Speyer - ein Tipp für Kenner
Ein Superlativ in Sachen Technik
Wer sich für die Geschichte der Technik interessiert, hat in Deutschland zahlreiche Möglichkeiten, sich zu informieren. Häufig sind die entsprechenden Techniktempel jedoch von Platzmangel geplagt, sodass Exponate, die eine bestimmte Größe überschreiten, nicht gezeigt werden können. Anders das Technik Museum Speyer, das sogar in der Lage ist, einen Jumbojet und den Raumgleiter ›Buran‹ zu präsentieren.
Technik Museum Speyer
Verregnete Wochenenden eignen sich bestens, um mit der Familie wieder einmal ins Museum zu gehen. Wer bei schlechtem Wetter allerdings Techniktempel, wie das Technik Museum Speyer aufsucht, bringt sich um einen besonderen Genuss, den das Museum im Freigelände bietet.
Hier gibt es Exponate, mit Klasse die dafür sorgen, dass nicht nur Kinder große Augen bekommen. So ziehen die zahlreichen Kampfflugzeuge wissende Blicke auf sich, die sogleich zu geflügelten Riesen, wie dem Jumbo-Jet Boeing 747 oder der russischen Antonov AN 22 weiterwandern. Beide Technik-Highlights sind voll begehbar, wodurch deren immense Größe für jedermann erst so richtig begreifbar wird. Wer sich in den „Bauch“ dieser Giganten der Lüfte begibt, zieht im Geiste voller Hochachtung seinen Hut vor den Erbauern dieser Flugzeuge. Die Antonov wurde sogar derart robust konstruiert, dass diese mit 100 Tonnen Beladung problemlos auf einer festen Graspiste landen und starten konnte. Dadurch war das sowjetische Riesenreich in der Lage, selbst abgelegene Gegenden zu erschließen.
Highlights auf engstem Raum
Schönes mit Staun-Gen
Zur Antonov grüßt ein deutscher Seenotrettungskreuzer herüber, der den Eindruck macht, eben erst seine letzte Fahrt hinter sich gebracht zu haben, so frisch und modern sieht er aus. Jeder Besucher kann sich davon überzeugen, dass diese Schiffe modernsten Standards genügen und mit allem Nötigen ausgestattet sind, damit in Seenot geratenen Schiffen und deren Besatzung wirkungsvoll geholfen werden kann. Selbst wer an Platzangst leidet, hat an Bord dieser überraschend großen Schiffe nie ein beklemmendes Gefühl.
Ganz anders bei der Besichtigung von U9, einem 1966 gebauten deutschen U-Boot, dessen letzte Fahrt 20 Jahre zurückliegt. Angesichts der imposanten äußeren Größe ist man von der Enge im Inneren völlig überrascht. Man kann sich nur schwer vorstellen, als Teil einer Besatzung tagelang in dieser Röhre mitzufahren. Wer romantische Vorstellungen vom U-Bootfahren hat, sollte sich unbedingt in den Bauch von U9 begeben, um abschätzen zu können, welche beachtliche psychische Leistung U-Bootfahrer schon in Friedenszeiten erbringen müssen.
Nachdem man U9 wieder verlassen hat, schlendert man anschließend völlig entspannt wenige Meter weiter, um die ›Sean O’Kelley‹, das Hausboot der Kelly-Familie zu besichtigen, die zeitweise auf diesem 1923 gebauten Coaster lebte. Auf der gegenüberliegenden Seite findet sich eine weitere Rarität: Der Rest eines von Dornier gebautes „Wal“-Flugboots, das 1991 aus dem Müritz-See geborgen wurde. Wenige Schritte weiter gibt es die ›Bremen IV‹ zu besichtigen. Ein Exponat das zeigt, wozu Modellbauer mit dem Hang zum Wahnsinn fähig sind. Das größte seetüchtige Modell der Welt wurde in 15-jähriger Bauzeit erstellt und wird von zwei Mercedes-Dieselmotoren mit je 38 PS angetrieben.
SAR-"Oldie"-Seenotkreuzer
Nehberg-Kuriosität
Beim Gang über das Museumsgelände entdeckt man jede Menge kuriose Sehenswürdigkeiten. Darunter ist beispielsweise der Einbaum ›The Tree‹, mit dem der Abenteurer und Menschenrechtler Rüdiger Nehberg 2001 gegen den Rat vieler Experten den Atlantik überquerte, um auf das Schicksal der im Amazonasgebiet lebenden Yanomami-Indianer aufmerksam zu machen. Mit Erfolg: Die Yanomamie haben heute ein eigenes Schutzgebiet.
Wer überraschend musikalische Wohlklänge zu Ohr bekommt und sich auf die Suche nach der Ursache macht, steht staunend vor einer 1916 gebauten Philharmonieorgel. Dieses vom Freiburger Unternehmen Welte ersonnene imposante Stück Musiktechnik besitzt 2500 Pfeifen und kann manuell oder automatisch via Papierrollen-Steuerung gespielt werden. Besonders erwähnenswert ist, dass das Gerät mit einem externen Rollenwechsler in Form eines Paternosters ausgestattet ist, der für den raschen Wechsel der automatisch abgespielten Musikstücke sorgt.
Mit musikalischer Unterhaltung kann man daher die reichhaltige Sammlung von Feuerwehrfahrzeugen bewundern. Ob einfachste Löschfahrzeuge aus den Floriansjünger-Anfängen oder riesiger US-Truck, hier ist alles auf vier Rädern vertreten, was Menschen im Kampf gegen das Feuer je ersonnen haben. Technisch ganz weit vorne waren vor 100 Jahren Jahren auch Feuerlöschwagen aus der Schweiz. Wem ist schon bekannt, dass die Schweiz früher führend im LKW-Bau war? Jedenfalls haben es die aufgeweckten Museumsbetreiber von Speyer und Sinsheim geschafft, die letzten beiden MAN-Leiterwagen aus den 1920er Jahren, die auf der Grundlage einer Schweizer Lizenz gefertigt wurden, unter ihre Fittiche zu holen. Das Angebot an Feuerlöschfahrzeugen ist in Speyer derart reichhaltig, dass man alleine dafür großzügig Zeit einplanen sollte.
Natürlich haben auch Fans heißer Motorräder reichhaltig Gelegenheit, besondere Exemplare zu sichten, die früher das Straßenbild prägten oder für die Jagd nach neuen Geschwindigkeitsrekorden gebaut wurden. Ob Münch, NSU oder Japan-Bike, es gibt nichts, was es in Speyer nicht gibt. Auch die Waffenschmiede Mauser ist mit einem „Einspurauto“ vertreten, das ab 1923 in Serie gebaut wurde, da das Unternehmen nach dem 1. Weltkrieg keine Waffen mehr produzieren durfte. Natürlich war dieses Gefährt ein Motorrad. Allerdings besaß es einen richtigen Sitz nebst Stützrädern, die bei genügend hoher Geschwindigkeit eingeklappt wurden. Eine Kuriosität, die man gesehen haben muss.
NSU ist mit einer ganzen Reihe besonderer Modelle für Hochgeschwindigkeitsfahrten vertreten. Insgeheim die Modelle von Wilhelm Herz stechen mit ihrer Fischform ins Auge. Mit einer NSU Delphin durchbrach er auf den Bonneville Salt Flats in den USA die „Schallmauer“ von 300 km/h für Motorräder. Er wollte den Rekord sogar auf 400 km/h schrauben, was jedoch nicht gelang.
Wer seine Blicke weiter schweifen lässt, finden noch weitere bemerkenswerte Fahrzeuge auf vier Rädern. Darunter ist etwa der Nachbau des Opel RAK 2 von 1928, einem Experimentalfahrzeug, das mit 24 Feststoffraketen ausgerüstet war, die die „bereifte Rakete“ auf immerhin 230 km/h beschleunigten. Auch der Delahaye Fesselballonwagen wird den meisten Besuchern wohl noch unbekannt sein. Das französische Spezialfahrzeug aus dem 1. Weltkrieg besaß Vorrichtungen, die zum Auflassen und Einholen von Fesselballonen für Beobachtungszwecke dienten. Eine Idee, die man nie hinter einem zivil erscheinenden Gefährt vermuten würde.
Philharmonieorgel von Welte
Edle Bleche in Massen
Selbstredend, dass sich unter den Exponaten auch edelstes Blech befindet, das jemals über Asphalt „schwebte“. Egal, ob Mercedes, Maybach, Horch, Packard, Rolls-Royce, De Dion, Lancia, Buick oder Aston Martin, jedes dieser Modelle erzeugt eine tiefe Bewunderung für die damaligen Designer, die noch nicht auf Windschlüpfrigkeit und Benzinverbrauchsminimierung achten mussten. Windschlüpfrigkeit war auch den ersten Eisenbahnen fremd. Die zahlreich zu bestaunenden Modelle standen für Zweckmäßigkeit und Zuverlässigkeit. Schließlich galt damals noch der Spruch, dass alle über das Wetter reden, nur die Eisenbahn nicht.
Natürlich werden auch Weltraumfreunde im Technikmuseum fündig. Schon am Eingang zur Halle begrüßt eine originale Sojus-Raumkapsel, wie sie auch heute noch für Flüge zur internationalen Raumstation ISS verwendet wird. Das Trainingsmodul des Raumlabors ›Spacelab‹ ist hier ebenso zu finden, wie das 1:1-Modell des ISS-Wissenschaftsmoduls ›Columbus‹. Zahlreiche Original-Raumanzüge verschiedener Astro- und Kosmonauten laden zum neugierigen Betrachten ein. Schließlich ist es nicht eben selbstverständlich, Raumanzüge zu bauen, die in einer absolut lebensfeindlichen Umgebung seinen Nutzer zuverlässig schützen.
Dass Menschen auf dem Mond waren, ist mittlerweile wohl jedem bekannt. Zahlreich sind jedoch noch kritische Stimmen, die bezüglich der damals verwendeten Technik Zweifel haben. In Speyer kann sich dank der zahlreichen Modelle jeder seine eigene Meinung bilden, ob damals alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
Das absolute Highlight ist jedoch ohne Zweifel die Buran. Dieser Raumgleiter ähnelt auf verblüffende Weise dem US-Space Shuttle. Allerdings gibt es fundamentale Unterschiede beim Antrieb. Während das amerikanische Raumgleiter-Modell seine größte Schubkraft durch die eingebauten Triebwerke erzeugte, setzten die russischen Konstrukteure auf die Schubkraft der riesigen Energija-Rakete an die die Buran beim Start gekoppelt war. Dadurch, dass keine schweren Triebwerke verwendet wurden, konnte die Buran fünf Tonnen mehr Nutzlast in den Weltraum befördern als das US-Pendant. Das in Speyer ausgestellte Buran-Modell war dank seiner vier Mantelstromtriebwerke sogar in der Lage, von einem Flugplatz, ähnlich einem Flugzeug, zu starten und zu landen. Dadurch konnten in der Erprobungsphase wichtige Erkenntnisse gesammelt werden, ohne dass die Staatskasse zu sehr durch teure Booster-Starts belastet wurde.
Nach so viel geballter Information nimmt man dankbar das Angebot des Museumsrestaurants an, um seine müden Knochen zu stärken und den hungrigen Magen zu füllen. Frisch gestärkt sollte man nicht versäumen, das Imax-Kino aufzusuchen, um sich inmitten einer riesigen Kuppelleinwand auf den Mond versetzen zu lassen oder den Urknall nebst Entwicklung des Sonnensystems hautnah mitzuerleben. Das Technikmuseum in Speyer ist ein wahres Dorado für junge und alte Technikbegeisterte. Wer hier ein Wochenende verbringt, stellt fest, dass er unbedingt noch einmal kommen muss, da zwei Tage nur für einen Überblick reichen.
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Mehr Informationen:
Technik Museum Speyer | |
Am Technik Museum 1 | |
67346 Speyer | |
Tel.: 06232-6708-0 | |
Öffnungszeiten: Mo-Fr 9:00 bis 18:00 Uhr | |
Tages-Pass: Erwachsene 22.- Euro; Kinder 5 bis 14 J: 17.- Euro | |
Gruppenpreise auf Anfrage | |
www.speyer.technik-museum.de |
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