Welt der Fertigung
Sie sind hier: Startseite » Archiv » Jahrgang 2012 » Ausgabe September 2012

Der Grund für die Gier

Das gefährliche System der Provisionszahlung

Viele Dinge werden nicht über einen festen Betrag bezahlt. Beispielsweise unterscheidet sich die Krankenversicherung zweier Personen gehörig, wenn das Einkommen sich ebenso stark unterscheidet. Auch bei der Lohnsteuer, der Kirchensteuer et cetera ist dies so. Allerdings stellt sich die Frage, warum dies so zu sein hat, schließlich sollte eine Versicherung danach bemessen werden, welche Kosten diejenige Person beim entsprechenden Lebenswandel voraussichtlich verursachen wird. Auch die Höhe der Kirchensteuer am Lohn festzumachen gehört schon lange abgeschafft, schließlich ist der Glaube nicht an das Einkommen geknüpft. Abgesehen davon, dass diese Steuer, die es nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt, schon lange auf den Prüfstand gehört. Doch dies ist noch lange nicht alles, was es zum Thema ›zahle, aber in Prozent‹ zu sagen gibt.

Entlohnungsmodell mit Reparaturbedarf

Das Provisionssystem, das "in Prozent" einen Händler für sein Handeln an der Börse entlohnt, ist mit Schuld an Verwerfungen, die nicht nur den Finanzmarkt schwer ins Schlingern gebracht haben.


Die gegenwärtige Bankenkrise ist nicht zuletzt einem Systemfehler geschuldet. Handelnde in diesem Sektor erhalten keinen festen monatlichen Betrag für den erwirtschafteten Gewinn, sondern streichen erfolgsabhängige Prämien ein. Wie ein Mensch, dessen natürliches Sättigungsgefühl nicht mehr funktioniert und viel zu viel Nahrung in sich hineinstopft, versuchen die Akteure, das ihnen zur Verfügung stehende ›Spielgeld‹ in möglichst kurzer Zeit massiv zu mehren, da dadurch auch für Sie ein schöner Reibach abfällt. Der adipöse Mensch betreibt Raubbau an seinem Körper, der Zocker an seinem Markt. Letzten Endes brechen beide, Körper und Markt, zusammen.

Am nicht vorhandenen ›Sättigungsgefühl‹ liegt eine der wesentlichen Ursachen für den nicht funktionierenden Bankensektor. Abhilfe tut Not. Ein erster Schritt zur Besserung wäre es, das herrschende Entlohnungssystem entweder abzuschaffen oder zu deckeln. Generell sollte es verboten sein, ein System der Entlohnung zu installieren, das sich am Wert eines Gutes orientiert. Warum beispielsweise ist eine Grunderwerbsteuer vom Wert des Grundstückes abhängig und warum kann sich der Notar am Wert der vorgenommenen Grundbucheintragung orientieren, obwohl sein Arbeitsaufwand immer gleich ist, egal ob ein Grundstück in Brandenburg oder am Starnberger See verbrieft wird?

Wie groß wäre der Aufschrei, wenn der Bäcker den Preis seiner Brötchen am Einkommen seiner Kunden festmachen würde oder das neue Auto erst dann in den eigenen Besitz übergeht, wenn das Vierfache des eigenen Jahresgehalts auf den Tresen gelegt wird? Das wäre für Geringverdiener sicher verlockend, ist jedoch völlig utopisch, da wohl nicht nur die Autohändler reihenweise pleitegehen würden. In funktionierenden Märkten, in denen starker Wettbewerb herrscht, orientiert sich daher der Wert eines Gutes nicht am Einkommen des Käufers, sondern an den Kosten seiner Herstellung.

Gier auf Kosten der Bürger

An den Herstellkosten hat jedoch selbst der Staat kein Interesse und versucht alles, um seine Einnahmen auf Kosten seiner Bürger zu steigern. Warum gibt es denn überhaupt eine Grunderwerbsteuer? Sollte es denn nicht erwünscht sein, dass sich möglichst viele Bürger den Traum vom eigenen Heim erfüllen? Wäre es nicht besser, wenigstens die Grunderwerbsteuer mit einem günstigen fixen Betrag zu erheben, anstatt mit irren Summen dafür zu sorgen, dass weniger Geld in der Kasse des Wohnungs- oder Grundstückskäufers bleibt und ihm so das Abbezahlen der Immobilie unnötig erschwert? Immerhin beträgt die Grunderwerbsteuer je nach Bundesland zwischen 3.5 bis fünf Prozent vom Kaufpreis, was bei einem Kaufpreis von 450.000 Euro zwischen 15.750 und 22.500 Euro wären. Natürlich halten auch noch Notare die Hände auf, ehe die Immobilie in den eigenen Besitz übergeht, die in der Mehrzahl der Fälle danach über Jahrzehnte und unter beachtenswerten Entbehrungen abbezahlt wird. Rund ein bis zwei Prozent sind für den Notar zu veranschlagen, was bei 450.000 Euro Kaufpreis eine Gebühr zwischen 4.500 und 9.000 Euro bedeutet. Es wäre mehr als gerecht, wenn Notare nach ihrem tatsächlichen Aufwand bezahlt werden, als ihnen die Möglichkeit zu geben, sich in unverschämter Art und Weise am teilweise außer Kontrolle geratenen Immobilienmarkt zu bereichern.

Jahr für Jahr kommt noch die Grundsteuer hinzu, die praktisch eine Miete für den eigenen Grund und Boden ist, der bereits teuer bezahlt wurde. Ganz zu schweigen davon, dass nach dem Tod des Immobilienbesitzers das Finanzamt neuerlich „seinen Anteil in Prozent“ von den Erben einfordert, wenn die Erbschaftssteuer-Freibeträge überschritten werden. Es wäre wünschenswert, wenn derartige Aktivitäten unterbleiben würden und vielmehr dafür gesorgt wird, dass wieder mehr Bürger sich den Traum vom eigenen Heim erfüllen könnten, was nicht zuletzt zu einer Belebung des Arbeitsmarktes führt. Dazu gehört natürlich, die Hürde ›Grunderwerbssteuer‹ zu senken, indem die Erhebung in Prozent vom Kaufpreis aufgehoben wird.

Schnell verdientes Geld

Ob Staat oder Notar, bei Immobiliengeschäften halten beide via Grunderwerbsteuer beziehungsweise Verbriefungskosten "in Prozent" ihre Hände weit auf. Bürger, die sich eine Immobilie gönnen und für Jahrzehnte bis über beide Ohren verschulden, werden über dieses System gnadenlos abgezockt.

Kranksein nach Wert

Nicht zuletzt die Abzüge beim Lohn führen Monat für Monat vor Augen, dass ein absolut ungerechtes System Besitz vom arbeitenden Steuerzahler ergriffen hat. Wie kann man denn nur hergehen und beispielsweise die Beiträge für die Krankenversicherung oder die Kirchensteuer „in Prozent“ vom Lohn berechnen? Warum bekommt die Kirche von einem gut Verdienenden mehr Beiträge, als von einem weniger gut verdienenden Kirchenmitglied? Ist der Glaube an den Lohn gebunden und steigert sich gar mit dem Gehalt? Ist das gut verdienende Krankenkassenmitglied kränker und muss daher automatisch mehr Beiträge bezahlen? In beiden Fällen kann nur festgestellt werden, dass dieses Verfahren absolut ungerecht ist und unter den Begriff ›Abzocke‹ fällt. Da hilft es auch nicht, dass Sozialpolitiker von starken Schultern reden, die mehr Last tragen können. Gerecht wäre es, wenn jeder, wie bei der Hausversicherung oder der Kraftfahrzeugversicherung, wählen könnte, was er für Leistungen haben möchte und dann ein individuelles Angebot bekäme, das nicht den Lohn als Grundlage hätte.

Ebenso ist es nicht in Ordnung, dass sich Lohnerhöhungen nach Prozenten berechnen. Bei einem Gutverdiener macht dies eine ganz andere Summe aus, als bei einem Geringverdiener. Ein Vorstand kann sich zudem an den erzielten Umsatzzielen erfreuen, die ihm seinen Grundlohn um den Betrag x, der sich in Prozent vom Umsatzziel errechnet, aufstocken. Um es klar zu sagen: Leistung muss sich für den Leistungsbereiten lohnen, es geht aber nicht an, dass der Unterschied zu einem ebenso Leistungsbereiten aus der unteren Unternehmensebene so massiv in realem Geld auseinanderfällt, schließlich sind alle Beteiligten gleichermaßen am Unternehmenserfolg beteiligt.

Um ein plastisches Bild zu bemühen: es wurde mittlerweile nachgewiesen, dass die Nieten der Titanic eine große Schuld am Untergang des Luxusliners hatten, da diese reihenweise durch den Stoß des Eisbergs zersprangen. Der Grund liegt im mangelhaften Rohmaterial, aus dem sie gefertigt wurden. Ergo sind die Antriebsmotoren nicht wichtiger, als der „Rest“ eines Schiffs. Vielmehr ist beides gleich wichtig, um sicher über den Ozean zu kommen. Dies gilt auch für Unternehmen, sollen diese nicht auf dem rauen Markt kentern.

Dass die Mitarbeiter ein unbezahlbar wertvolles Kapital sind, erkennen immer mehr Unternehmen. Genau diese Unternehmen stehen jedoch im Regen, wenn eine von irre gewordenen Bankern ausgelöste Krise ihre Existenz bedroht. Den Tätern wird per Staatshilfen geholfen, während Unternehmenslenker, die sich um ihre Beschäftigten verdient gemacht haben, für ihr in die Schieflage gekommenes Unternehmen Sterbehilfe erhalten.

Verwalter als Profiteure

Von der „Bezahlung nach Wert“ profitieren auch die Insolvenzverwalter untergegangener Unternehmen. Dies führt dann dazu, dass teilweise Millionensummen in die Taschen der Verwalter wandern und die Gläubiger sich mit einem nicht selten kümmerlichen Rest zufriedengeben müssen, was wiederum diese in wirtschaftliche Not stürzen kann und wiederum einem weiteren Insolvenzverwalter zum Vorteil gereichen könnte. Ein unhaltbarer Zustand, der, wie die zuvor geschilderten Fälle, nach Änderung ruft. Dass es auch anders geht, beweist das Land Österreich. Dort werden Verwalter nicht nach dem Wert des Unternehmens bezahlt, sondern erhalten ihre Vergütung aus dem durch die Verwertung erzielten Bruttoerlös, was dazu führt, dass die Gläubiger wesentlich mehr aus der Insolvenz bekommen, als dies nach dem Modell in Deutschland der Fall ist.

Das deutsche Recht führt nicht selten dazu, dass das Verfahren von den Insolvenzverwaltern als Selbstzweck missbraucht wird und alleine der eigene Vorteil im Vordergrund steht.

An den Trümmern gescheiterter Hoffnungen laben sich auch die Scheidungsanwälte. Warum um alles in der Welt muss hier ein ›Streitwert‹ zugrunde gelegt werden, um das Salär für den Anwalt zu berechnen? Auch hier gilt, dass feste Stundensätze zu gelten haben, die auch die Mehrarbeit des Anwalts erfassen. Viele Notverkäufe von Immobilien müssten nicht sein, wenn die Scheidungswilligen nicht irre Summen auf Anwalts Tisch legen müssten, um wieder ihres Weges zu gehen.

Goldgruben

Untergegangene Unternehmen oder Bauernhöfe, die dem Insolvenzrecht unterliegen, sind für die beauftragten Insolvenzverwalter eine Lizenz zum Gelddrucken, da diese ihren "Lohn in Prozent" vom Vermögenswert des Havaristen erhalten. Ein Millionensalär ist durchaus immer mal wieder drin, was angesichts mickriger Beträge für Gläubiger ein Skandal ist.

Die Gierigen

Besonders lebhaft wird das ›Bezahlen nach Prozent‹ bei Banken und Versicherungen gelebt. Wer eine Lebensversicherung abschließt oder ein Bankdarlehen aufnimmt, bezahlt eine Provision, die sich an der Höhe des „Vertragswerts“ orientiert. Eine Lebensversicherung bringt einem Makler etwa 2,5 Prozent Provision. Kein Wunder, dass „Berater“ versuchen, möglichst viele Verträge zu verkaufen und alle Hebel und Überredungskünste aktivieren, um wertmäßig möglichst hohe Beträge auf das Vertragspapier unterzubekommen. Das Wohl des Kunden steht nur mehr selten im Vordergrund des Handelns. Das System der ›Bezahlung nach Wert‹ outet sich als System, das den Wert einer Dienstleistung nicht widerspiegelt und zum Übervorteilen von Kunden einlädt.

Dies musste eine 86-jährige Kundin einer Bank feststellen, die ihr Vermögen langfristig und sicher anlegen wollte. Vom Bankberater wurden ihr dann Investmentzertifikate angedreht, die ihm hohe Provisionen und der alten Damen schlaflose Nächte brachten.

Selbst der Rettungsfonds Soffin hat mit den Tücken der Provision zu kämpfen. Externe Dienstleister stellten seit Ende 2008 insgesamt über 70 Millionen Euro für ihre Dienste in Rechnung. Kein Wunder, dass sich diese Berufsgruppe mit spitzen Ellenbogen um derartige Aufträge bemüht. Besonders die Anwaltskanzlei Mayer Brown gehört zu den Gewinnern des WestLB-Desasters. Über zehn Millionen Euro strichen die Anwälte bisher ein. Es wird wohl ein frommer Wunsch bleiben, dass das Provisionsgeschäft irgendwann verboten wird, schließlich sitzen die Interessenvertreter dieser Kreise selbst im Bundestag.

Aus dieser Runde erschallt dann lautstarkes Selbstlob, wenn es darum geht, die wundersame Steigerung der Staatseinnahmen zu erklären. Finanzminister Wolfgang Schäuble lässt dann verlauten, dass dies das Ergebnis einer weitsichtigen Politik ist, die Einsparungen mit Wachstumsimpulsen verknüpft hat. Die Wahrheit ist mitnichten bei den Regierungskünsten strebsamer Politiker zu suchen, sondern ist das Ergebnis einer katastrophalen Preissteigerung von Energie und Lebensmitteln. Über die Mehrwertsteuer wird hier über Gebühr abgezockt. Es werden also Unsummen aus den Taschen der Bürger gezogen, die das Lächeln des Finanzministers immer breiter werden lassen. Wer behauptet, dass Wachstumsimpulse den Steuermehreinnahmen-Effekt auslösen, lenkt von den Tatsachen ab, um nicht zugeben zu müssen, dass auch der Staat gar nicht mehr anders kann, als sich seine Steuern ›in Prozent‹ zu holen, um aus den Ruder gelaufen Ausgaben und Bankenrettungsprogramme zu finanzieren.

Da dieses System seinen eigenen Tod bereits in sich trägt und in nicht allzu ferner Zukunft scheitern wird, besteht die Chance, den Systemfehler beim Neuaufbau des Staatswesens zu korrigieren, um wenigstens nachfolgenden Generationen ein Leben ohne Abzockerei seitens der „in Prozent“-Profiteure zu ermöglichen.

 

War dieser Artikel für Sie hilfreich?

Bitte bewerten Sie diese Seite durch Klick auf die Symbole.

Zugriffe heute: 1 - gesamt: 4143.

Download

Diesen Artikel können Sie hier im PDF-Format [425 KB] herunterladen.