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Wärmeverlust war gestern

Perfekte Voraussetzungen für Wärmerückgewinnung

Mit Kompressoren und ER-Wärmerückgewinnungs-Modulen von Atlas Copco hat die Thyssen-Krupp Presta Schönebeck GmbH, gemeinsam mit der Magdeburger Dr. Weigel Anlagenbau GmbH, ihre komplette Druckluftversorgung optimiert. Bei dem Konzept kann die Verdichtungswärme fast vollständig in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden.

„Wir haben hier perfekte Voraussetzungen für die Wärmerückgewinnung ̶ und wo sie noch nicht perfekt waren, haben wir sie perfekt gemacht“, erklärt Olaf Naupert, verantwortlich für das Energiemanagement der Thyssen-Krupp Presta Schönebeck GmbH. Zu den perfekten Voraussetzungen gehört bei dem Automobilzulieferer ein großer ganzjähriger Bedarf an Prozesswärme. Den gibt es allerdings erst seit 2009, als sich Naupert entschloss, die Waschmaschinen für die Reinigung der produzierten Metallteile sukzessive von elektrischer Beheizung auf Fernwärme umzustellen. „Ich habe mir die Frage gestellt, warum ich für 15,368 Cent pro Kilowattstunde elektrisch heizen soll, wenn ich für 9,5 Cent pro Kilowattstunde Fernwärme benutzen kann“, erinnert sich der Automatisierungstechniker. „Später kam die Idee dazu, die 9,5 Cent weiter zu reduzieren und Wärme selbst zu erzeugen.“

Im Schönebecker Werk fertigen mehr als 700 Mitarbeiter elektromechanische und hydraulische Lenkgetriebe für die Automobilindustrie. Die Einzelteile, wie Ritzel, Steuerbuchsen, Drehschieber, Zahnstangen oder Kugelmuttern, werden im Werk gedreht, gefräst, geschliffen, gehärtet und gereinigt. Sowohl für diese Fertigungsprozesse als auch für die anschließende Montage sind große Mengen an Druckluft erforderlich. Zwischen 400 und 1200 Liter pro Sekunde werden mit insgesamt zwölf öleingespritzten GA-Schraubenkompressoren von Atlas Copco erzeugt.

Diese liegen im Leistungsbereich von 30 bis 90 Kilowatt (kW); drei arbeiten mit variabler Drehzahl (erkennbar am Kürzel VSD, Variable Speed Drive). Das Dutzend verteilt sich auf drei Kompressorenstationen und speist die Druckluft in ein gemeinsames Netz. „Ich steuere die Anlage mit vier verschiedenen Druckbändern zwischen 5,7 und 6,3 bar“, erklärt Naupert. „Normalerweise fahren wir mit 6,3 bar. Wenn das Werk im Energieverbrauch aber in eine Spitze läuft, kann ich den Druck vollautomatisiert reduzieren. Das ist eine der Maßnahmen, mit denen wir die Stromspitzen abfedern, denn ich muss ja im Prinzip meine höchste Monatsleistung bezahlen.“

Netzvereinigung mit übergeordneter Steuerung spart 70.000 Euro im Jahr

Dass die Druckluft im Werk heute hocheffizient und sicher bereitgestellt wird, war jedoch kein Selbstläufer. „In unserer Druckluftversorgung steckt jede Menge Arbeit“, berichtet Naupert. „Im Oktober 2012 haben wir hier eine Fusion erlebt. Vorher gab es zwei Firmen auf dem Werksgelände: die Thyssen-Krupp Presta SteerTec Schönebeck GmbH und die BMB Steering Innovation GmbH.“ Zu diesem Zeitpunkt speisten zwölf Kompressoren in drei Netze, auf denen ungefähr der gleiche Betriebsdruck lag. Eine übergeordnete Steuerung war nicht vorhanden. „Im Moment der Fusion stand die Frage im Raum, ob wir in die Drucklufterzeugung investieren oder eher die Netze vereinigen“, beschreibt Naupert die damalige Diskussion. „Denn das eine Netz war wunderbar ausgebaut, hatte aber zu wenig Erzeugungsenergie. Das zweite Netz hatte wahnsinnig viel Erzeugungsenergie, aber zu kleine Leitungsquerschnitte.“

Aus dieser Situation heraus sei das erste große Projekt mit der Magdeburger Dr. Weigel Anlagenbau GmbH (WAB) entstanden, einem inzwischen langjährigen Partner der Schönebecker und Vertragshändler von Atlas Copco. „Wir haben für die Netzvereinigung etwa 30.000 Euro ausgegeben, hauptsächlich für Rohrleitungen“, rechnet Naupert. „Durch den bedarfsgerechten Ausbau der Leitungen, die Installation einer übergeordneten Steuerung ES 16 durch die WAB und die Einflussnahme auf die Druckbänder sparen wir aber auch gigantische Energiemengen ein, nämlich über 460000 Kilowattstunden oder 70.000 Euro pro Jahr.“

Dazu addieren sich seit Herbst 2014 die Einsparungen durch die Wärmerückgewinnung. Zurzeit sind im Werk sieben Waschmaschinen und eine große Hallenlüftung ans Fernwärme-Abwärme-Netz angeschlossen. Zehn weitere Waschmaschinen sollen bis Anfang 2016 folgen. „Unser Temperaturniveau in den Bädern beträgt 60 Grad Celsius, und diese Temperatur kann ich auch mit Fernwärme erzeugen“, beschreibt Naupert die Voraussetzung für die Umstellung. „Die elektrische Heizspirale im Becken muss nur durch eine hydraulische ausgetauscht werden.“ Der Aufwand sei gering: In der Regel reichten 8000 Euro pro Maschine, die sich von allein gegenfinanzieren. „Pro Kilowattstunde erspart uns die Umrüstung von Elektro auf Fernwärme 6 Cent, die Wärmerückgewinnung im Schnitt weitere 2 bis 3,5 Cent.“

Amortisation in weniger als sechs Monaten

Dass die Waschmaschinen heute mit einem preiswerten Gemisch aus Fern- und Abwärme betrieben werden können, hat Olaf Naupert einem Impuls der Dr. Weigel Anlagenbau zu verdanken. Denn diese suchte im Herbst 2013 ein Thema für die Diplomarbeit des Studenten Mathias Bahrs, der heute als Projektingenieur die Integration der Wärmerückgewinnung begleitet. Das Thema lautete „Verschiedene Möglichkeiten der Energierückgewinnung bei öleingespritzten Druckluftanlagen“. „Neben der Wärmerückgewinnung haben wir beispielsweise auch darüber nachgedacht, ob man über Absorptionskälteanlagen Kälte oder über bestimmte Leiterplatten Strom erzeugen kann“, berichtet Bahrs. Die Wärme zurückzugewinnen und zur Beheizung der Waschanlagen zu nutzen, habe sich als einzige sinnvolle Maßnahme herausgestellt. „Die Erzeugung von Kälte wäre auch möglich gewesen, hätte aber 13 Jahre gebraucht, um sich zu amortisieren.“

Viel zu lang für die Firmenleitung. „Als Energiemanager in unserem Konzern darf ich mich nur mit Projekten befassen, die sich schnell finanzieren“, erklärt Naupert. Insofern sei von den Vorschlägen nur die Wärmerückgewinnung praxistauglich gewesen. Wie sehr, beweise jetzt der erste von drei Projektabschnitten, der im September 2014 umgesetzt wurde. „Wir haben am 10. September an den ersten vier Kompressoren die Wärmerückgewinnung in Betrieb genommen“, berichtet Naupert. „Die Gesamtkosten dafür lagen ohne Eigenleistung bei 36.500 Euro, und am 20. Februar war der Stichtag für die Amortisation.“ „Hier hat alles gepasst“, ergänzt Mathias Bahrs. „Der kontinuierliche Bedarf war da, die Wärmemenge hat gestimmt. Und perfekterweise liegen Fernwärmeversorgung und Kompressoren direkt nebeneinander.“

Fernwärmeverbrauch sinkt um 25 Prozent

Im ersten Projektabschnitt hat die WAB zwei GA-30-FF-Kompressoren – beide mit fester Drehzahl – sowie einen drehzahlgeregelten GA 30 VSD FF jeweils mit einer Energierückgewinnungseinheit ER-S1 von Atlas Copco ausgestattet. Ein vierter GA 55 liefert seine Abwärme über ein größeres ER-S2-Modul an die Heizungsanlage des Unternehmens. „Wir führen den Rücklauf des Heizungswassers zunächst durch die zur Verfügung stehenden Wärmerückgewinnungsanlagen“, erklärt Naupert. „Dafür ist im Ölkreislauf des Kompressors ein Temperaturfühler eingebaut, der ermittelt, ob das Öl wärmer ist als der Heizungsrücklauf. Ist das der Fall, öffnet sich ein Ventil, und eine Pumpe fördert das rücklaufende Heizungswasser durch den Wärmetauscher des ER-Aggregats. Das vorgewärmte Wasser durchläuft anschließend den Wärmetauscher der Stadtwerke, wo über ein weiteres Ventil die noch fehlende Menge an Fernwärme zugeführt wird.“

Den zweiten Projektabschnitt haben Naupert und Bahrs pünktlich zu Weihnachten fertiggestellt. Zwei GA-90-FF-Kompressoren wurden mit einer integrierten Wärmerückgewinnung ausgerüstet und in der oben beschriebenen Weise an den Heizungsrücklauf angeschlossen. „Das System entspricht im Grunde dem der externen ER-Module“, erklärt Bahrs, „ist aber so konstruiert, dass es nachträglich in den Kompressor eingebaut werden kann.“ Projektabschnitt 3 wurde im ersten Quartal 2015 abgeschlossen – wiederum mit drei ER-S2-Einheiten, die die Abwärme aus drei GA 55 FF nutzbar machen.

Wie viel der benötigten Wärme in Zukunft über die Wärmerückgewinnung zur Verfügung gestellt wird, lässt sich laut Naupert nicht pauschal sagen. „Das ist in jedem Monat anders, denn diese Zahlen hängen von der Außentemperatur ab“, erklärt der Energiemanager. „Aber übers Jahr gesehen erzeugen wir jetzt 25 Prozent der Wärme selbst.“

 

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