FEM im praktischen Testversuch
Vom CAD-Modell zur Simulation
Die kostenlose FEM-Software ›Z88Aurora‹ der Universität Bayreuth bietet die Möglichkeit, am eigenen Rechner zu Hause FEM-Berechnungen durchzuführen, ohne teure Lizenzen zu kaufen. Der Start wird also leicht gemacht. Doch was ist bei einer Finiten-Elemente-Analyse zu beachten? Welche Schritte sind nötig bis zum „bunten Bild“, dem Ergebnis der FEM? Und welche Schlüsse können aus dem Ergebnis gezogen werden?
Kostenlos und leistungsstark
Nockenwellen sind hochbelastete Teile, die akribisch genau ausgelegt werden müssen, damit diese den Belastungen in einem Verbrennungsmotor standhalten. Mit dem kostenlosen FEM-Programm ›Z88Aurora‹ sind solche Berechnungen rasch erledigt.
In der industriellen Praxis ist die Finite-Elemente-Analyse längst Standard. Ganze Abteilungen beschäftigen sich ausschließlich mit der computertechnischen Auslegung von Bauteilen. Dabei werden Festigkeitsanalysen zur Bauteilabsicherung, Schwingungsberechnungen für Geräuschminimierung oder Temperaturberechnungen zur Betrachtung der Wärmeausdehnung von Bauteilen durchgeführt und dies Monate bevor das entsprechende Bauteil auf realen Maschinen produziert wird.
Aber auch ein interessierter Laie kann mit etwas Hilfe selbst Bauteile berechnen. Dazu kann das frei erhältliche und kostenlose Programm ›Z88Aurora‹ des Lehrstuhls für Konstruktionslehre und CAD der Uni Bayreuth verwendet werden. Das Programm läuft auf allen gängigen PC-Betriebssystemen und ist nun sogar als App namens ›Z88mobile‹ für Smartphones und Tablets mit dem Betriebssystem ›Android‹ verfügbar. Im Folgenden werden die notwendigen Schritte zur korrekten FEM-Simulation an Hand eines interessanten Beispiels betrachtet.
Besonders wertvoll ist, dass das Gelernte bei späterer Nutzung einer anderen FEM-Software weiterverwendet werden kann, da das grundsätzliche Vorgehen in Sachen ›FEM‹ stets gleich bleibt. Egal ob man eine kommerzielle FE-Software nutzt oder eine Freeware wie Z88Aurora einsetzt, das Vorgehen teilt sich in die Schritte Datenimport, Modellaufbereitung (auch Präprozessing genannt), die Computerrrechnung (Solver) und die finale Datenauswertung (Postprozessing) auf.
Einfache Bedienung
Ablauf der Finiten-Elemente-Analyse mit Kontinuumselementen: Z88Aurora ist nach kurzer Einarbeitungszeit sehr flüssig zu bedienen und wartet mit leistungsstarken Funktionen auf, die nicht zuletzt für angehende Ingenieure in der Ausbildung wichtig sind.
Werkzeug für Profis
Z88Aurora ist dabei keineswegs als wenig leistungsfähig einzustufen. Es ist sogar in der Lage, je nach Komplexität des Bauteils, auch ohne ein extra angefertigtes CAD-Modell eine passable FEM-Berechnung mithilfe sogenannter Tragwerkselemente durchzuführen. Dies sind beispielsweise Stäbe oder Balken, die je nach Elementtyp Zug, Druck, Biegung oder Torsion aufnehmen können. Bei schlanken, nicht zu komplexen Bauteilen wird so Modellierungsaufwand gespart, die Rechnung läuft schnell und die Ergebnisse sind sofort verfügbar.
Komplexere Bauteile machen die Modellierung eines CAD-Modells und die anschließende Vernetzung mit Kontinuumselementen (Tetraeder, Hexaeder) nötig. Zwar gibt es eine große Zahl an CAD-Programmen, doch können nur wenige direkt FEM-Berechnungen durchführen. Die Daten müssen in der Regel in ein FE-System transferiert und können so weiterverwendet werden. Je nach Modellqualität nimmt die Aufbereitung der Daten, die Vernetzung und die Lastaufgabe teilweise erhebliche Zeit in Anspruch. Mit steigender Modellgröße können zudem lange Rechenzeiten anfallen.
Für das Beispiel wurde daher eine einfache Nockenwelle mit zwei Nocken ausgewählt, um rechnerseitige Engpässe zu umgehen. Die Berechnung erfolgt mit Kontinuumselementen in ›Z88Aurora V3‹ und mit Tragwerkselementen in der Android-App ›Z88Mobile‹. Das 3D-CAD-Modell wurde in ›Creo 3.0‹ erstellt und im genormten STEP-Format gespeichert. Nach dem Import der STEP-Datei wird die Nockenwelle zunächst mit sogenannten ›Tetraedern‹ vernetzt.
Dabei ergibt sich die Frage nach dem Unterschied zwischen Tetraedern mit vier und solchen mit zehn Knoten. Die Erfahrung zeigt, dass mit einem Vier-Knoten-Tetraeder berechnete Ergebnisse durch den spezifischen Elementansatz meist zu steif gerechnet sind. Das gilt für jedes FEM-Programm. Berechnungen mit einem Zehn-Knoten-Tetraeder hingegen haben den Nachteil, dass sie gerade bei großen Modellen die Rechenzeit merklich verlängern.
Von CAD zu FEM
Das mittels eines externen CAD-Programms erstellte 3D-Modell bildet die Basis für Z88Aurora, um daraus die Krafteinwirkung im Betrieb zu errechnen.
Erfahrung ist Trumpf
Die Gütekriterien für eine gute Vernetzung sind daher Erfahrungssache. Es gilt, genaue Ergebnisse zu erzielen, ohne Gefahr zu laufen, zu lange auf diese zu warten. Wenn man sicher gehen will, dass die Ergebnisse stimmen, ist eine vorherige Vergleichsrechnung mit gröberem oder feinerem Netz hilfreich. Ebenfalls sollten die Ergebnisse der Spannungen in den Elementen, Gaußpunkten und Eckknoten nicht zu stark voneinander abweichen. Ist dies der Fall, sollte das Netz verändert werden.
Die auf das Bauteil einwirkenden Lasten sowie die für die Berechnung nötigen Festhaltungen werden im dreidimensionalen Fall auf Bauteilflächen aufgebracht. Dies geschieht mit ein paar Mausklicks im Picking-Eingabefenster. Je nach Art der Belastung sind Knoten, Kanten oder Flächen zu wählen. Dadurch wird Punkt-, Linien- und Flächenlast Rechnung getragen.
Wirken Kräfte auf Flächen ist jedoch Vorsicht geboten. Je nach Randbedingungstyp wird die Kraft entweder gleichmäßig verteilt oder auf jeden Knoten aufgebracht. Nicht ganz korrekt, aber akzeptabel ist die Verwendung von Druckkräften, wenn die Kraft senkrecht auf die Fläche wirken soll. Dabei ist zu beachten, dass die Kraft in einen Druck (Druck = Kraft/Fläche) umgerechnet werden muss. Jetzt kann die Berechnung gestartet werden.
Als Solver hat sich bei dreidimensionalen Strukturen der Pardiso-Solver bewährt. Dieser Gleichungslöser löst die anfallenden Differentialgleichungen direkt, sprich, wenn er ein Ergebnis liefert ist dieses nach den getroffenen Vorgaben korrekt. Iterative Gleichungslöser rechnen zwar meist schneller, können jedoch auch ein Ergebnis liefern, wenn die Lasten und Festhaltungen nicht korrekt sind, da die Gleichungen nur näherungsweise gelöst werden und somit kein exaktes Ergebnis vorliegen muss.
Auch hier kann durch Verwendung unterschiedlicher Berechnungsarten eine Kontrolle der berechneten Ergebnisse erfolgen.Die vorliegende Nockenwelle kann ebenso als Tragwerksstruktur betrachtet werden, wie es die Technische Mechanik mit der Balkenbiegung seit jeher vormacht. Für diese Berechnungsart wird das Programm ›Z88Mobile‹ verwendet, obwohl natürlich ebenfalls das Computerprogramm diese Möglichkeit bietet.
Z88Mobile ist ein kleines FE-Programm für Handys und Tablets, quasi für die Hosentasche. Es können neue Strukturen (Stäbe, Balken, Wellen, Platten und Tori) erzeugt und bestehende Strukturen eingelesen werden. Der Leistungsumfang ist natürlich nicht mit einem Computerprogramm vergleichbar, allerdings spielt das Programm die Vorteile von Tablets aus, man kann die Struktur per Hand per Fingertipp erzeugen.
Umfangreiche Analyse
Die Ergebnisse der Berechnung können auf verschiedene Arten dargestellt werden. In diesem Bild ist die Gesamtverschiebung des Teils beim Einwirken der Kräfte zu sehen.
Ableitung nötig
Am Anfang steht die Überführung des realen Bauteils in ein mechanisches Ersatzmodell. Da die Nockenwelle Lasten außerhalb der Wellenachse aufnimmt und sich unter diesen verbiegt, wird der dreidimensionale Elementtyp ›Welle‹ verwendet. Eine Welle ist ein Spezialfall eines Balkens mit kreisförmigem Querschnitt. Das Element liegt konzentrisch zur X-Achse, somit sind lokale und globale Koordinaten richtungsgleich. Dadurch werden Eingaben und Berechnungen stark vereinfacht.
Wie beim Balkenelement sind die Ergebnisse im Rahmen der Bernoulli-Balkentheorie beziehungsweise des Hooke‘schen Gesetzes exakt und keine Näherungslösungen wie bei 3-D Kontinuumselementen. Die Nocken werden in der Berechnung vereinfacht rund angenommen. Bei einer Balkenstruktur werden die Knoten von Hand definiert. Zwischen zwei Knoten befindet sich jeweils ein Balkenelement, dem ein Material und ein Bauteilquerschnitt zugeordnet werden. An Querschnittsänderungen, Lagerstellen und Krafteinleitungspunkten befinden sich Knoten. Aus dem Realmodell wird somit ein Balken mit 14 Knoten und 13 Balkenelementen unterschiedlicher Dicke.
Die Struktur wird per Fingertipp erzeugt. Im Anschluss können auf Knoten Kräfte und Verschiebungen aufgebracht werden. Dabei ist zu beachten, dass die Struktur nie statisch unterbestimmt sein darf, das heißt, sie darf sich nicht frei im Raum bewegen. Wie viele Freiheitsgrade zu sperren sind, ergibt sich aus dem verwendeten Elementtyp. Während der in der 3D-Rechnung verwendete Tetraeder lediglich drei Freiheitsgrade besitzt, nämlich die Verschiebung in die drei Raumrichtungen, verfügt der Balken über sechs Freiheitsgrade. Dies sind die Verschiebungen in den Raumrichtungen, die Biegung um zwei Achsen und die Torsion um die Wellenachse.
Als Berechnungssolver für Balken wird der ›Cholesky Solver‹ verwendet, ebenfalls ein direkter Solver. Als Ausgabe erhält man die Verformungen, Lagerreaktionen, Zug- und Biegespannungen, Torsionsspannungen, Biegespannungen in X-Y Ebene, Biegespannungen in X-Z Ebene jedoch keine Vergleichsspannungen oder Kerbspannungen.
FEM für die Hosentasche
Der Weg ist das Ziel
Beide Berechnungsmethoden haben Vor- und Nachteile, die je nach Problemstellung abzuwägen sind. Während die Modellierung von Kontinuumselementen aufwendig bezüglich der Modellerstellung ist, muss das Problem bei der Berechnung von Balkenelementen stark abstrahiert werden. Im vorliegenden Fall ist die Absenkung der Welle mit beiden Varianten berechenbar.
In wieweit die Simulation das reale Verhalten darstellt, liegt an einer Reihe Faktoren und eben auch an der Erfahrung des Anwenders. Wer etwas Zeit und Geduld in das Verständnis der Finiten-Elemente-Analyse investiert, dem steht ein vielseitiges Werkzeug zur Lösung unterschiedlichster Probleme zur Verfügung.
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Mehr Informationen zur Uni Bayreuth und Z88:
Lehrstuhl für Konstruktionslehre und CAD | |
Universität Bayreuth | |
Universitätsstr. 30 | |
95447 Bayreuth | |
Tel.: +49 (0) 921 55 7191 | |
Fax: +49 (0) 921 55 7195 | |
E-Mail: konstruktionslehre.cad@uni-bayreuth.de | |
www.z88.uni-bayreuth.de | |
Download Z88Aurora: | |
www.z88.de |
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