerst im Einsatz waren.
Mit der Zunahme der Schiffahrt wurde die Seenotrettung immer wichtiger, da durch die Größe der Schiffe im Fall eines Unglücks eine große Zahl von Menschen Rettung benötigten. Auch zu diesem Bereich gibt es daher im Museum eine ganze Zahl interessanter Exponate. Darunter Signalpistolen, Rettungsinseln und Seenotkreuzer. Exponate, wie etwa das Fragment eines Kunststoffrettungsboots vom 1978 untergegangenen Containerschiff ›München‹ oder ein Rettungsboot-Fragment der 1957 gesunkenen ›Pamir‹ mahnen, die Gefährlichkeit der Schiffahrt nie zu unterschätzen.
Imposante Erscheinung
Schreitet man über einen Steg hinüber zur nächsten Abteilung, steht man staunend vor dem Originalskelett eines Pottwaljungbullen. Dieses Tier wurde 1984 verendet in der Wesermündung gefunden und im Bremerhavener Fischereihafen fachgerecht zerlegt. Das 17 Meter lange Skelett besteht aus 210 Knochen und ist an der Decke des Museum befestigt. Pottwalmännchen werden bis zu 50 Tonnen schwer. Schon der gewaltige Schädel alleine wiegt bereits circa zwei Tonnen.
Lassen wir diese Abteilung mit seinen Walfangwaffen und Trophäen hinter uns, gelangen wir in eine Abteilung, wo sich alles um das Messen von Meeresströmungen und das Bestimmen der Gezeiten dreht. Hier sollte man sich ein wenig mehr Zeit nehmen, um all die mechanischen Wunderwerke eingehend zu studieren, die findige Köpfe zum Berechnen der Hoch- und Niedrigwasserzeiten ersonnen haben. Die mathematisch hochkomplexe Aufgabe wurde im frühen 20. Jahrhundert mit aufwendigen Analogrechenmaschinen gelöst, die heute selbstverständlich vom Computer abgelöst wurden.
Von dieser Abteilung gelangt man über eine Treppe in den „Bauch“ des Museums, wo ein raumfüllender Schiffsimulator auf große und kleine Kapitäne wartet, sich einmal wie ein echter Seebär zu fühlen. Es ist gar nicht so leicht, ohne Havarie sein Schiff durch alle Hindernisse zu bekommen, da Schiffe nicht sofort stehen, wenn man es will.
Moderne Fertigung
Nächste Station des Museumsrundgangs ist eine Abteilung, die sich um Bau, Antrieb und Ausstattung von Schiffen dreht. Hier erfährt man, dass Schiffe schon lange ohne Niete gebaut werden und Zulieferer eine 1:1-Ausstattung ihres Kabinenvorschlags anfertigen müssen, wenn sie sich um einen Auftrag bemühen. Zu sehen ist beispielsweise das Muster eines Restaurants, mit dem sich das Unternehmen Gehr 1995 erfolgreich bei der Meyer Werft als Zulieferer für das Kreuzfahrtschiff ›Oriana‹ bewarb.
Wer nun ins Freie tritt, um die dort ausgestellten Exponate in voller Lebensgröße zu bewundern, wird rasch von der besonderen Aura eingefangen, die diese Schiffe umgibt. Schon alleine der Gang über den 1919 gebauten Frachtsegler ›Seute Deern‹ gibt eine Vorstellung davon, dass die Fahrt über das Meer vor knapp 100 Jahren auf solchen Schiffen noch eine echte Knochenarbeit war.
Die imposante Höhe und Mächtigkeit der Masten lässt erahnen, welche Kräfte hier aufgenommen werden müssen, wenn der Wind in die Segel fährt. Die Crew musste ein eingespieltes Team sein, wollte man so ein Schiff beherrschen. Eigenbrötler und Sonderlinge waren hier garantiert nicht zu finden.
Innovationen satt
Tüftler hingegen haben sich immer wieder aufgemacht, besonders innovative Schiffe zu bauen. Nur wenige Schritte von der ›Seute Deern‹ erblickt der Besucher beispielsweise das Tragflügelboot ›WSS 10‹, das 1954 von Friedrich Hermann Wendel patentiert wurde. Dieses Schiff ist mit Tragflächen ausgerüstet, die das Boot während der Fahrt aus dem Wasser hoben, wodurch es mit sehr wenig Widerstand und hohem Tempo über das Wasser brauste.
Direkt dahinter befindet sich die ›Paul Kossel‹, ein Unikat aus dem Jahre 1920, dessen Rumpf, man lese und staune, aus Beton besteht! Ähnlich staunenswert präsentiert sich der ›Stier‹. Bei diesem 1954 gebauten Hafenschlepper sucht man am Heck vergeblich nach Schiffschrauben. Nicht einmal ein bewegliches Ruder ist vorhanden. Stattdessen finden sich im vorderen Bereich des Schiffes links und rechts je eine Art Propellerkarussell, die das Wasser nach Art eines Riesenquirls in Bewegung bringen.
Das Besondere ist nun, dass die jeweils vier senkrecht stehenden, an Flugzeugflügel erinnernden Propeller sich nicht nur im Kreis bewegen, sondern von einem im Schiff untergebrachten Getriebe während der Kreisbewegung auch noch in sich gedreht werden können. Dadurch kann das Wasser gezielt in eine bestimmte Richtung gelenkt werden, was dem Schiff eine unerreichte Wendigkeit verleiht.Weitergeschlendert erreicht man den 1939 gebauten Walfangdampfer ›Rai IX‹, der während des Krieges als U-Boot-Jäger eingesetzt wurde.
Direkt daneben ankert der Hochsee-Bergungsschlepper ›Seefalke‹, der bereits 1924 gebaut wurde. Es lohnt sich, beide Schiffe eingehend zu erkunden, da deren Technik zeigt, was damals bereits machbar war. Vor allem die Einrichtungsgegenstände, Tische und Stühle dokumentieren, dass beide Schiffe für die raue See gedacht waren. Hier konnte bei schwankenden Schiff kein Teller auf den Boden fallen oder der Stuhl sich vom Tisch entfernen. Die Enge der Kojen gibt Auskunft darüber, dass das Leben auf einem Schiff damaliger Bauart mit kargem Standard verbunden war.
Grauer Wolf
Ein weiteres Highlight präsentiert sich in unmittelbarer Nähe: Das einem Verein gehörende U-Boot ›Wilhelm Bauer‹. Dieses von der Bundeswehr als Ausbildungs- und Erprobungsboot genutzte Gefährt wurde bereits 1945 von der deutschen Marine in Dienst gestellt und zählte zu den Wunderwaffen, von denen Hitler am Ende des Krieges immer wieder gesprochen hat. Dieses Boot hatte die Typenbezeichnung ›XXI‹ und war das damals modernste U-Boot der Welt.
Es wurde in Sektionsbauweise erstellt, was die Bauzeit drastisch reduzierte. Dieses Boot war das erste U-Boot der Welt, das dank leistungsstarker Akkus, Lufterneuerungsanlage und Schnorchel für die Verbrennungsluft des Dieselmotors fast durchgehend unter Wasser fahren konnte. Eine Besichtigung dieses letzten erhaltenen Exemplars seines Typs ist der krönende Abschluss eines spannenden Museumsbesuchs, von dem man wohl noch lange erzählen wird.
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Mehr Informationen:
Deutsches Schiffahrtmuseum | |
Hans-Scharoun-Platz 1 | |
27568 Bremerhaven | |
Tel.: 0471-482-07-0 | |
Fax: 0471-482-07-55 | |
E-Mail: info@dsm.museum | |
www.dsm.museum |
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