Welt der Fertigung
Sie sind hier: Startseite » Suchen » Lernen » Steuerungstechnik

Ansteuerung eines doppeltwirkenden Zylinders

Pneumatik-Wissen mit Excel erarbeiten (Teil 2)

Im ersten Teil des Steuerungskurses auf Welt der Fertigung wurde der einfachwirkende Zylinder und dessen Ansteuerung durchgenommen. Was zu kurz gekommen ist, war die Erläuterung der zugehörenden Gleichung sowie der Belegungstabelle. Diese wurden absichtlich ausgeklammert, um die Materie nicht unnötig zu verkomplizieren. Es stand zunächst die Beschäftigung mit der praktischen Pneumatik im Vordergrund, um die Entdeckerfreude zu wecken. Nachdem der Einstieg in die Steuerungstechnik nun ›verdaut‹ wurde, ist es an der Zeit, das Wissen zu vertiefen beziehungsweise Steuerungstechnik-Lücken zu füllen. Danach geht es nahtlos zum Doppeltwirkenden Zylinder und seiner Ansteuerungsmöglichkeit über.

Bevor der Schaltplan einer Steuerung auf Papier gezeichnet wird, ist es, zumindest bei umfangreichen Projekten, sinnvoll, den Ablauf zunächst einmal zu planen. Dazu gibt es beispielsweise die sogenannte ›Kurzschreibweise‹. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, den Ablauf der Steuerung elegant und übersichtlich zu skizzieren. Folgende Idee steckt dahinter:

  • Die Aktoren (zum Beispiel ein Zylinder) werden mit Buchstaben aus dem Alphabet bezeichnet,
  • Ein Plus- beziehungsweise ein Minus-Zeichen gibt den Zustand des Aktors an. Ein Plus-Zeichen bedeutet demnach, dass die Kolbenstange des Zylinders ausfährt. Logischerweise steht dann ein Minuszeichen für das Einfahren der Kolbenstange.
  • Ein Pfeil zeigt an, welches Bauteil vom Aktor als Nächstes aktiviert wird. Dies bedeutet, dass das Betätigen eines Signalgebers durch die Kolbenstange in geeigneter Form, beispielsweise mit der Angabe S3, dargestellt wird.

Ein Beispiel

In diesem Beispiel fährt Zylinder A aus, wenn die beiden Schalter S1 und S2 betätigt werden. An der vorderen Endlage trifft die Kolbenstange von Zylinder A auf das Wegeventil S3, woraufhin die Kolbenstange wieder einfährt. Die Pneumatikschaltung dazu sieht so aus:

Das Symbol ˄ zwischen S1 und S2 repräsentiert die logische Funktion UND. Die Bedeutung derartiger Zeichen ist leider nicht einfach zu merken. Deshalb ist es sinnvoll, sich eine Brücke zu bauen, die künftig das Nachschlagen in entsprechenden Tabellenbüchern überflüssig macht.

Und so sieht die Brücke aus: Das unten offene Zeichen ˄ ist das Symbol für die schon bekannte UND-Funktion, das oben offene Zeichen ˅ steht für die ODER-Funktion und der über einem Buchstaben stehende waagrechte Strich für die NICHT-Funktion. Folglich steht daher in diesem Beispiel am Ausgang Y ein Signal an, wenn die Taste S1 nicht und die Taste S2 betätigt wird. Alternativ steht an Y ein Signal ebenso an, wenn die Taste S3 betätigt wird und die Taste S4 nicht betätigt ist.

Nachstehende Beispiele verdeutlichen die Bedeutung der Logikzeichen in der Kurzschreibweise.

An Y steht ein 1-Signal an, wenn an X1 UND X2 ebenfalls ein 1-Signal ansteht.

An Y steht ein 1-Signal an, wenn an X1 ODER an X2 ein 1-Signal ansteht

Inhibition

An Y steht ein 1-Signal an, wenn an x1 kein Signal ODER an X2 ein Signal ansteht.

Implikation

An Y steht ein 1-Signal an, wenn an X1 kein Signal ODER an X2 kein Signal ansteht.

Dies bedeutet, dass beispielsweise ein Taster nicht, der andere jedoch betätigt werden muss, damit an Y ein Signal vorhanden ist. In dem Moment, wo beide Taster nicht betätigt werden, erlischt das Signal bei Y. Ebenso erlischt das Signal bei Y, wenn beide Taster betätigt werden.

An Y steht ein 1-Signal an, wenn an X1 kein Signal UND an X2 ebenfalls kein Signal ansteht.

Dies bedeutet, dass beide Taster nicht betätigt sein dürfen, um an Y ein Signal zu erhalten.

Der doppeltwirkende Zylinder

Doppeltwirkende Zylinder werden verwendet, wenn in beiden Richtungen Kraft auszuüben ist, um die gewünschte Funktion zu erreichen. Aus diesem Grund werden zur Ansteuerung 5/2-Wegeventile benötigt. Diese Ventile haben fünf Anschlüsse und zwei Wege und leiten dem Zylindern Druckluft für den Vor- beziehungsweise Rückhub zu. Derartige Wegeventile besitzen eine Speicherfunktion, wenn sie nicht durch eine Feder, sondern per Druckluft oder elektromagnetischer Spule umgeschaltet werden.

Eine Speicherfunktion wird in der digitalen Welt mit einem sogenannten Flip-Flop-Baustein umgesetzt. Diese Digitalschaltung besteht aus zwei NOR-Bausteinen, die zusätzlich auf besondere Weise verknüpft sind. In der zum Steuerungskurs gehörenden Excel-Tabelle ist sowohl die NOR-Funktion, als auch der Flip-Flop-Baustein zu finden und warten darauf, ergründet zu werden.

Wie von Welt der Fertigung gewohnt, sind alle Tabellen ungeschützt und können gründlich erforscht werden, was zur Wissenserweiterung bezüglich Excel und Steuerungstechnik eine optimale Voraussetzung ist. Es kann beispielsweise in Ruhe betrachtet werden, wie der Flip-Flop-Baustein arbeitet und aus welchen verknüpften Excel-Befehlen er sich zusammensetzt.

Wie das Beispiel einer Ansteuerung eines doppeltwirkenden Zylinders zeigt, sind alle bisher bereits besprochenen Logikbausteine in der Excel-Tabelle im Einsatz. Der dort aufgezeichnete Plan kann auf verschiedene Weise umgesetzt werden. Da sich dieser Kursteil auf die reine Pneumatik konzentriert, wird auf eine elektropneumatische Lösung vorerst nicht eingegangen. Wer sich noch schwer tut, die Funktion des Beispiels nachzuvollziehen, sollte sich einmal die entsprechende Animation ansehen, die diese Schaltung ein wenig transparenter macht.

Leider ist es in Excel ohne VBA-Programmierung nicht möglich, mit einer Schleife zu arbeiten. Dies wäre wünschenswert, um beispielsweise das Ausfahren des Zylinders realistischer simulieren zu können. Um auch Open-Office-Anwendern die Möglichkeit zu geben, diese Tabellen zu nutzen, wurde auf die Verfeinerung der Excel-Simulation verzichtet.

Dies tut dem Lernprozess jedoch keinen Abbruch, da auch so erkannt werden kann, was sich in der Simulation abspielt. Die Simulation arbeitet exakt so, wie es eine reale Steuerung ebenfalls tun würde. Es wird beispielsweise auch eine Signalüberschneidung erkannt, wenn der Befehl zum Einfahren gegeben wurde, jedoch die Ausfahrsignale noch nicht gelöscht sind. In diesem Fall wird die Meldung „Schwebezustand“ angezeigt, um darauf hinzuweisen, dass die Kolbenstange in der momentanen Stellung verharrt, solange das entsprechende Signal noch nicht gelöscht wurde.

Die Steigerung

Steuerungen arbeiten in der Regel nach dem Einschalten autonom. Zu diesem Zweck werden Sensoren abgefragt und deren Status für den weiteren Ablauf ausgewertet. Bei Zylindern kann beispielsweise die jeweilige Endlage abgefragt werden, um danach einen weiteren Aktor zu starten. Die Umsetzung einer derartigen Simulation ist mit Excel ebenso möglich, da es egal ist, ob Signale von Hand oder per Zustandsänderung via Sensor gesetzt werden.

Das Beispiel im Excel-Reiter „DWZ-Ein- Ausfahren 1“ zeigt die Umsetzung eines Falls, in dem die vordere Endlage eines doppeltwirkenden Zylinders abgefragt wird, was nach Löschen des Ausfahrsignals zum selbsttätigen Einfahren der Kolbenstange führt. Leider arbeitet Excel so schnell, dass das 1-Signal des entsprechenden Flip-Flop-Ausgangs nicht sichtbar wird.

Beim Beispiel „DWZ-Ein- Ausfahren 2“ hingegen wird die hintere Endlage des Zylinders abgefragt, was dazu genutzt werden kann, die Kolbenstange erst dann wieder ausfahren zu lassen, wenn sie sicher die hintere Endlage erreicht hat. Wer sich wundert, dass ein Druck auf die Taste „F9“ keinen Dauerlauf der Steuerung auslöst, findet die Lösung in dieser Regel: das zuerst ankommende Signal domminiert. Dies bedeutet, dass in diesem Fall das Einfahrsignal das Ausfahrsignal überlagert. Erst wenn alle Einfahrsignale gelöscht sind, kann die Kolbenstange des Zylinders wieder ausfahren.

Wenn beide Endlagen des Zylinders abgefragt werden, ist die Schaltung noch interessanter, da sich nun die Möglichkeit bietet, einen Dauerlauf durchzuführen. Wie das Tabellenblatt „DWZ-Ein- Ausfahren 4“ zeigt, kann durch Drücken der Funktionstaste „F9“ dieser Vorgang auch sehr schön simuliert werden. Alternativ muss wiederholt eine „1“ in die Zelle B12 geschrieben werden, um einen Zyklus zu starten.

Ab zwei Zylindern wird es recht anspruchsvoll, dies mit Excel noch adäquat umzusetzen, dennoch ist dies machbar. Allerdings ist es dazu notwendig, noch tiefer in die Steuerungstechnik einzusteigen, da die Arbeitsweise von Excel dazu zwingt, Signale gezielt abzuschalten, wie es beispielsweise eine Taktkette durchführt. Dies ist jedoch Thema für einen Aufbaukurs, der zu einem späteren Zeitpunkt auf Welt der Fertigung erscheinen wird. Im nächsten Kursteil wird die Elektropneumatik vorgestellt, die eine noch schnellere Signalverarbeitung als die reine Pneumatik erlaubt und einen wichtigen Baustein in der Welt der Steuerungstechnik darstellt.

Download

Diesen Artikel können Sie hier im PDF-Format [534 KB] herunterladen.

Die Excel-Datei zum Üben finden Sie hier [174 KB] .

Video/Animation

Eine Video beziehungsweise eine Animation zum Ansteuern eines doppeltwirkenden Zylinders finden Sie hier.

Wenn Sie wissen möchten, was es mit der Kurzschreibweise auf sich hat, können Sie hier eine Animation ansehen.

 

War dieser Artikel für Sie hilfreich?

Bitte bewerten Sie diese Seite durch Klick auf die Symbole.

Zugriffe heute: 4 - gesamt: 28444.