Spannbacken - die unterschätzten Möglichmacher
Spannen selbst anspruchsvollster Teile
Angesichts ausgereifter Drehfutter, leistungsdichter Spannblöcke und aufwändig konstruierter Vorrichtungen scheinen die technologischen Möglichkeiten von Spannbacken auf den ersten Blick eher begrenzt. Tatsächlich aber stecken in der unmittelbaren Schnittstelle zum Werkstück enorme Potenziale: Jenseits konventioneller harter und weicher Aufsatzbacken hat sich ein breites Spektrum von Spannbacken etabliert, mit denen sich selbst kniffligste Spannaufgaben wirtschaftlich lösen lassen. Ein Überblick zeigt, was möglich ist.
Bei der Rohbearbeitung massiver Werkstücke zählt vor allem eines: Viele Späne in kurzer Zeit. Sowohl beim Drehen als auch beim Fräsen sind dazu besonders hohe Haltekräfte erforderlich. Krallenbacken bieten dafür beste Voraussetzungen. Es gibt sie für die Außenspannung, für die Innenspannung und für die Bearbeitung von Stangenmaterial. Im Gegensatz zu konventionellen harten Backen graben sie sich tief in die Werkstückoberfläche ein und erzielen einen Formschluss. Selbst bei geringen Spannkräften sind sie in der Lage, hohe Drehmomente zu übertragen. Besonders effizient arbeiten gewichtsreduzierte Krallenbacken, die über spezielle Zahnformen sowie über bis zu drei übereinander angeordnete Zahnreihen verfügen. Sie erlauben besonders hohe Vorschübe und zugleich hohe Schnittgeschwindigkeiten. Um den Verschleiß zu minimieren, sind Krallenbacken einsatzgehärtet. Mithilfe standardisierter Auflagebolzen in unterschiedlichen Höhen lassen sich die Einspanntiefen individuell an das jeweilige Werkstück anpassen. Eine besonders wirtschaftliche Alternative zu einteiligen Krallenbacken sind sogenannte Universal-Krallenbacken. Bei ihnen werden ungehärtete Backenrohlinge mit einem Winkelstirnfräser vorbereitet und mit speziellen Spanneinsätzen aus verschleißfestem Hartmetall bestückt. Sie haben zusätzlich den Vorteil, dass ihre leicht pendelnde Wirkung eine optimale Anlage am Werkstück gewährleistet.
Pendelbacken spannen deformationsarm und sicher
Bei dünnwandigen und verformungsgefährdeten Werkstücken sind in der Regel Spannlösungen gefragt, die die Teile sicher fixieren, ohne dass es zu Deformationen kommt. Wer hierfür nicht auf hochpreisige Spezialfutter zurückgreifen möchte, kann mithilfe standardisierter Pendelbacken einen annähernd identischen Effekt zu einem Bruchteil der Kosten erzielen. Pendelbacken bestehen meist aus einer beweglich gelagerten Pendelbrücke mit zwei Spanneinsätzen, die mithilfe eines Lagerbolzens auf eine Trägerbacke montiert werden. In der Regel können sie sowohl mit weichen als auch mit einsatzgehärteten Spanneinsätzen bestückt werden. Da sie genauso montiert werden wie einteilige Aufsatzbacken, lässt sich ein konventionelles 3-Backen-Futter mit Ihrer Hilfe innerhalb kürzester Zeit auf eine 6-Punkt-Spannung umrüsten. Indem die im Winkel von jeweils 60° am Bauteilumfang beziehungsweise am Innendurchmesser verteilten Anlagepunkte die Spannkräfte dann auf sechs Spannpunkte verteilen, werden Deformationen deutlich verringert. Wird beispielsweise ein 50 mm langer Rohrabschnitt aus Aluminium mit einem Außendurchmesser von 60 mm und einem Innendurchmesser von 50 mm mit einer Spannkraft von 100 kN in einem herkömmlichen 3-Backen-Futter gespannt, so beträgt die rechnerische Deformation 0,497 mm. Bei Spannung über ein 6-Punkt-Pendel verbessert sich der Wert auf 0,029 mm, sprich um den Faktor 17. Anhand spezieller Berechnungsprogramme lässt sich dieser rechnerische Effekt von Pendelbacken bereits im Voraus ermitteln. Weil sich die Backen dem Werkstück anpassen, können sie beispielsweise bei Gusskörpern innerhalb eines gewissen Bereichs auch Formtoleranzen ausgleichen. Ideal ist es, wenn sich Pendelbacken zur Fertigbearbeitung oder zum Spannen vorgedrehter Flächen feststellen lassen. Um höhere Drehzahlen zu ermöglichen, sollten sie zudem möglichst leicht sein.
Kunststoffbacken für empfindliche Werkstücke
Wenn eine besonders schonende und deformationsarme Werkstückspannung erforderlich ist, gelten Spezialbacken aus glasfaserverstärktem Kunststoff bis heute als Geheimtipp. Selbst auf geschliffenen oder oberflächenbehandelten Teilen hinterlassen Kunststoffbacken keinerlei Spannmarken. Ihr hoher Reibwert von 0.3 bis 0.4 sowie ein großer Umschlingungswinkel gewährleisten, dass auch bei geringen Spannkräften hohe Bearbeitungskräfte übertragen werden. Wird die Kunststoffbacke mit einer Trägerbacke aus Aluminium kombiniert, ist eine besonders hohe Stabilität gewährleistet. Da während der Drehoperation aufgrund des geringen Gewichts von Aluminium-Trägerbacke und Kunststoff-Aufsatzbacke nur geringe Backenfliehkräfte entstehen, sind die feinfühligen Spannlösungen für hohe Bearbeitungsdrehzahlen bis 6000 min-1 geeignet. Wechselbare Spanneinsätze machen sie auch unter Kostenaspekten attraktiv.
Zwischenbacken überbrücken unterschiedliche Schnittstellen
In den zurückliegenden Jahren haben zahlreiche Entwicklungen im Bereich der Spannfutter und Aufsatzbacken zu einer enormen Lösungsvielfalt geführt. Sichtbares Kennzeichen sind die Standardschnittstellen "Spitzverzahnung" und "Kreuzversatz", die über jeweils unterschiedlichste Anschlussmaße verfügen. Um diese Schnittstellen-Vielfalt zwischen Spannfutter und Aufsatzbacken zu überbrücken, wurden sogenannte Zwischenbacken entwickelt. Diese erhöhen die Flexibilität in der Kombination von Aufsatzbacken und Spannfuttern, ohne dass es zu wesentlichen Einschränkungen bei Leistung und Sicherheit der Spannlösung kommt. Darüber hinaus bewirken sie, dass sich unter Umständen der Spannbereich oder die Einspanntiefe vergrößern.
Zangenbacken ermöglichen Stangenbearbeitung auf Backenfuttern
Eine hohe Flexibilität ermöglichen auch Zangenbacken, die in Kombination mit dem Kraftspannfutter ROTA NCD von SCHUNK eingesetzt werden. Sie bieten sich immer dann an, wenn auf ein und derselben Maschine sowohl Abschnitte als auch Stangen bearbeitet werden sollen. Statt Backenfutter und Spannzangenfutter immer wieder zu wechseln, werden die Aufsatzbacken der durchdachten Kraftspannfutter zur Stangenbearbeitung einfach durch die patentierten Zangenbacken ersetzt. Die stirnseitige Verzahnung der Zangenbacke mit der Grundbacke verhindert, dass sich die Spannbacken bei der Bearbeitung aufbäumen. Selbst kleine Stangendurchmessern können auf diese Weise hochpräzise bearbeitet werden. Zangenbacken sparen also wertvolle Zeit und hohe Investitionen in zusätzliche Spezialfutter.
Sonderbacken spannen auch anspruchsvollste Teile
Obgleich standarisierte Spannbacken mittlerweile ein enormes Werkstückspektrum abdecken, gibt es immer wieder Anwendungen, die mit den „Katalogprodukten“ nicht zu bewerkstelligen sind. Insbesondere in der Verzahnungsbearbeitung, bei Pumpen-, Ventil-, Gehäuse- und Gussteilen, bei Armaturen sowie bei Schneidrohlingen haben sich Sonderbacken in unterschiedlichsten Ausführungen bewährt. Ob 12-Punkt-Pendelung, 24-Punkt-Pendelung, Pendelbacken mit Spanneinsätzen aus Kunststoff, Kombinationen aus pendelnden und festen Backen oder komplett individuell konstruierte Sonderbacken – die Möglichkeiten für Sonderbackenlösungen sind beinahe grenzenlos. Mit ihnen lassen sich Deformationen minimieren, Formfehler ausgleichen und selbst Bauteile mit komplexen Geometrien sicher spannen. Wie groß die Möglichkeiten sind, wird beim Kompetenzführer für Spanntechnik und Greifsysteme SCHUNK deutlich. Rund 50000 realisierte Sonderspannbackenprojekte und eine umfassende Kompetenz im Bereich der virtuellen Simulation dienen bei dem innovativen Familienunternehmen als Basis für neue Sonderlösungen. Weniger als zwei Prozent der Anfragen müssen aufgrund der fehlenden technischen Machbarkeit abgelehnt werden. Und auch die Realisierungszeit für Sonderspannbacken beeindruckt: im Durchschnitt vergehen ab Auftragsvergabe gerade einmal 20 Arbeitstage, bis Sonderbacken von SCHUNK ausgeliefert werden. Auch mit seinem Standardspannbackenprogramm ist SCHUNK weltweit führend: Es umfasst über 1200 unterschiedlichen Backentypen, unter anderem auch alle hier aufgeführten Spezialbacken.
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74348 Lauffen/Neckar | |
Tel. +49-7133-103-0 | |
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