Welt der Fertigung
Sie sind hier: Startseite » Suchen » Interviews

Fettnäpfchen aus dem Weg räumen

Wertvolle Informationen für Azubis

Die Etikette sowie Spielregeln sind im Sport wichtige Grundlagen, um Streitereien und Verletzungen zu vermeiden. Dies ist im Beruf nicht anders. Wer anderen gegenüber höflich ist, Türen aufhält und pünktlich sowie sauber gekleidet zu Besprechungen kommt, sorgt für ein gedeihliches Miteinander und legt den Grundstein für die eigene Karriere. Karl Hermann Künneth gibt dazu Tipps.


Sehr geehrter Herr Künneth, in Ihrem Büchlein ›Der Benimmleitfaden für Azubis‹ haben Sie zahlreiche Anekdoten und Hinweise niedergeschrieben die aufzeigen, in welche Fettnäpfchen jungen Leute treten können, wenn sie eine Ausbildung beginnen. Waren Sie demnach früher als Ausbilder tätig oder woher haben Sie das Material?

Karl Hermann Künneth: Bei meiner Tätigkeit als Seminarleiter hatte ich sehr viel Kontakt zu Prüfern von Handwerkskammern sowie IHKs und natürlich in Firmen zu Verantwortlichen für Bewerbungsgespräche. Zuerst amüsierte ich mich über deren Erzählungen. Dann ist mir aufgefallen, dass ich diese Berichte sehr gut in mein damals geplantes Buch über „Umgangsformen für Azubi„ einbauen könnte. Dort habe ich diese gesammelten Erzählungen eingefügt und teilweise mit Berichten aus dem Internet ergänzt.

Heranwachsende, die auf Regeln pfeifen, hat es eigentlich zu allen Zeiten gegeben. Es hat nun jedoch den Anschein, dass aus einer kleinen Gruppe eine größere Schar wurde. Wie ist Ihr Eindruck?

Künneth: Meiner Erfahrung nach hat sich der Anteil dieser Gruppe prozentual nicht verändert. Jedoch wird besonders häufig über die negativen jungen Leute berichtet. Dies führt zu dem Eindruck, dass diese Gruppe sich vergrößert. Über positive Erfahrungen wird leider nur berichtet, wenn sie wirklich herausragend sind.

Ist demnach alles in Ordnung?

Künneth: Nein, es ist nicht alles in Ordnung. Ich bin immer wieder erstaunt, dass junge Menschen nur sehr wenig über die Grundregeln der Umgangsformen besitzen. Bei meinen Rückfragen stellt sich fast immer heraus, dass es dabei schon im Elternhaus gewaltige Defizite gibt. Ich möchte dazu einige Beispiele nennen:

Händedruck: Von zehn jungen Menschen – gleich welcher Schulbildung – wird dieser, wenn es gut geht, nur mit ein bis zwei Jugendlichen zuhause geübt.
Grüßen: Mit »Hallo« ist es getan. Das wird im Elternhaus vorgelebt. Es ist grundfalsch. Die Lösung finden Sie in meinem Buch ›Der Benimm-Leitfaden für Azubis‹.
Essen: Dies wird meiner Erfahrung nach ebenfalls sehr vernachlässigt. Nach meiner Beobachtung können zwei Drittel aller Erwachsenen nicht richtig mit Messer und Gabel umgehen und vermitteln dies an ihren Nachwuchs.

Dabei wird es bei diesen drei Punkten sehr deutlich, der Händedruck ist meist der erste und letzte Eindruck den man hinterlässt. Hier kann man punkten oder verlieren. Grüßen kommt danach. Mit »Hallo« drückt niemand Respekt oder Wertschätzung aus und sammelt so ebenfalls nur negative, jedoch keine positiven Punkte. Wer sich nicht korrekt beim Essen benehmen kann, wird normalerweise nicht in Besucher- oder Kundenkontakten mit anschließendem Essen einbezogen. Dies ist selbst bei kleinem Essen, zum Beispiel in der Kantine, der Fall. Der Betreffende ist außen vor, denn er blamiert nicht nur sich, sondern vermittelt auch von seiner Firma ein ungünstiges Bild. Mit „Rüpeln„ umgibt sich niemand gerne.

Haben diesen Trend auch Eltern verschuldet, die, wie neueste Studien zeigen, ihre Kinder als sogenannte „Helikopter-Eltern„ rund um die Uhr beaufsichtigen, dadurch das Reifen der Heranwachsenden in Schule und Freizeit verhindern oder verzögern?

Künneth: Ja, dem stimme ich in vollem Umfang zu. Hinzu kommt: Wie sollen die Eltern ein Wissen über vernünftiges Benehmen vermitteln, welches sie selbst nur sehr eingeschränkt besitzen und auch von deren positiven Auswirkungen auf die berufliche Laufbahn keine Vorstellung haben?

Wie beurteilen Sie die Rolle der Medien bezüglich dieser Entwicklung?

Künneth: Es wird zu wenig bezüglich deren positiven wie negativen Auswirkungen berichtet. Beispiele werden nicht aufgeführt. Wobei die meisten der Journalisten auch nur sehr wenig Wissen von angemessenen Umgangsformen haben. Brauchen Sie meist auch nicht, denn bei ihnen werden für eine positive Berichterstattung beide Augen zugedrückt. Es gibt jedoch auch Ausnahmen. Diese werden bei Gesprächen bevorzugt. Sie erhalten mehr Informationen.

Welche Rolle spielen die familiären Komponenten? Oder anders gesagt, haben Einkommen, Religionszugehörigkeit, Geschwisterzahl oder Wohnsituation Ihrer Ansicht nach einen prägenden Einfluss auf heranwachsende Familienmitglieder bezüglich ihrer Persönlichkeitsentwicklung?

Künneth: Kinder aus blaublütigen Adelsfamilien haben fast immer sehr gute Kenntnisse der Umgangsformen und befolgen sie durchwegs. Das stellen auch meine Kollegen fest. Man muss klar aussprechen, dass die in Deutschland vorherrschende Schullandschaft sich nicht mehr überwiegend positiv auf die Jugendlichen auswirkt. Die Jugendlichen werden vom schlechten Umfeld in den Schulen und schlechten Eltern zu schlechten Erwachsenen erzogen. Das hat mit Religion, Geschwisterzahl oder Wohnsituation wenig zu tun. Positive Ausnahmen sind jedoch Absolventen sogenannter Eliteschulen oder der meisten Internate, aber auch die Schülerinnen der Maria Ward-Schulen. Doch ist nicht alles verloren. Wenn ein junger Mensch verstanden und akzeptiert hat, dass er mit gutem Benehmen, angemessener Kleidung, einem entsprechenden Wortschatz und geschulter Rhetorik- Ausdrucksweise, beruflich und privat weiterkommt, ist er – unabhängig von den vorher genannten Situationen – auf einem erfolgreichen Weg.

Welche auffälligen Verhaltensweisen konnten Sie bei Azubis bisher am häufigsten beobachten?

Künneth: Die bereits genannten Hauptpunkte: Falsches Grüßen, lascher Händedruck, nachlässige Kleidung, unmögliche Manieren beim Essen, keine Kenntnisse der Duz- oder Siez Regeln. Dazu kommen noch: Äußerst geringes Interesse sich die betrieblichen Hierarchien zu verinnerlichen. Keine Differenzierung beim Benehmen gegenüber Kollegen, Besuchern, Lieferanten und Kunden.

Haben Sie die Azubis auf dieses Fehlverhalten angesprochen und wenn ja, wie war deren Reaktion?

Künneth: Natürlich spreche ich, wenn es mir auffällt, dieses Verhalten an. Häufig wird mir dann erwidert, dass sie bisher von keinem ihrer Ausbilder darauf angesprochen wurden. Meiner Meinung nach wird in vielen Betrieben auf die Ausbildung der Ausbilder kein großer Wert gelegt. Ihnen wird die Ausbildung übertragen ohne klare Vorgaben, ohne Erfolgskontrolle und schon gar kein Feedback bei den Azubis abgerufen.

Piercings und sichtbare Tätowierungen sind aktuell sehr im Trend. Jungen Leuten ist oft nicht klar, dass sie damit ihre Chancen auf einen Wunsch-Ausbildungsplatz mit Publikumsverkehr massiv senken, wenn sie eine Ausbildung beginnen möchten. Wird dieses wichtige Thema in den Schulen nicht angesprochen? Es wäre doch wichtig zu verhindern, dass Jugendliche ihren Piercing-Wunsch nicht an sichtbarer Körperstelle umsetzen.

Künneth: Dieses Thema wird in Schulen zum Schaden der jungen Menschen gerne übergangen. Es ist unbequem, weil daraus fruchtlose Diskussionen entstehen können. Dann steht unter Umständen fast eine Klasse gegen ihren Lehrer. Ganz schlimm wird es, wenn junge Frauen sich den Namen ihres derzeitigen Freundes, an sichtbarer Stelle tätowieren lassen und sie dann einen neuen Freund bekommen. Dann lassen sie sich den Namen weglasern und anschließend den neuen Namen tätowieren.


Unpünktlichkeit ist unter jungen Leuten eine weit verbreitete Unsitte. Die Ursachen sind im Elternhaus ebenso zu suchen wie in der Schule, wo so manche Lehrkraft kein Problem damit hat, wenn Schüler unpünktlich zum Unterricht kommen. Eine Laissez-faire-Umgebung verhindert demnach, dass der jeweilige Schüler zu seinem Vorteil geformt wird. In der Folge wird Unpünktlichkeit zur Gewohnheit. Was schlagen Sie vor, damit die Verantwortlichen besser ihrer Verantwortung nachkommen?

Künneth: Dazu habe ich drei klare Antworten:

Ohne Einsicht der Verantwortlichen ist keine Maßnahme sinnvoll.
Selbst vorleben.
Glaubwürdige Praxisbeispiele von den Folgen der beruflichen Unpünktlichkeit schildern und darüber diskutieren.

Nun gibt es jedoch auch die Situation, dass man überpünktlich zu einem vereinbarten Treffen kommt. Wie sollte sich hier ein Azubi verhalten, um nicht negativ aufzufallen?

Künneth: Eine erste Möglichkeit wäre, unauffällig vor der Firma zu warten. Wenn es möglich ist, sollten in der Toilette das Äußere, die Kleidung und die Frisur überprüft und bei Bedarf Korrekturen vorgenommen werden. Hände waschen und Abtrocknen nicht vergessen!

Sie haben in Ihrem bereits erwähnten Büchlein einige prägende Beispiele veröffentlicht, die Sie bei Ihren Begegnungen mit Jugendlichen erlebten. Die Antworten sind kein Ruhmesblatt für unser Schulsystem. Das Bestätigen auch Personalverantwortliche in den Betrieben, die einen Schwund ausbildungsfähiger Jugendlicher beklagen. Ist unser Schulsystem immer weniger in der Lage, unseren Nachwuchs auf das Berufsleben vorzubereiten?

Künneth: Darauf zu antworten ist schwierig. Man erlebt Licht und Schatten. Tatsache ist, dass sich die praktische Arbeitswelt immer weiter von den Erfahrungen der Lehrkräfte entfernt. Ein ständiger, praxisbezogener Austausch der Erfahrungen der Betriebe mit den betroffenen Schulen und deren Lehrkräfte würde die Differenzen deutlich reduzieren.

Ob Begrüßung, Händedruck oder Sitzhaltung – sollte in den Schulen wieder Wert auf Etikette gelegt werden, da diese auch im Berufsleben von herausragender Bedeutung ist?

Künneth: Ja. Es gibt leider nur wenige Schulen die das vermitteln. Allerdings gibt es auch bei Lehrkräften große Defizite bei deren Wissen über die aktuellen Umgangsformen. Es ist einen Versuch wert sich zu erkundigen wann und ob überhaupt eine Weiterbildung bezüglich der Umgangsformen stattgefunden hat. Jede Weiterbildung die über fünf Jahre zurückliegt ist nicht mehr „up do date„.

Die Kleidung hat im Berufsleben eine wichtige Signalfunktion, deren Bedeutung vielen nicht bewusst ist. Worauf ist zu achten?

Künneth: Generell gilt dies für jede Bekleidung. Sie zeigt die Wertschätzung des Trägers gegenüber dem Anderen. Für den Bedarfsfall sollte eine saubere Krawatte und Oberhemd als Ersatz in der Firma vorrätig bereitliegen. Firmenkleidung steht außerhalb jeglicher Diskussion. Sie muss getragen werden und immer sauber und ordentlich aussehen. Wenn die persönliche Firmenkleidung vor dem offiziellen Wechsel verschmutzt, ist es angebracht, dass sie vom Nutzer selbst gewaschen wird. Saubere Ersatzkleidung sollte jeder Mitarbeiter in der Firma aufbewahren, um jederzeit darauf zurückgreifen zu können.

Nicht zuletzt in Sachen ›Kopfbedeckung‹ gibt es einige Stolperfallen, die nicht nur Heranwachsende oft übersehen. Was raten Sie, um diesbezüglich stets einen guten Eindruck zu hinterlassen?

Künneth: Kopfbedeckungen die der Sicherheit dienen und vorgeschrieben sind – wie beispielsweise Sicherheitshelme – müssen immer getragen werden. Ausnahmen ermöglicht die jeweilige Bestimmung der Betriebe. Ansonsten ist es üblich, die Kopfbedeckung stets abzunehmen, wenn man einen Raum betritt. Die Kopfbedeckung auf einen Tisch zu legen, ist unbedingt zu vermeiden. Normalerweise nimmt man in der Kirche den Hut ab. In Oberbayern darf man seinen Trachtenhut jedoch aufbehalten. Das ist eine regionale Ausnahme. Diesbezüglich möchte ich an ein altes Sprichwort erinnern: »Mit dem Hute in der Hand kommt man durch das ganze Land.«

Das ›Du‹ wird heutzutage sehr locker gebraucht. Selbst in der Werbung wird diese Anrede häufig verwendet. Was raten Sie bezüglich des Du-Gebrauchs im Beruf?

Künneth: Im Normalfall sollte der junge Mensch das ›Sie‹ gebrauchen. Wenn in seinem Betrieb das ›Du‹ üblich ist wird man ihm dies erklären. Dann ist die Du-Anrede in Ordnung. Also Ohren auf, was üblich ist. Neue Azubis sollten vorsichtshalber das Sie gebrauchen. Ohne Aufforderung dürfen auf keinen Fall die Kollegen geduzt werden.

Der Zuzug von Menschen aus anderen Kulturkreisen hat auch neue Verhaltensregeln nach Deutschland gebracht. Vielfach gibt es Unsicherheiten, wie sich Neuankömmlinge beziehungsweise Kontaktpersonen gegenseitig verhalten sollen. Haben Sie Tipps?

Künneth: Als Neuankömmling sollte man schnellstmöglich fragen, was in der jeweiligen Situation angebracht ist. Ein Satz wie: »Entschuldigen Sie, wenn mir anfangs der eine oder andere Fehler beim Verhalten passiert. Das geschieht aus Unkenntnis. Bitte sprechen Sie mich sofort an. Er wird nicht nochmals passieren«, ist sehr hilfreich.

Ob mit oder ohne Migrationshintergrund, vielfach können sich Jugendliche nicht mehr fehlerfrei artikulieren. Doch ist gutes Deutsch eine Grundvoraussetzung, um in Deutschland einen qualifizierten Beruf zu erlernen. Wo liegen die Ursachen und was ist zu tun, um den Jugendlichen nicht ihre Zukunft zu verbauen?

Künneth: Wenn es im Elternhaus bereits mit der deutschen Sprache hapert und dort nicht auf die Wichtigkeit von fehlerfreiem Deutsch geachtet wird, kann man nur hoffen, dass der betroffene Jugendliche diese Notwendigkeit selbst erkennt. Eine durchgängige Unterstützung durch die Schule wäre auch sehr nützlich. Hier müssten die Lehrkräfte die Vorteile anhand positiver aber auch negativer Beispiele immer wieder in Erinnerung bringen. In der Konsequenz bedeutet dies, wenn das Elternhaus den Nutzen guter deutscher Sprachkenntnisse erkennt und deren erlernen unterstützt, wäre das ein guter Anfang. Noch besser ist es, wenn die Initiative vom Jugendlichen selbst ausgeht, weil er den Nutzen seiner Sprachfertigkeit einsieht. Sinnvoll wäre es auch, wenn an Schulen erfolgreiche junge Menschen mit Migrationshintergrund Vorträge über Ihren Berufsweg halten und Fragen offen und ehrlich beantworten würden.

Die Worte ›Bitte‹ und ›Danke‹ scheinen vom Aussterben bedroht zu sein. Gerade von jungen Leuten sind diese immer seltener zu hören, obwohl sie wahre Zauberkräfte besitzen, was beispielsweise die beruflichen Perspektiven betrifft. Welchen Rat haben Sie, den Wert dieser Worte wiedererkennen?

Künneth: Ein erfolgreicher Weg ist die positive Wirkung der beiden Zauberworte selbst zu erleben.

Früher standen jüngere Menschen wie selbstverständlich von ihrem Sitzplatz auf, wenn sie eine ältere beziehungsweise gehbehinderte Person erblickten oder wurden Türen für nachfolgende Personen aufgehalten. Tugenden, die selten geworden sind. Wie schätzen Sie die Karrierechancen von Beschäftigten ein, die solches Verhalten in Unternehmen nicht an den Tag legen?

Künneth: Deren Karrierechance sind nicht gut. Die meisten jungen Menschen sind sich nicht bewusst, dass damit die Chancen der Kollegen steigen und sie in der Zukunft wahrscheinlich deren Anweisungen befolgen müssen. Jetzt noch ein kluger Spruch: ›Jeder ist seines Erfolges (Glückes) Schmied‹. Es ist sehr hilfreich, wenn jungen Menschen von ihrer Firma eindeutige Anweisungen für ihr Verhalten in der Öffentlichkeit erhalten.

Deutschlands bekannte Sportvereine haben in der Regel keine Mühe, bei Punktspielen eine treue Fangemeinde in ihre Spielstätte zu locken, die sogar viel Geld für den Eintritt dafür bezahlt. Firmen hingegen bemühen sich oft vergeblich, ein Wir-Gefühl zu vermitteln. Der Stolz auf das Unternehmen, in dem man beschäftigt ist, verharrt, wenn überhaupt, nicht selten auf einem niedrigen Level. Kennen Sie die Ursache?

Künneth: Nur in wenigen Betrieben wird gegenüber jungen Menschen auf die Firmenhistorie und die vergangenen, sowie aktuellen Erfolge hingewiesen. Sportvereine tun das. Firmen nutzen dieses wichtige Motivationsmittel selten. Wie soll man stolz auf seine Fima sein, wenn man deren Erfolge und beeindruckende Entwicklung nicht kennt? Es ist eine Tatsache, dass in Firmen, deren Mitarbeiter stolz auf ihren Arbeitgeber sind, die Fluktuationsrate deutlich geringer ist.

Was schlagen Sie vor, um eine Änderung zum Besseren einzuleiten?

Künneth: Bei Firmenschulungen, Tagungen und Betriebsfeiern sollten die aktuellen Erfolge veröffentlicht und auch auf eventuell in der Vergangenheit notwendige Änderungen, beispielsweise in der Vertriebspolitik oder Sortimentsgestaltung hingewiesen werden. Das schafft viel Vertrauen in künftige, möglicherweise unbequeme Unternehmensentscheidungen.


Die Freude an der Arbeit ist eine wichtige Triebfeder allen Tuns. Wer Freude empfindet, vollbringt Höchstleistungen, ohne auf die Uhr zu sehen. Gerade in Schulen wurde durch den Abbau der Anforderungen das Erreichen von einfachen Zielen inflationiert, während Ziele, für die man sich anstrengen müsste, für viele Schüler unerreichbar wurden. Das Gefühl, ein anspruchsvolles Ziel erreicht zu haben, können demnach immer weniger Schüler auskosten. Ein Grund für die „Egal„-Einstellung vieler Schüler und langfristig ein Sargnagel für den Industriestandort Deutschland?

Künneth: Nein, es wird kein Sargnagel. In jeder Firma ist eine kleinere Gruppe von Mitarbeitern die Fraktion der Leistungsträger und die größere Gruppe die Mitläufer. Auch in der Schule gestalten wenige Schüler mit ihrem Lehrer den Unterricht. Wogegen die Mehrheit mehr oder weniger aktiv ist. In Spitzensportmannschaften gibt es ein oder zwei Superstars. Um sie formieren sich die anderen Teammitglieder. Diese sind stolz mit den Stars in einer Mannschaft zu spielen. Voraussetzung: der Star hebt nicht ab und ist sich bewusst, dass ihm die anderen Teamplayer zuarbeiten. Dass sie am Boden bleiben, dafür sorgt in einer Mannschaft der Trainer. In einer Firma der jeweilige Vorgesetzte.

Laut einer Pisa-Untersuchungen schneiden deutsche Schüler bei der Teamarbeit gut ab. Von einer Untersuchung bezüglich des dabei an den Tag gelegten Verhaltensniveaus der Schüler ist nichts zu lesen. Vermittelt die Studie demnach ein unvollständiges Bild?

Künneth: Ja, sie vermittelt ein unvollständiges Bild. Dabei ist auch das Verhaltensniveau beruflich wichtig. Beide Punkte ergeben einen umfassenden Gesamteindruck vom betreffenden Schüler. Teamfähigkeit alleine zu beurteilen genügt nicht.

Als Ersatz für fehlendes Selbstwertgefühl durch wertvolle Arbeit sind Statussymbole, für die viele sich sogar verschulden, schwer angesagt. Ob Handy, SUV oder Armbanduhr, das Teuerste ist in der Erwachsenenwelt gerade gut genug, um den Hunger nach Anerkennung zu stillen. Kein Wunder, dass auch Schüler und Azubis dem Trend folgen. Wäre es nicht an der Zeit, eine Werbekampagne zu starten, die beispielsweise Höflichkeit, Hilfs- und Leistungsbereitschaft sowie Pünktlichkeit als Statussymbole einer reifen Persönlichkeit herausstellen können?

Künneth: Eine derartige Werbekampagne ist nicht sinnvoll und sicher auch nicht erfolgreich. Ebenso wenig ist sie nicht im Interesse der Wirtschaft. Diese Protzerei regelt sich von selbst. Angeber, die sich Statussymbole kaufen, die sie sich normalerweise noch nicht leisten können, werden gemieden. Solches Verhalten wird garantiert auch eine Bewerbung negativ beeinflussen. Jeder intelligente junge Mensch bemerkt im Beruf sehr schnell, dass sich Statussymbole automatisch ergeben. Zum Beispiel ist mit dem beruflichem Aufstieg ein eigenes oder größeres Firmenfahrzeug, höhere Spesensätze, die Übernachtung in höherwertigen Hotels, ein größeres und besser ausgestattetes Büro, die Mitarbeit einer eigenen Assistentin, die Einladung zu anspruchsvolleren Besprechungen oder Tagungen, Wegfall der Pflicht seiner Anwesenheit in der Firma durch das Ein- und Ausloggen bei der Arbeitszeiterfassung und so weiter zu belegen. Pünktlichkeit steht in der Erwartungshaltung gegenüber Mitarbeitern an erster Stelle. Das bemerkt jeder Mitarbeiter schnell. Pünktlichkeit zeigt auch die Wertschätzung und den Respekt gegenüber seinem Gesprächspartner.

Herr Künneth, vielen Dank für das Interview.

 

Mehr Informationen:

 

War dieser Artikel für Sie hilfreich?

Bitte bewerten Sie diese Seite durch Klick auf die Symbole.

Zugriffe heute: 1 - gesamt: 7400.