Galvanikindustrie zieht die Boxhandschuhe an
Reach bedroht europäische Galvanikbetriebe
Chromtrioxid ist in das Fadenkreuz der EU-Kommission geraten. Matthias Enseling, Vorstand des Vecco e.V., erläutert, warum für viele Galvanik-Unternehmen Gefahr im Verzug ist.
Matthias Enseling
Vorstand des Vecco e. V. und Geschäftsführer der Hartchrom GmbH
Die Galvanikbranche veredelt Metalle und Kunststoffe mit Oberflächen. Verchromungen sind eines der Hauptprodukte und heutzutage weder aus der Industrie noch aus der Fertigung wegzudenken. Maschinen benötigen Bauteile mit Verchromung, da diese Korrosionsschutz und Langlebigkeit garantiert. Doch auch in die zu fertigenden Produkte wie Autos, Flugzeuge, medizinische Apparaturen et cetera wird eine Vielzahl an verchromten Bauteilen integriert. In Europa jedoch wird Verchromen in Zukunft nur noch mit Erlaubnis und unter Kontrolle der EU möglich sein.
Hintergrund: Im April 2013 setzte die EU-Kommission ›Chromtrioxid‹ und weitere Chrom(VI)-Verbindungen in den Anhang ›XIV‹ der EU-Verordnung ›Reach‹. Reach reguliert den Umgang in der EU mit besonders besorgniserregenden Stoffen. Chromtrioxid wurde als gesundheitsgefährdend deklariert.
Der sogenannte ›Sunset-Date‹ für die Autorisierung der Verwendung von Chromtrioxid ist im September 2017. Die Frist zur Einreichung des Antrags auf Autorisierung ist bereits im März 2016 abgelaufen. Aus technischen, organisatorischen, administrativen und finanziellen Gründen war der Antrag auf Autorisierung für kleine und mittelständische Unternehmen allerdings kaum zumutbar und aus dieser Erkenntnis heraus hat sich 2012 der Verein ›Vecco e. V.‹ gebildet. Als europäisches Autorisierungskonsortium ist er inzwischen für fast 200 Unternehmen, darunter Betriebe der galvanischen Oberflächentechnik, Zulieferfirmen, Endanwender und Fördermitglieder, eine wichtige Stimme in Brüssel. Nur durch die Fach- und Sachkompetenz von Vecco war es zahlreichen Unternehmen überhaupt möglich, einen Antrag auf Autorisierung zu stellen.
Die Tatsache, dass Anträge dieses Ausmaßes überhaupt durch EU-Behörden zwingend gefordert werden können, ist in hohem Grade herausfordernd für die Wirtschaft. Man fragt sich doch, wie weit das Eingreifen einer Europäischen Regierung in die Wirtschaft eines autonomen Landes gehen darf. Der Schutz von Mensch und Umwelt ist ohne Frage eine notwendige und wünschenswerte Sache – der Schutz von Arbeitsplätzen und die Erhaltung der Wirtschaft eines Landes ist jedoch zweifelsohne auch gewünscht. Zumal – mindestens soweit es Deutschland betrifft – die bereits vorhandenen Gesetze den Schutz von Mensch und Umwelt bestmöglich garantieren. Dies ist auch eines der Argumente, welches in einem rechtlichen Verfahren gegen die EU Kommission seitens Vecco vorgetragen wurde.
Wir meinen, dass die europäischen sowie deutschen Gesetze und Verordnungen in jedem Fall eine ausreichende Regulierung darstellen und die Verwendung von Chromtrioxid europaweit im Zuge des Arbeits- und Umweltschutzes ausreichend geregelt ist. Die Aufnahme von Chromtrioxid und die damit verbundenen administrativen Hürden für die betroffenen Betriebe führen zu einer unverhältnismäßigen Regulierungsspirale. In erster Instanz wurde gegen Vecco entschieden. Die Berufung ist jedoch bereits eingereicht und man erwartet eine Entscheidung im Laufe dieses Jahres.
Unabhängig von der Klage, muss für die betroffenen Betriebe die Arbeit natürlich weitergehen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass die Autorisierungen für einen angemessenen Zeitraum erteilt werden, sollte man nicht übersehen, dass alle Betriebe aus der Oberflächentechnik (sowie deren Partner) sich in der prekären Lage befinden, dass sie potenziell vor dem Nichts stehen. Kein deutscher Galvanik-Unternehmer kann heute wirklich mit Bestimmtheit wissen, was die europäischen Behörden wie und wann entscheiden werden. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass einige Unternehmen, die jetzt noch verchromte Oberflächen anbieten können, dies ab September 2017 nicht mehr können. Alles hängt davon ab, ob die betreffenden Firmen eine EU-Autorisierung erhalten und für welchen Zeitraum.
Die deutsche Galvanikbranche ist bereits zahlreichen, teilweise sehr aufwändigen, Bestimmungen unterworfen. Diese werden regelmäßig überprüft. Alle Mitglieder des Vecco e. V. nehmen für sich in Anspruch, die festgelegten Maßstäbe des geltenden Rechts zum Schutz von Mensch und Umwelt zu erfüllen und arbeiten aktiv an der ständigen Verbesserung der Schutzmechanismen, betreiben innovative Forschung und sorgen jederzeit für hervorragende Bedingungen für ihre Mitarbeiter und Umwelt. Weltweit im Vergleich ist die deutsche Oberflächentechnik ganz sicher eine der Fortschrittlichsten und Innovativsten überhaupt.
Vecco e. V. plant bereits voraus: Auch in Zukunft werden weitere Stoffe in den Fokus der EU geraten. Um hier rechtzeitig vorbereitet zu sein, bauen wir ein Monitoring-System auf. Dieses „Reach-Vorwarnsystem“ zeigt frühzeitig auf, welche Substanzen betroffen sein werden.
Das Ziel des Vorwarnsystems ist es, proaktiv die Entscheidung von Politik und Behörden begleiten zu können. So soll rechtzeitig aufgezeigt werden, ob „Teufel mit Belzebub ausgetrieben“ wird oder zu erwarten ist, ob der Aufwand das Ergebnis rechtfertigt. Immer im Brennpunkt ist der KMU-Status der Betriebe.
So können andere Branchen und Unternehmen, die im Moment vielleicht noch nicht mal daran denken, dass ihre Produkte und Prozesse von Reach betroffen sein könnten, schon bald in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Die Erfahrungen der „frontrunners“ ›Chromtrioxid‹ können hier helfen.Wir sind bereit, unsere Erfahrung und Kompetenz in die jeweiligen Situationen, die durch EU-Restriktionen entstehen, einzubringen und den betroffenen Unternehmen zu helfen, ihre Existenz zu sichern. Und wenn wir dafür im übertragenen Sinne „die Boxhandschuhe anziehen müssen“, tun wir das, um konstruktiv den Gesamtprozess zu begleiten.
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