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Je höher die Anforderungen, desto besser

Schmieden von Aluminium mit viel High-Tech

Metallverarbeiter stehen in hartem Konkurrenzkampf. Nicht nur untereinander, sondern auch gegenüber der Plastik- und 3D-Druck-Industrie. Doch auch oder gerade in Nischen finden sich wirtschaftliche Geschäftsmodelle und Techniken: Etwa das Aluminium-Schmieden. Nahe Dresden findet sich ein darauf spezialisierter Mittelständler. 180 Mitarbeiter stellen hier mittlerweile rund 450 unterschiedliche Teile im Jahr her. Die Umformtechnik Radebeul GmbH zeigt, wie eine Mischung aus High-Tech, Know-how und handwerklichen Könnens wettbewerbsfähig macht.

Hitzig

Es geht heiß her: Die Pressen der Aluminium-Schmiede erledigen den härtesten Teil der Arbeit.



Stephan Schneider erinnert sich gerne an das Bild: Mit einem Pralltopf aus gegossenem Aluminium in der Hand, kamen vor Jahren zwei Männer an seinen Messestand der Umformtechnik Radebeul. „Können Sie das schmieden?“, fragten die seinen Kollege Mike Müller. Nachdem der sich das dünnwandige und geometrisch verzwickte Stück genau angeschaut hatte, bejahte er. „80 Prozent Überzeugung, 20 Prozent sportlicher Ehrgeiz“, gibt der 48-jährige Ingenieur und Fachmann für Metalltechnologie heute zu.

Wie sich später herausstellte, arbeiteten die beiden Interessenten für einen Hersteller von Premiumfahrzeugen und sie fanden auf der Messe kein anderes fachlich-befähigtes und mutiges Unternehmen, das diesen Schritt wagte. „Wir wollten schon auch ein Achtungszeichen gegenüber der Konkurrenz setzen“, strahlt der gebürtige Berliner noch acht Jahre später.

Zurück in Radebeul tüftelte Müller, der sich seit 14 Jahren mit dem Schmieden von Aluminium beschäftigt, an den zwei Millimeter dünnen Wänden. Er probierte unterschiedliche Werkzeuge aus, um die großen Flächen und die komplizierte Geometrie in den Griff zu bekommen, ohne dass der Pralltopf mechanisch nachbearbeitet werden muss. Lediglich vier Schraubenlöcher werden noch gebohrt.

Eine große Schwierigkeit war, dass Aluminium aufgrund seiner Viskosität über Ecken und Kanten fließt, wenn das obere Werkzeug auf das untere geschlagen wird. Dann bilden sich gerne kleine Falten, die schlichtweg schlecht aussehen und vor allem keine ideale Festigkeit garantieren. Sie sind wie kleine Sollbruchstellen. Aber es funktionierte. Wie es dann so ist: Der Prototyp ging nicht in Serie. Erst bei einem anderen Fahrzeugmodell kam der Spezialist für geschmiedetes Aluminium zum Zug und liefert inzwischen jährlich zwischen 56.000 und 70.000 Stück an den Hersteller. Zwar ist Schmieden bis zu 100 Prozent teurer als Gießen, allein weil der Materialverbrauch wesentlich höher ist. Andererseits ist geschmiedetes Aluminium wesentlich fester – das schätzen Autofahrer an ihren Stoßstangen.

Auch bei mehreren Teilen für eine Tourenskibindung war Müllers sportlich-technischer Ehrgeiz wieder mal geweckt. Er erkannte, dass die Naht zwischen unterem und oberem Werkzeug ungünstig gesetzt war. Seine Konstrukteure legten eine andere Formtrennung fest und fanden Lösungen für andere Schwachstellen, so dass die Bauteile kaum noch nachbearbeitet werden müssen. Ergebnis: 150.000 Stück dieser Bindungsteile für Tourenskis werden in Radebeul geschmiedet.

Außerdem fertigt die Schmiede kleinere Kurbelwellen, Pleuel, Zahnräder oder Spurstangenköpfe, Lenkungs-, Getriebe- und Verschleißteile für Nutzfahrzeuge und auch ein Fußrastenanlage für einen deutschen Zweiradhersteller. Wieder haben diese Teile dünne Wände, große Flächen und eine komplizierte Geometrie. Letztes ist die größe Herausforderung. Denn das Ausgangsmaterial ist gleichmäßig, und muss während des Umformens auf dicke und weniger dicke Stellen in der Schmiedeform, dem Gesenk, verteilt werden. „Dann müssen wir an der einen Seite Material wegnehmen und es auf die andere Seite rüberschieben“, erklärt der Geschäftsführer für den Laien. Hier ist handwerkliche Genauigkeit gefragt, welche die Technik unterstützt.

Für Experten

Profis wissen, wie man aus Aluminium komplizierte Bauteile schmiedet.

Jedes Detail entscheidet



Etwas gröbere, handwerkliche Arbeit ist beim Abgraten nötig: Dieser Teil der Verarbeitung geschieht, wenn das Schmiedeteil Zimmertemperatur erreicht hat. Denn das Bauteil muss angefasst werden können. Verwenden Arbeiter Zangen, um das Werkstück anzufassen, verformt es sich dadurch eventuell wieder. Mindestens bleibt ein unschöner Werkzeugabdruck. „Für uns ist es außerdem besser, wenn wir nicht alle Schritte in-line machen“, erläutert Schneider. Er verspricht sich dadurch mehr Flexibilität und einen konstanteren Produktionsprozess. Ist das Teil von allen Überständen befreit, erwärmen es die Radebeuler erneut und schließen den Härteprozess an.

Beim Rohling setzen die Alu-Profis vor allem auf stranggepresstes Rundmaterial. Das hat gegenüber Guss den Vorteil, dass es weitestgehend poren- und lunkerfrei ist. Der runde Querschnitt ermöglicht eine optimale Wärmeverteilung. Besonders die aushärtbare Knetlegierung EN AW 6082 zeichnet sich durch hervorragende Umformeigenschaften beim Schmieden aus. Sie enthält neben Aluminium hauptsächlich die Legierungsbestandteile Magnesium, Silizium und Mangan. „Diese beeinflussen nach einer speziellen Wärmebehandlung maßgeblich die mechanischen Eigenschaften und die Korrosionsbeständigkeit der Schmiedeteile“ sagt Stephan Schneider. Deshalb traut sich die UFT etwa an Teile mit 23 mm Steghöhe und 3 mm Dicke oder 50 mm Steghöhe bei 6mm Dicke heran.

„Oftmals sind die Anforderungen an Gewicht und Festigkeit so, dass nur Schmieden in Frage kommt“, erläutert Schneider. Wirtschaftlich wird Schmieden unabhängig von der Losgröße immer dann, wenn die Festigkeit anders nicht erzielt werden kann. Als Spezialist für kleine und mittlere Stückzahlen wurden bei der UFT bereits Losgrößen von einmalig 30 Teilen auf Kundenwunsch geschmiedet. Zwar ist Schmieden bis zu 100 Prozent teurer als Gießen, allein weil der Materialverbrauch wesentlich höher ist. Andererseits ist geschmiedetes Aluminium wesentlich fester. Beim Gießverfahren kann man zwar komplexere Geometrien verwirklichen. Aber durch die dann im Material befindliche Rest-Porosität ist das Werkstück weniger robust. Letztlich kommt es darauf an, was der Kunde braucht. Möchte eine Firma ein einzelnes Bauteil, ist Fräsen im Vergleich oft billiger. Schmieden überholt das Fräsen bei den Kosten pro Teil, wenn es um einige hundert Stück geht. Beim Gießen sind hier schon einige zehntausend Stück nötig. Denn eine Gießform ist etwa vier Mal teurer als ein Gesenk. Schneiders Kunden ordern meist zwischen 10.000 und 100.000 Stück.

Um bei so vielen Handgriffen und teurer Technik noch mehr Qualität in die Prozesse zu bringen und dabei Kosten zu sparen, arbeitet der Betrieb mit einem modernen Koordinationsmessgerät. 15 bis 50 Maße müssen einzelne Teile einhalten. Vor einigen Jahren prüften die Schichtführer diese und trugen sie dann meist von Hand in eine Excel-Tabelle ein. Weil die UFT zu dem neuen 3D-Messgerät die passende Software gleich mit erworben hat, werden die Maße direkt digital übernommen. „Das geht ungefähr 20 Prozent schneller“, berichtet der Qualitätsmanager, „vor allem passieren keine Übertragungsfehler mehr.“

Ein weiterer Vorteil ist das so genannte Statistikpaket. Dadurch erkennen die Mitarbeiter, wenn Teile schrittweise vom vorgegebenen Maß abweichen. Die Schichtführer können gleich gegensteuern und die Maschinenparameter wieder berichtigen. „Dadurch verhindern wir an dieser Stelle der Produktion Ausschuss“, sagt Schneider. Wie schnell sich die Anschaffungskosten amortisieren, ist keine Frage: Das sei ein Qualitätssprung, der sich praktisch sofort bezahlt gemacht habe.

Das Ergebnis

Ein gutes Beispiel für ein Alu-Bauteil, des geschmiedet wurde: Eine Motorrad-Fußraste ist stark beansprucht und sollte wenig wiegen. Trotz seiner komplizierten Formen und Geometrie lässt es sich schmieden.

 

Mehr Informationen:

Kontakt  Herstellerinfo 
Umformtechnik Radebeul GmbH
Fabrikstraße 27
01445 Radebeul
Tel.: +49 (0) 351 - 656 33 - 0
Fax: +49 (0) 351 - 656 33 - 179
E-Mail: info@uft-alu.de
www.umformtechnik-alu.de
 

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