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Die Abschaffung unseres Bargelds rückt näher

Welche fatale Geldpolitik die EZB verfolgt

Die Abschaffung des Bargelds wird von offizieller Seite bestritten, doch zeigt die Abschaffung der 500-Euro-Banknote, dass das Vorhaben schrittweise durchgeführt wird. Dr. Ulrich Horstmann beleuchtet die Entwicklung.


Sehr geehrter Herr Dr. Horstmann, in Ihrem zusammen mit Prof. Mann geschriebenen Buch ›Bargeldverbot‹ warnen Sie vor den Folgen einer Bargeldabschaffung. Viele Bürger sehen jedoch in einem solchen Szenario keine Gefahr. Was antworten Sie diesen?

Dr. U. Horstmann:
Allein schon eine weitgehende Abschaffung der großen Scheine ist ein Schritt in die falsche Richtung. Nach der Abschaffung der 500-Euro-Banknote wird dann vermutlich auch der 200-Euro-Schein bald zu Disposition stehen, später geht es dann weiter mit dem 100er, 50er und gegebenenfalls sogar dem 20er. Wenn wir dann nur noch maximal mit einer 10-Euro-Banknote zahlen könnten, hätten wir uns chinesischen Verhältnissen angepasst. Hier entspricht der 100-Yuan-Geldschein wertmäßig gut 13 Euro. Das ist nicht viel und reicht nur für kleinere Käufe. Wenn dieser größte Schein Chinas so wenig Kaufkraft verkörpert, bedeutet dies, dass dann weitgehend alle geschäftlichen Transaktionen transparent und gegebenenfalls auch von interessierten Dritten abrufbar sind. Es werden ‚„digitale Spuren“ für Dritte erzeugt. China ist uns hier viele Jahre voraus. Wenn wir nicht aufpassen, werden wir zu vollständig „gläsernen Bürgern“, die bei einer weitgehenden Bargeldeinschränkung per Knopfdruck enteignet werden können.

Die Abschaffung des Bargelds wird von offizieller Seite einerseits bestritten, andererseits dem Bürger als unumgänglich zur Bekämpfung der Kriminalität angepriesen. Was soll mit dieser „Informationspolitik“ erreicht werden?

Horstmann:
Es werden meines Erachtens immer neue Nebelkerzen geworfen. Die weitere Einschränkung des Bargelds schafft Vorteile für Kartendienstleister, für Banken und nicht zuletzt den Staat. Negativzinsen können besser durchgesetzt werden, wenn die Bargeldhortung teurer wird. Durch die Abschaffung großer Scheine wird immer mehr Lagerraum benötigt, wenn sich die Bürger mit den verbliebenen „kleinen“ Scheinen eine „Reserve“ anlegen wollen. Der Bürger wird, wie bereits angesprochen, zunehmend gläsern. Auch mit gezielten Desinformationen werden diese bürgerfeindlichen Veränderungen durchgesetzt. Wer ist nicht gegen Kriminalitätsbekämpfung? Letztlich ist das Argument nicht nur schwach, sondern irreführend. Denn die Cyberkriminalität selbst wird zu einem immer größeren Risikofaktor. So könnte – beispielsweise von „Hackern“ – das Netz lahmgelegt werden. Auch ein Stromausfall hätte fatale Folgen. Das wird von den Befürwortern einer Bargeldabschaffung oft verschwiegen.

Das Bankgeheimnis war früher ein wichtiger Eckpfeiler der Demokratie. Der Staat hatte hier nur im Ausnahmefall Einblick auf Bankkonten. Heute ist diese wichtige Sperre praktisch nicht mehr vorhanden. Es scheint, dass Demokratien die Tendenz haben, sich im Laufe der Zeit in eine Art Diktatur zu verwandeln. Sehen Sie das auch so?

Horstmann:
Diese Sicht ist sehr scharf. Sicher erfordert die Demokratie wehrhafte Bürger, die ihre Rechte weiter klar einfordern. Das ist – wenn man so will – eine entscheidende Verpflichtung für alle Bürger. Eine Beteiligung an der politischen Willensbildung ist besser als passive Resignation, denn die politisch Verantwortlichen haben es bei einer lethargischen Bevölkerung einfacher beim Regieren. Das kann die Demokratie schwächen. Wenn man sich von regierungsseitig beeinflussten Medien schlecht informiert fühlt, kann man alternativ Informationen aus Ländern einholen, etwa der Schweiz, die traditionell eine gefestigte Demokratie aufweist.

Was schlagen Sie noch vor?

Horstmann:
Wie bereits angedeutet, die Bürger sollten erkennen, dass sie ihre Rechte weiter klar einfordern müssen. Sie sollten wählen gehen und sich auch selbst wählen lassen. Eine funktionierende Demokratie benötigt kritische, mitdenkende Bürger. Lebendige Demokratie erfordert die Teilhabe der Bürger. Zur Not müssen sie auch friedlich auf der Straße demonstrieren, damit freiheitliche Grundrechte nicht zu weit ausgehöhlt werden. Diesem Aspekt wird derzeit zu wenig Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund der öffentlich diskutierten Terrorgefahren, die auch Folge von Politikversagen sind, besteht die Gefahr, dass früher friedliche und freiheitliche Demokratien sich tatsächlich verändern. Wer jegliche Diskussion abblockt, weil dies „Stammtischniveau“ wäre oder populistisch, will von oben an den Bürgern vorbeiregieren. Um dem vorzubeugen, sollten die Bürger wachsam bleiben und sich verstärkt politisch engagieren.

In Italien, Griechenland und besonders in Schweden sind bereits große Schritte in Richtung Bargeldabschaffung getan worden. In Italien dürfen Summen über 1 000 Euro nicht mehr bar bezahlt werden. Sind dies Testmärkte, um die Bargeldabschaffung im großen Stil für die gesamte EU vorzubereiten?

Horstmann:
Das kann man so interpretieren. Sicher wird es eine Referenz für andere sein, wenn die Bargeldeinschränkung relativ leicht gelingt. Soweit würde ich aber nicht gehen. In jedem Land wird hier anders reagiert. In Deutschland ist die Bargeldeinschränkung – und darum geht es zunächst – voraussichtlich schwieriger umsetzbar. Die oftmals freiheits- und bürgerfeindliche Historie dieses Landes mit Diktaturen noch in der jüngeren Vergangenheit, erzeugen nach wie vor einen starken Abwehrreflex. In vielen Gesprächen kann ich heute schon spüren, wie groß die Verärgerung, manchmal sogar Wut ist. Den regierenden Politikern wird anscheinend immer weniger Vertrauen geschenkt. Auch wenn die Bürger noch nicht in größerem Maße für die Erhaltung des Bargelds demonstrieren, ist ihr Misstrauen doch sehr groß. Eine komplette Abschaffung ist aus jetziger Sicht undenkbar.

Dennoch ist die Bargeldabschaffung auch für Deutschland keine Fiktion. Welchen Zeitraum sehen Sie für die komplette Bargeldabschaffung in der EU?

Horstmann:
Eine komplette Bargeldabschaffung in Deutschland sehe ich auf absehbare Zeit in Deutschland als nicht durchführbar an. Der bürgerliche Widerstand wäre in einem solchen Fall hier vermutlich wirklich riesig. Skandinavische Staaten könnten jedoch die Vorreiter seien. Auf der gesamten EU-Ebene halte ich das für so unrealistisch, dass ich hier auch keinen Zeitraum nennen kann. Die weitgehende Abschaffung der großen Scheine könnte aber schon in fünf bis zehn Jahren realisiert sein. Ob den Bürgern dann nur noch die 5- und 10-Euro-Scheine bleiben, oder auch noch die 20er oder 50er Noten vorhanden sind, lässt sich schwer abschätzen. Der Zug fährt ohne eine sehr deutliche und gut organisierte Ablehnung durch die Bürger vermutlich in die falsche – freiheitsfeindliche – Richtung. Das Horten von Geld wird sehr teuer. Damit wird eine alternative Aufbewahrung von Geld außerhalb der Bankkonten so gut wie unmöglich. Negativzinsen können dann kaum noch umgangen werden. Die kleinen Scheine und das „Klimpergeld“ in der Kasse werden uns aber noch lange erhalten bleiben. Dies dürfte aus psychologischen Gründen angestrebt werden, weil eine vollständige Erfassung aller Transaktionen auf Widerstand stoßen dürfte.


Wenn das Bargeld nicht mehr gültiges Zahlungsmittel ist, dann haben Bürger keine Möglichkeit mehr ihr Geld vom Konto abzuheben, wenn die Hausbank negative Guthabenzinsen einführt. Monat für Monat fließen dann satte Summen leistungslos in die Bankkasse. Ist es berechtigt, hier von organisierter Kriminalität des Bankensektors im Zusammenspiel mit der Politik zu sprechen?

Horstmann:
Eine solche scharfe Verurteilung teile ich nicht. Es gibt allerdings derzeit Interessenlagen, die die Bargeldeinschränkung begünstigen. Viele Finanzinstitute stehen geschäftlich mit dem Rücken zur Wand. Wenn die Bargeldeinschränkung ihr Überleben sichert, ist nachvollziehbar, dass sie das verstärkt forcieren. Manager sind ihren Aktionären verpflichtet und werden alles tun, um ihre Unternehmen erfolgreich auch durch eine Krise zu steuern. Hier gilt: Der Verlust der Kundengelder durch Negativzinsen verbunden mit der Alternativaufbewahrung in Form von Bargeld kann potenziell existenzbedrohend sein. Verantwortlich für diese Fehlentwicklungen waren aber nicht zuletzt die Regelsetzer und damit die politisch verantwortlichen Entscheider. Das ist ein weites Feld und würde mehrere Bücher füllen.

Wenn das Bargeld abgeschafft ist, so ist der Weg frei, nicht nur das Guthaben der Bürger zu melken, sondern für jeden Einkauf satte Gebühren für die „Dienstleistung“ des Geldtransfers zu erheben. Zudem können die gewonnenen Daten bestens für Marketingzwecke verkauft werden. Outen sich EC- und Kreditkarten als Zwangsjacken für Konsumenten?

Horstmann:
Die Nutzung der angesprochenen Möglichkeiten ist nicht von der Hand zu weisen. Wir haben in unserem Buch ›Bargeldverbot‹ darauf hingewiesen. Kreditkarten oder andere alternative Zahlungssysteme sind auch unter diesem Aspekt für Kunden und Verbraucher äußerst problematisch. Hier drohen neue Umverteilungsspielräume zu Gunsten der digitalen Dienstleister und zu Lasten der dann wehrlosen Bürger, die weiter enteignet werden.

Negative Zinsen tangieren auch das Vermögen der Unternehmen. Wie werden diese reagieren, wenn sie massive Abflüsse auf das für ihren Handel wichtige ­Eigenkapital zu verzeichnen haben?

Horstmann:
Unternehmer können sich besser wehren als Bürger, da sie mehr Durchsetzungsmacht haben. Sie können Tresore anlegen und haben mehr Verhandlungspotenzial. Diese Thematik wird bei anhaltenden Negativzinsen noch an Bedeutung gewinnen.

Wenn kein Bargeld mehr vorhanden ist, kann man natürlich die technischen Möglichkeiten des „Plastikgeldes“ zur vollen Entfaltung bringen. Zum Beispiel ist es damit problemlos möglich, den Einkauf von Fleisch oder Alkohol einzuschränken. Eine „schöne neue Welt“, wie sie George Orwell sie sich nie erträumt hätte?

Horstmann:
George Orwell hat in seinen Büchern, soweit mir bekannt, das Schreckensszenario einer bargeldfreien Welt noch gar nicht beschrieben. Heute sind Dinge technisch möglich, die in seinen Dystopien nicht enthalten sind. Er könnte heute – vor dem Hintergrund immenser, neuer technischer Machbarkeiten – sein „1984“ noch um viele Facetten erweitern. Die Möglichkeiten, bestimmte Gruppen auszuschließen, haben wir in unserm Buch beschrieben. Geld ist dann kein Eigentum mehr, sondern sichert nur noch den Zugang, wenn man sich „konform“ verhält. Das schafft manipulative Spielräume für die Politik und kommerzielle Anbieter.

Wie die Nachkriegszeit zeigte, sind Menschen sehr einfallsreich, wenn es um Geld geht. Damals waren sogar Zigaretten ein beliebtes Zahlungsmittel, um Waren zu erwerben. Wird nach der Bargeldabschaffung sich erneut eine Parallelwährung etablieren?

Horstmann:
Die Tendenz dazu wird sicher bestehen. Das wird dann zum Katze-Maus-Spiel. Auf Dauer kann die Regierung, auch nicht im Verbund mit starken ökonomischen Interessengruppen, nicht gegen die Bürger agieren. Das bleibt als Hoffnungsschimmer.

EZB-Chef Mario Draghi meint, dass die Bürger gezwungen werden müssten, Geld auszugeben. Hier stellt sich die Frage, wie dann jemand einen Kapitalstock für den Kauf eines Autos, einer Wohnung oder für die Rente bilden soll. Ist dies Absicht, um von der Wiege bis zur Bahre die Menschen in Abhängigkeit durch Leasing, Miete oder Minirente zu halten?

Horstmann:
Mein Mitautor Gerald Mann spricht von ‚ferngesteuerten Konsumtrotteln‘. Wenn das Vertrauen nicht mehr da, besteht die Gefahr, dass mit Zwangsmitteln weiterregiert wird. Auf Dauer werden sich Bürger das nicht bieten lassen.

Draghi redet sogar von „Helikoptergeld“, um den Konsum anzuheizen. Schaut man nach Griechenland, ist hier jedoch das genaue Gegenteil zu beobachten. Unter den Sparauflagen bricht das Land zusammen. Ist dies ein raffinierter Clou, damit sich bestimmte Firmen die Goldesel des Landes aneignen können? Zu nennen wären beispielsweise die riesigen Erdgasfelder, die vor der Griechischen Mittelmeerküste gefunden wurden. Alleine mit deren Einnahmen wäre Griechenland im Nu schuldenfrei. Ein weiterer Hinweis darauf, dass hochkriminelle Akteure Europa im Griff haben?

Horstmann:
Diese Formulierungen sind mir zu scharf. Es ist meines Erachtens so auch nicht zutreffend. Bei vielen Politikern vermute ich, dass sie überfordert waren und die Folgen ihrer Entscheidungen verdrängten. Dass es ökonomische Verwertungsinteressen gibt, ist nicht überraschend. Hier muss eine bürgernahe und die Demokratie sichernde Ordnungspolitik geschaffen werden, um die fehllenkende Geldpolitik zu stoppen. In Deutschland funktionierten solche ordnungspolitische Regeln vor der Einführung des Euro recht gut. Die Bundesbank galt – meines Erachtens zu Recht – als unabhängig. Helikoptergeld gehörte nicht in den Baukasten ihrer Geldpolitik.


Ist das Bargeld weg, herrschen Bits und Bytes über unser Einkaufsleben. Gewaltige Rechenzentren geben jederzeit Auskunft über unsere Vorlieben. Das geht von der Lieblingswurst bis zum Sexartikelkonsum. Wie kann es sein, dass es sehr vielen Menschen egal zu sein scheint, was der Staat über sie in Erfahrung bringt?

Horstmann:
Es ist wirklich überraschend, dass es vielen Bürgern anscheinend ziemlich egal ist, was mit ihren Daten passiert. Die Anbieter propagieren die zunehmende Bequemlichkeit für die Kunden, die ihre Geschäftsmodelle bieten. Das stimmt ja auch, nur ist dies der Preis für die abnehmende Freiheit oder konkreter die Einschränkung einer selbständigen Lebensführung. Denken sie nur an die „Dash Buttons“, dann kann von zu Hause aus per Knopfdruck laufend nachbestellt werden. Auch die hochentwickelten Smartphones kann man als moderne „Fußfesseln“ interpretieren. Wir liefern ständig Daten an Dritte. Der freiheitseinschränkende Aspekt wird als solcher nicht empfunden. Die Geschäftsmodelle, die hieran anknüpfen, sind zunehmend paternalistisch und schaffen eine gefährliche Symbiose von internationalen kommerziellen Dienstleistern und staatlich gesteuerter Überwachung.

Besteht durch diese Entwicklung nicht die Gefahr, dass dereinst in unserer Demokratie prophylaktisch Personen eliminiert werden, deren Profil erkennen lässt, dass sie sich in der Politik gegen dieses dann vorherrschende, absurde System einsetzen werden?

Horstmann:
Soweit sind wir hoffentlich noch nicht. Das wäre dann ohnehin keine funktionierende Demokratie mehr. Allein das Ausgrenzen von Personen, die keine „Mainstream“-Meinung vertreten, ist schon ein Indikator. Wenn ihnen das Gefühl vermittelt werden soll, dass sie nicht mehr dazu gehören, sind wir schon wieder bei George Orwells Roman ›1984‹. Dort ist von einer Hasswoche die Rede, in der politische Gegner diffamiert werden.

Gesetzt den Fall, dass das Bargeld abgeschafft ist. Ist es dann nicht eher so, dass noch mehr kriminelle Energie sich in die digitale Welt verlagert? Schon jetzt sind Cyberwar-Attacken alltäglich. Hat Bargeld nicht eine stabilisierende Wirkung für technisch hochentwickelte Staaten?

Horstmann:
Ja, auch in dieser Hinsicht wirkt Bargeld stabilisierend und unter Umständen sogar Cyberwar-Kriminalitätsbegrenzend.

Kann es sein, dass den Verantwortlichen gar nicht bewusst ist, welche gravierenden Wechselwirkungen eine Bargeldabschaffung hat? Brauchen wir daher mehr direkte Demokratie, damit der Bürger eine für Ihn nachteiligen Entwicklung korrigieren kann?

Horstmann:
Es ist durchaus möglich, dass den Verantwortlichen die Folgen für die Demokratie und Freiheit der Bürger nicht bewusst sind. Im Vordergrund dürften kommerziell interessante Geschäftsmodelle stehen. Ob hier mehr direkte Demokratie helfen würde, ist fraglich. Auch Volksabstimmungen über wichtige Fragen können manipulativ gestaltet sein. Wichtig ist daher, dass das Interesse an der Politik und der Gestaltungswille der Bürger wieder zunehmen. Damit könnte im Zuge weiterer Reformen – etwa der zeitlichen Begrenzung verschiedener politischer Ämter oder die verpflichtende Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien – auch die Qualität der Politik sowie der Politiker wieder zunehmen. Ansonsten verkommt auch die Demokratie zu einer Willkürherrschaft.

Ist das Bargeld erst einmal abgeschafft, könnten Banken problemlos Negativzinsen von fünf Prozent und mehr einführen, was einem gigantischen Umverteilungsprogramm gleichkommt. Was raten Sie denjenigen Menschen, die für den Tag X den Zugriff auf ihr Vermögen vorbeugend minimieren möchten?

Horstmann:
Edelmetalle bleiben attraktiv. Der Besitz und die Lagerung könnten aber eingeschränkt oder ganz verboten werden. Jede Ausweichmaßnahme ist vor einem solchen Hintergrund problematisch. Umso wichtiger ist es, dafür einzutreten, dass Bargeld in der bisherigen Form erhalten wird, auch mit den so genannten „großen“ Scheinen.

Wenn Bürger ihr Geld in alternative Anlageformen stecken, so wird das Kapital in den Bankentresoren sinken. Verliert das Finanzsystem dadurch nicht seine Stabilität?

Horstmann:
Ja, das könnte der Fall sein. Bargeld und Edelmetalle sind für viele Bürger ein wichtiger Vertrauensanker. Wenn ein politisches System diese Aufbewahrungsformen verunmöglicht, steigt berechtigterweise das Misstrauen. Die Bürger vermuten dann, dass die Schuldenfalle so groß geworden ist, das eine „Gegenfinanzierung“ durch die Bürger erforderlich ist.

Schon jetzt ist absehbar, dass Bürger sparen müssen, wollen sie eine Rente in Würde erleben. Werden diese Bürger durch die Politik des negativen Zinses der EZB um die Früchte ihres arbeitssamen Lebens gebracht?

Horstmann:
Ja, diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Durch die staatliche Einmischung in die Altersvorsorge, Stichwort ›Generationenvertrag‹ wurde eine zentralistisch-kollektivistische Regelung einer subsidiären Variante vorgezogen. Die absichernde Funktion von Familien, Vereinen, kirchlichen Einrichtungen vor Ort und Kommunen wurde geschwächt mit negativen Folgen für die Gesellschaft.

Es zeigt sich, dass die EU nicht in der Lage ist, das gesetzliche Zahlungsmittel ›Euro‹ verantwortungsvoll zu verwalten. Sinnvoll wäre daher der Aufbau von Parallelwährungen, um den Wettbewerb sicherzustellen und Manipulationen zu verhindern. War die Abschaffung der Nationalwährungen in Europa daher ein gravierender Fehler?

Horstmann:
Unter diesem Aspekt war die Abschaffung nationaler Währungen auf jeden Fall ein Fehler. Der europäische Währungswettbewerb fiel seit der Ecu- beziehungsweise Euro-Einführung aus. Solange im Euroverbund Marktkurse für die nationalen Währungen bestimmt wurden, erwies sich die Deutsche Mark als wesentlich beliebter als etwa die Griechische Drame. Sie sicherte eher das Vermögen ab, denn sie wurde wegen der solideren Finanzpolitik tendenziell aufgewertet. Bürger schätzen stabile Währungen. Politiker, die gewählt werden wollen, dagegen Umverteilung.

Die enorme Menge an Geld, die aktuell von der EZB aus dem Nichts gezaubert wird, muss irgendwann zurückbezahlt werden. Faktisch ist dies wegen der abenteuerlichen Summen völlig unmöglich. Die einfachste Möglichkeit ist das Drücken eines Reset-Knopfes, der alle Schulden und alle Vermögen löscht. Ist dies der Grund, warum im Nahen Osten und in Osteuropa Staaten destabilisiert und Drohungen gegen Russland ausgesprochen werden? Soll ein großer Krieg den Ausputzer für das Versagen unverantwortlicher Akteure spielen, damit aus den Trümmern ein Neustart beziehungsweise die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa durchgeführt werden kann?

Horstmann:
Je schlimmer die Lage ist, desto eher wünschen sich die Verantwortlichen den Druck auf den „Reset“-Knopf. Dabei werden sie den Bürgern sagen, dass danach alles besser wird. Das hatten wir schon in der Geschichte und ist nichts Neues. Selbst wenn der Neustart gelingt, neigen Politiker zu Experimenten und maßloser Geldverschwendung. Sie wollen gewählt werden. Die Bürger sollten solche Verhaltensweisen erkennen und rechtzeitig dafür sorgen, dass Politiker nicht neue Problemfelder schaffen, um von den alten, nicht gelösten Problemen, abzulenken. Auch das wäre ein Grund für die Bürger, sich politisch mehr zu engagieren. Es steht viel auf dem Spiel, nicht zuletzt auch unsere Sicherheit und Freiheit ohne kriegerische Auseinandersetzungen. Eine fehlerhafte Politik könnte verheerende Auswirkungen haben.

Herr Dr. Horstmann, vielen Dank für das Interview.

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