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3D-Druck revolutioniert die Ersatzteilversorgung

Additive Manufacturing auf der METAV 2016

Zusammen mit der METAV findet am 24. und 25. Februar 2016 auf dem Düsseldorfer Messegelände die Fachkonferenz „Inside 3D Printing“ statt. Sie bietet ein breites Vortragsspektrum zur additiven Fertigung mit Metallen und Kunststoffkomponenten.


Die auch als Schichtbauverfahren bezeichnete Technologie scheint für die Ersatzteilversorgung und die Teilefertigung nach Bedarf geradezu prädestiniert, denn Ersatzteile langlebiger Industriegüter werden oft im Voraus auf Lager produziert. Mittels additiver Methoden sollen sich benötigte Komponenten schnell und flexibel in beliebiger Geometrie einfach ausdrucken lassen, so die Zukunftsvision der Experten.

Von 3D-Druck profitiert die ganze Wertschöpfungskette

Ulli Klenk, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im VDMA und im Hauptberuf General Manager Competence Center Additive Manufacturing in der Digital Factory Division der Siemens AG in Erlangen ist überzeugt: „Additive Manufacturing (AM) bietet Unternehmen völlig neue Möglichkeiten und Chancen in Bezug auf Effizienz, Geschwindigkeit und Flexibilität. Die gesamte Wertschöpfungskette im Unternehmen profitiert von diesen Vorteilen: Das umfasst neben der Entwicklung und Fertigung vor allem die Ersatzteilversorgung und den Service.“

Unternehmen können so nicht nur Prototypen, sondern individualisierte Produkte und Ersatzteile schnell herstellen. Das ist auch wirtschaftlich eine äußerst interessante Perspektive: Ersatzteile oder Komponenten werden erst bei Bedarf und möglichst nah am Ort der Nutzung produziert. Lager- und Versandkosten entfallen ebenso wie Lieferzeiten. Der notwendige administrative Aufwand wird auf ein Minimum reduziert. Dennoch ist Additive Manufacturing trotz der großen medialen Wahrnehmung ein Nischenthema, so Klenk.

Eine zentrale Herausforderung für die Realisierung sind die Materialien. Grundsätzlich lassen sich mit den heute etablierten 3D-Druckverfahren Teile aus unterschiedlichsten Materialien wie Metallen, Polymeren oder Keramik herstellen. Erste additiv gefertigte Bauteile werden inzwischen beispielsweise in Bussen oder Flugzeugturbinen eingesetzt.

Auch die ersten praktischen Anwendungen von 3D-Druck für Ersatzteile sind positiv verlaufen. Ein Beispiel sind Fahrer-Armlehnen für einen Triebwagen der Siemens AG. Die Erfahrungen zeigen, dass sich ursprüngliche Entwürfe der Komponenten im 3D-Druck nachträglich noch optimieren oder individualisieren lassen. Der Verzicht auf Werkzeuge und Formen ermöglicht ganz neue Konstruktionsweisen. Damit lassen sich beispielsweise stabilere und leichtere Bauteile fertigen. Auch kundenspezifische Anpassungen sind schnell und einfach umsetzbar.

Voraussetzung für den Druck von Ersatzteilen ist, dass die 3D-Druckdaten in einem für 3D-Druckmaschinen lesbaren Format vorliegen. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Ulli Klenk: „Daten müssen zuvor erstellt und geprüft werden, was mit manueller Entwicklerarbeit verbunden ist. Dieser erstmalige Prozess kann leicht mehrere Wochen dauern. Liegen die Daten vor, können diese per Datenverbindung an die herstellende Maschine übermittelt werden.“ Das heute dafür meist eingesetzte STL-Datenformat biete allerdings keinen konkreten Kopierschutz. Teile können theoretisch beliebig oft hergestellt werden, ohne dass der Urheber der Datei davon erfährt. Künftige Verfahren machen es erforderlich, dass der Urheber der Daten auch die Kontrolle darüber behält, „an welchen Maschinen, bei welchem Hersteller zu welcher Zeit welches Teil wie oft und mit welchem Material hergestellt wurde“.

Wenn 3D-Druck für Ersatzteile grundsätzlich machbar ist, stellt sich die Frage, inwieweit sich die Ersatzteilfertigung dorthin verlagern lässt, wo die Ersatzteile benötigt werden. Wichtige Voraussetzung, so Klenk, „dass ein Teil an verschiedenen Orten und Maschinen in gleichbleibender Qualität herstellbar ist, ist die Industrialisierung der gesamten 3D-Druck-Herstellungskette“.

Die erforderlichen Fertigungsverfahren müssen beherrscht werden und Standards sicherstellen, dass die erforderliche Qualität zuverlässig produziert wird. Solch eine Standardisierung setzt eine hohe Prozesssicherheit und umfangreiche Möglichkeiten zur Prozesskontrolle und Qualitätssicherung – verbunden mit einem hohen Automatisierungsgrad der gesamten Prozesskette – voraus. Diese Punkte, fasst AM-Experte Klenk zusammen, „sind heute erst in Ansätzen realisiert“. Und er wird noch deutlicher: „Die industrielle Herstellung von Ersatzteilen auf weltweit verteilten Maschinen ist ein klares Ziel vieler Industrieunternehmen, aber derzeit noch nicht Stand der Technik.“

Ersatzteilproduktion nur ein Zwischenschritt?

Intensiv geforscht wird indes u.a. im EU-Projekt Repair, das Dr. Eric Klemp, Geschäftsführer des Direct Manufacturing Research Center (DMRC) der Universität Paderborn und Programmverantwortlicher der Fachkonferenz Inside 3D Printing auf der METAV 2016 vorstellen wird. Er erläutert die Problematik aus Sicht dieses Projekts: „In Repair stellt die Produktion von Ersatzteilen nur einen Zwischenschritt dar. Ziel ist, Bauteile zu reparieren und damit möglichst viel Material eines defekten Bauteils weiterzuverwenden.“

Vereinfacht muss also ein Defekt erkannt, das Bauteil für die Verwendung eines 3D Druck-Verfahrens vorbereitet, schichtweise die ursprüngliche Geometrie wiederhergestellt und die Oberfläche abschließend nachbearbeitet werden. Dies wird einerseits mittels Selective Laser Melting (SLM), andererseits mittels integrierten Laserauftragsschweißens möglich sein. Klemp: „Wir arbeiten im Projekt mit verschiedenen metallischen Legierungen. Diesen Schwerpunkt haben wir uns selbst gesetzt. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass als Voraussetzung für die Zertifizierung der Bauteile die ursprünglichen Materialien in der Reparatur verwendet werden müssen.“

Erfordern neue Arten der Ersatzteilbeschaffung nicht völlig neue Dienstleistungsideen bzw. ein neues effektives Ersatzteilmanagement? Dazu sagt Dr. Jens Pottebaum, Akademischer Oberingenieur an den Lehrstühlen Computeranwendung und Integration in Konstruktion und Planung (C.I.K.) sowie am DMRC der Universität Paderborn: „3D-Druck wird auch insbesondere in der Instandhaltung für Veränderungen sorgen. Allerdings müssen die Randbedingungen beachtet werden: Die Veränderungen werden wohl nicht ganz so beeindruckend ausfallen, wie es der aktuelle Hype erscheinen lässt.“


Die Möglichkeit der Reparatur ist auch heute gegeben, allerdings wird mit dem 3D-Druck das Spektrum deutlich erweitert. In diesem Schritt sei technologisch sogar die Optimierung eines Bauteils im Rahmen der Reparatur möglich: „Wir arbeiten im Projekt auf eine Vision der bedarfsgesteuerten Reparatur hin, die durch eine Versagensprognose in der Luft gestartet und am Boden umgesetzt wird. Realistisch müssen hier Bauraten und wirtschaftliche Aspekte einbezogen werden, so dass da Lagerhaltung natürlich nicht vollständig verdrängt wird.“

Wie das in der Praxis funktionieren kann, erläutert DMRC-Geschäftsführer Klemp: „Da wir uns in Repair mit der Reparatur von Flugzeug-Bauteilen beschäftigen, erlauben hier die regulatorischen Randbedingungen nur wenig Spielraum. ‚Einfach mal schnell selbst ausdrucken‘ ist kaum mit Anforderungen bezüglich der Qualifizierung und Zertifizierung von Prozessen und Bauteilen in Einklang zu bringen. In anderen Bereichen gehen wir davon aus, dass sowohl bestehende Geschäftsmodelle gestärkt, aber auch neue im Bereich technikbasierter Dienstleistungen geschaffen werden.“

Der Herausforderung, im Reparaturfall die erforderlichen 3D-CAD-Daten des defekten Teils schnell und effektiv zu erzeugen, sagt Pottebaum, „stellt sich unser Projektpartner Avantys Engineering GmbH & Co. KG in Bad Lippspringe. Aus dem Vergleich eines im 3D-Scan analysierten defekten Bauteils und den original CAD-Daten wird der Defekt errechnet und die neu zu erstellenden Schichten erzeugt, die dann mittels 3D-Druck gefertigt werden können.“ Für einfache Defekte sei das durch die Integration bestehender Komponenten möglich. Für komplexe Bauteile oder Defekte – beispielsweise Torsion in einem Bauteil – „ist dies teilweise nur durch Interaktion zwischen Mensch und Maschine möglich“.

Geforscht wird anhand verschiedener Fallstudien. Realisiertes Praxisbeispiel ist eine Halterung, die mittels verschiedener Verfahren erzeugt und für diese Verfahren optimiert wurde. Eric Klemp: „So können wir die Reparatur existierender Bauteile demonstrieren, aber auch in der Annahme, dass in Zukunft ganz selbstverständlich auch 3D-gedruckte Bauteile verbaut sind, den Reparaturprozess hinsichtlich derartiger Szenarien untersuchen.“

Auf der METAV 2016, verdeutlicht Jens Pottebaum, „werden wir Fallstudien zeigen können, die wir im Verbund bearbeitet haben. Gemeinsam mit Partnern wie SLM Solutions aus Lübeck freuen wir uns auf die Demonstration der technischen Lösungen. Gerne zeigen wir beispielsweise auch unterstützende Komponenten wie ein Entscheidungsunterstützungssystem, das bei der Entscheidung über ein geeignetes Reparaturverfahren hilft. Für uns startet die METAV-Woche übrigens in Paderborn: Am 23. Februar werden wir dort die Repair-Lösungen in einem öffentlichen Workshop direkt an den Maschinen präsentieren.“

Organisation besser in Dienstleisterhände

Das Entstehen neuer Geschäftsfelder prognostiziert Stefan Ritt, Head of Global Marketing and Communications der SLM Solutions GmbH: „Die Organisation der Logistik von Ersatzteilen muss neu gedacht werden. Eine On-demand-Produktion der Teile kann sicher besser in Dienstleisterhände gegeben werden, um wirtschaftlich zu sein.“

Die praktische Vorgehensweise im Reparaturfall erläutert Ritt so: „Die CAD-Daten sind heute in 99 Prozent der Fälle in den Konstruktionsabteilungen verfügbar und werden über das Internet an den 3D-Drucker übertragen. Im Zwischenschritt finden noch Software-Umwand-lungsprozesse der Daten statt, aber das ändert das Prinzip nicht. In den sehr seltenen Fällen, wo nur noch Papierzeichnungen vorhanden sind, kann das Altteil eingescannt werden, um die CAD-Daten zu erzeugen.“

Auf der MEATAV 2016 wird SLM Multilaser-Anlagen im Echtbetrieb präsentieren, darunter die „mit 4 x 700 W Simultanleistung schnellste und produktivste Anlage im Markt – bei gleichzeitig geringster Baugröße in diesem Segment. Das wird sicher sehr positiv vom Besucher aufgenommen werden. An Praxisbauteilen werden wir den Besuchern die Leistungsfähigkeit und Komplexität der Technologie näher bringen. Wir rechnen hier mit großem Interesse der metallverarbeitenden Betriebe und Kunden“.

 

Mehr Informationen zum VDMA:

Kontakt  Herstellerinfo 
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.
Lyoner Strasse 18
60528 Frankfurt/Main
Postfach 71 08 64, 60498 Frankfurt/Main
Telefon +49 69 6603 0
Fax +49 69 6603-1511
E-Mail: Kommunikation@vdma.org
www.vdma.org
 

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