Der Kammerzwang ist reif zur Abschaffung
Argumente gegen ein überholtes System
Warum es Zeit ist, die Zwangsmitgliedschaft in den IHKs zu beenden, erläutert Wolf-Peter Korth, Geschäftsführer der ITC Logistic GmbH.
Dass Zwangsgebühren beziehungsweise Zwangsmitgliedschaften zur Erschlaffung von Marktkräften führen, kann exemplarisch an der GEZ-Gebühr, aber auch an der erzwungenen Mitgliedschaft in einer IHK betrachtet werden. Dieses System führt dazu, dass ohne Konkurrenzdruck Strukturen aufgebaut werden, die mitunter kriminelles Verhalten fördern. Es war sicher kein Einzelfall, als der IHK in Koblenz attestiert wurde, dass sie rechtswidrig Vermögen gebildet hat – Vermögen finanziert mit den Zwangsbeiträgen der Mitglieder, wie diverse Gerichtsverfahren zeigten. Aus Mitgliedsbeiträgen sinnfrei Vermögen anzuhäufen ist ein Symptom dafür, dass sich hier eine Organisationsform gründlich von ihren Zielen und ihrer Rechtfertigung entfernt und entfremdet hat.
Bemerkenswerterweise streiten die Industrie- und Handelskammern (IHKs) für deutlich weniger unternehmerische Aktivitäten des Staates in Konkurrenz zur Wirtschaft, praktizieren jedoch genau dies mit einer Vielzahl von Tochterfirmen und Beteiligungen massiv selbst. Insbesondere Betriebe im Bereich von Bildung und Beratung müssen mit den ihnen abgenommenen Zwangsbeiträgen die Kampfpreise der IHK-Firmen subventionieren, die ihnen dann von bequemer Warte aus Konkurrenz machen.
Bemerkenswerterweise fordern die IHKs vom Staat eine Harmonisierung von Steuern und Abgaben, um gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen, erheben aber in 79 IHK-Bezirken mit unterschiedlichster Systematik und unterschiedlichster Höhe ihre IHK-Beiträge. Sie haben auch keine Skrupel, minimale Leistungen – in meinem Fall eine wimpernschlagschnelle Abnahme eines Schulungsraumes – mit einer deftigen Gebühr zu belegen.
Die große Kluft zwischen den eigenen Ansprüchen und der eigenen Arbeitsweise, dazu die vielen Skandale der vergangenen Jahre, machen deutlich, dass die IHKs nicht die eine oder andere kleine Reform brauchen. Wer es ernst meint mit der Selbstverwaltung der Wirtschaft, der muss sie nicht nur vom in langen Jahren angehäuften bürokratischen Ballast befreien, sondern muss auch der Selbstbedienungsmentalität der Funktionäre sowie der Selbstzufriedenheit entgegentreten. Die IHK-Organisation muss sich einem unabhängigen Benchmarking stellen. Zudem muss die Rechnungsprüfung durch Landesrechnungshöfe eine Selbstverständlichkeit werden.
In der Organisation einer IHK fehlen zwei grundsätzliche Elemente, die für effizientes wirtschaftliches Handeln unverzichtbar sind: Das Leistungselement und das Wettbewerbsprinzip. Durch Zwangsmitgliedschaft nebst Gebietsschutz – kein Unternehmen kann den Kammerbezirk frei wählen – sind die Einnahmen der Kammerbürokratie auf äußerst bequeme Art gesichert. Leistungs- und Innovationsdruck kennen die Kammerfunktionäre durch dieses System nicht.
Warum aber verteidigen dann nicht zuletzt Wirtschaftsvertreter so hartnäckig den Kammerzwang, der so offensichtlich mit den eigenen Prinzipien im Widerspruch steht? Hier hilft zunächst ein Blick auf nackte Zahlen, denn zuallererst werden durch das Festhalten am Kammerzwang massiv Besitzstände verteidigt. Das jährliche Beitragsaufkommen aller IHKs liegt bundesweit bei circa 1,2 Milliarden Euro. IHK-Geschäftsführer mit dem Arbeitsprofil eines mittleren Behördenleiters ohne jede unternehmerische Verantwortung fühlen sich wie Wirtschaftsbosse und lassen sich auch so entlohnen. So etwas gibt man nicht kampflos auf.
Dazu verschaffen sich mit üppigen Ressourcen diejenigen, die es verstehen, die IHK für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, politischen Einfluss und organisieren ihre Lobby-Interessen. Nach außen ist es angeblich das „Gesamtinteresse der Wirtschaft“, welches da vertreten wird. Wer hinter die Kulissen blickt, stellt fest, dass die völlige Abwesenheit von demokratischen Grundstandards einer ausgewogenen Ermittlung eines solchen Gesamtinteresses entgegensteht. In Wirklichkeit sind es kleine Gruppen, die sich die Kammern mehr oder weniger unter den Nagel gerissen haben. Kleine Unternehmen beziehungsweise Mittelständler haben gar nicht die Zeit, sich hier entsprechend einzumischen. Das gilt umso mehr, als dass diejenigen, die sich hier kritisch zu Wort melden, oft genug als Nestbeschmutzer diffamiert werden.
Wer sich, wie die IHKs, nicht traut, seine eigenen Wahlergebnisse zu veröffentlichen, wer sich zwar „Parlament der Wirtschaft“ nennt, aber seine Mitglieder auf Verschwiegenheit verpflichtet – die Öffentlichkeit regelrecht scheut –, wer lieber ohne nennenswerte Diskussionen seitenlange Manifeste abnickt, wer Minderheitenpositionen regelmäßig übergeht, wer so handelt, kann nicht ausgewogen Interessen bündeln. Dass die Feststellung der Demokratieferne der IHKs keine Erfindung der Kammerkritiker ist, verdeutlicht das Zitat aus der Doktorarbeit eines hochrangigen Kammerjuristen, der lakonisch festhielt: »Die Wahlen zu den Vollversammlungen der Industrie- und Handelskammern unterfallen nicht dem Geltungs- und Anwendungsbereich des Demokratieprinzips.« Dem ist tatsächlich nichts hinzuzufügen.
Die spannende Frage ist also, ob das Horrorszenario – Bedrohung der dualen Ausbildung mit dem Wegfall des Kammerzwangs – real ist? Viele Beispiele zeigen, dass die Kammern tatsächlich weniger den Schatz der beruflichen Ausbildung verteidigen als die IHK-Paläste – die mittlerweile um diesen Schatz herum errichtet wurden – sowie die überreichlichen Pfründe, die im Schatten der Paläste locken. Man kann nicht einerseits das ehrenamtliche Engagement der Unternehmen für die berufliche Ausbildung rühmen und gleichzeitig behaupten, dieses Engagement löse sich in Luft auf, wenn der Kammerzwang wegfiele. Das Engagement der Unternehmen gilt der Ausbildung, nicht dem Kammerzwang.
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Fax:+49 261 133794-20 o. -40 | |
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