Maschinenbau in Lauerstellung
Rede von VDMA-Präsident Dr. Reinhold Festge
Guten Morgen meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie zur Jahrespressekonferenz des VDMA in Frankfurt am Main. Wir haben ein straffes Programm. Ich beginne deshalb direkt mit dem Rückblick 2013
Mein Vorgänger im Präsidentenamt Dr. Lindner hatte es bereits im Oktober in Stuttgart gesagt: Unsere Hoffnungen auf ein – wenn auch kleines – Wachstum mussten wir im Sommer begraben. Folgerichtig hatten wir die Prognose von real plus zwei auf minus ein Prozent revidiert. In der nominalen Betrachtung läuft das auf eine Stagnation hinaus. Heute kann ich Ihnen sagen, dass wir mit dieser Einschätzung offenbar richtig lagen. Die Produktion dürfte mit einem Volumen von 195 Milliarden Euro ziemlich genau auf Vorjahresniveau liegen. Gleiches gilt für den Umsatz mit einem Wert von ungefähr 207 Milliarden Euro.
Bei der Zahl der Beschäftigten können wir dagegen ein Plus vermelden. Wir kalkulieren mit rund 988.000 Personen zur Jahreswende. Das sind 10.000 Beschäftigte mehr als im Dezember 2012. Hier spielt sicher ein statistischer Effekt mit eine Rolle. Der hohe Beschäftigtenstand ist aber auch ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Maschinenbauunternehmer in einem eher turbulenten Marktumfeld ihre Verantwortung für die Mitarbeiter und für den heimischen Standort ernst nehmen und optimistisch in die Zukunft blicken.
Die Tatsache, dass wir im internationalen, mehr noch im europäischen Vergleich, gut da stehen, darf aber nicht davon ablenken, dass wir uns dieses Standing 2013 wieder einmal hart erkämpfen mussten. Die Weltkonjunktur blieb deutlich hinter den ursprünglich aufgestellten Prognosen zurück. Insbesondere die BRIC-Staaten blieben weit hinter den Erwartungen. Das bekam die deutsche Maschinenbauindustrie zu spüren: In den ersten neun Monaten des Jahres verfehlten die Exporte ihr Vorjahresniveau preisbereinigt um 2,6 Prozent. Das entspricht einem nominalen Rückgang in Höhe von 1,5 Prozent. In allen großen Absatzregionen, von Asien bis Australien, mussten wir Einbußen hinnehmen. Nur in Afrika und Mittelamerika konnten wir mit einem Plus von 17 bzw. acht Prozent nennenswerte Zuwächse erzielen. Vergleichsweise gut verliefen außerdem unsere Geschäfte im „Sonstigen Europa„ (+ 0,1 Prozent). Weitere Exportdaten finden Sie in Ihrer Pressemappe.
Meine Damen und Herren,
ich komme zum Ausblick auf 2014. An unserer Prognose von plus drei Prozent für die reale Produktion von Maschinen halten wir fest. Aus den einzelnen Absatzregionen erwarten wir durchaus unterschiedlich starke Wachstumsbeiträge: Den klassischen Industrieländern kommt wieder eine wichtigere Rolle im Erholungsprozess zu. Die Entwicklungs- und Schwellenländer werden zwar weiter vergleichsweise höhere Zuwachsraten beim BIP aufweisen. Teils massive strukturelle Probleme beschränken aber deren wirtschaftliche Expansion. Daher erwarten wir von diesen Ländern nur einen begrenzten Wachstumsbeitrag.
Das gilt auch für die VR China. Der bewusst von der neuen chinesischen Führung herbeigeführte strukturelle Wandel der chinesischen Wirtschaft kostet Wachstumsdynamik. Was nicht heißen soll, dass unsere Industrie in China ohne Chancen ist.
Die chinesischen Bemühungen um Qualitäts- und Produktivitätssteigerungen bergen gerade für unsere Produkte große Absatzpotentiale. Dennoch: Der Schlüssel für das Wachstum des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus liegt 2014 in den etablierten Märkten, und hier vor allem in Europa. Die Euro-Zone hat die Rezession überwunden, die Frühindikatoren stimmen optimistisch. Die Staatsschuldenkrise ist damit zwar noch nicht überwunden. Die EZB greift den hoch verschuldeten Staaten weiter kräftig unter die Arme. Ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone gilt – anders als noch 2012 – als unwahrscheinlich. Es gibt zudem, bei aller Kritik am Reformwillen und Reformtempo, strukturelle Fortschritte in vielen Krisenländern und konjunkturell dürfte es, wenn auch moderat, bergauf gehen.
Das gilt auch für Deutschland. Alle uns bekannten Prognosen gehen für 2014 von einem BIP-Wachstum von knapp zwei Prozent aus.
Einig sind sich die Prognostiker zudem darin, dass wesentliche Wachstumsimpulse von den Investitionen kommen. Das ist mehr als wünschenswert. Bei einem Zuwachs von fünf Prozent wäre 2014 noch nicht einmal das Niveau des Jahres 2011 erreicht.
Es ist unstrittig, dass in Deutschland wieder mehr investiert werden muss. Und zwar nicht nur in Straßen und Brücken, sondern eben auch in Maschinen und Anlagen, in Forschung und Entwicklung, in Bildung und Ausbildung. Denn nur so bleibt Deutschland auch künftig ein wichtiger, unverzichtbarer und damit erfolgreicher Bestandteil nationaler und globaler Wertschöpfungsketten. Viele Unternehmen wollen, so unser Eindruck, verstärkt im Ausland investieren. Volumenstarke Märkte, stärker auf den jeweiligen Markt zugeschnittene Produkte sowie teils erhebliche Kostenvorteile, zum Beispiel für Energie, sind schlagkräftige Argumente.
Meine Damen und Herren,
positiv für die deutsche Maschinenbauindustrie ist die Tatsache, dass wir auch für 2014 mit einem weiteren moderaten Zuwachs bei den Beschäftigten in der Größenordnung von 2.000 bis 5.000 Personen rechnen. Wir würden dann Ende Dezember 2014 bei einem Beschäftigtenstand zwischen 990.000 und 993.000 Personen liegen. Aus heutiger Sicht ist eine auf den Punkt gebrachte Beschäftigtenschätzung schwierig, da eine solche Prognose auch stark von den Erwartungen der Unternehmen für 2015 abhängt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir die Marke von einer Million Beschäftigten überschreiten.
Wenn der Maschinenbau auch in Zukunft erfolgreich sein soll, wenn wir in Zukunft in Deutschland investieren sollen, dann geht unsere ganz klare Forderung an die Politik, für stabile Wachstums- und Investitionsbedingungen zu sorgen. Das Vertrauen der Industrie in die politischen Entscheidungen hat im Wahlkampf aber mehr als gelitten.
Damit komme ich zur Politik.
Wie Sie wissen, hatte sich der VDMA direkt nach der Wahl für eine große Koalition ausgesprochen. Sie war und ist in Anbetracht des Wahlkampfes und des Wahlausgangs die politisch wahrscheinlich stabilste Lösung. Sie birgt große Chancen, aber nicht minder auch große Risiken. Der Kanzlerin und ihrem neuen Kabinett wünschen wir gutes Gelingen.
Denn wir verknüpfen mit ihrer Regierung vor allem die Hoffnung, dass sie in den nächsten vier Jahren für verlässliche und unternehmensfreundliche politische Verhältnisse sorgen wird. Die deutsche Maschinenbauindustrie – als größter industrieller Arbeitgeber – steht dabei als Gesprächspartner selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Ob die neue Bundesregierung „Deutschlands Zukunft gestalten„ wird, wie der ehrgeizige Titel des Koalitionsvertrages lautet, muss aber vorerst mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Eines ist leider jetzt schon sicher: Ein klares Signal für mehr Investitionen und damit für mehr Wachstum und Beschäftigung geht von diesem Vertrag nicht aus. Im Gegenteil: Es werden munter soziale Wahlversprechen erfüllt. Bei den Milliarden für die Rente ab 63 und die Mütterrente bleibt wenig Geld für Investitionen übrig. Hinzu kommt, dass die heute zugesagten neuen Ausgaben in Zukunft noch steigen werden. Dies wird die Rentenkassen ganz erheblich belasten und zu höheren Lohnnebenkosten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen. Das verteuert letztlich die Arbeit, gefährdet damit Beschäftigung und führt so wiederum zu Steuerausfällen und höheren Sozialausgaben.
Eine dauerhaft tragfähige Finanzierung aus der Rentenversicherung ist zudem fraglich. Kein Wunder also, dass letzte Woche der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, schwerste Bedenken geäußert hat, an der über-optimistischen Rechnung von Finanzminister Schäuble.
Davon einmal ganz abgesehen, dass diese Rechnung sowieso nur für diese Legislaturperiode gilt, während die Verbindlichkeiten praktisch unbegrenzt laufen. Hier vermissen wir kluges Abwägen der zukünftigen Risiken. Das bedeutet für uns: Steuererhöhungen oder neue Schulden sind auf mittlere Sicht nicht auszuschließen. Insbesondere, wenn sich die Wirtschaft nicht so positiv entwickelt, wie von der Koalition eingeplant.
Und das ist durchaus fraglich. Denn die Politik betrachtet den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Unternehmen als Selbstverständlichkeit.
Dass wir im europäischen Vergleich relativ gut dastehen, scheint die Akteure zu Übermut und Leichtsinn zu verleiten. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Reformen, die vor zehn Jahren mühsam errungen wurden und die sich sowohl politisch als auch ökonomisch bewährt haben, binnen weniger Wochen von den neuen Koalitionspartnern zur Disposition gestellt werden.
Im Gegenteil: Wir dürfen die Agenda 2010 nicht zurückdrehen, sondern brauchen eine neue Agenda 2020, um unsere Zukunftsfähigkeit zu sichern! Gerade jetzt, wo es uns anscheinend „zu gut„ geht.
Die Politik muss den Unternehmen grundsätzlich mehr Freiraum geben, vor allem um mehr in die eigene Wettbewerbsfähigkeit investieren zu können. Das wäre für mich echte Zukunftsvorsorge. Der VDMA hält deshalb an seiner Forderung nach Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung fest, auch wenn sie nicht im Koalitionsvertrag steht.
Das Gleiche gilt für die unbefristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung. Dadurch würde die Liquidität der Unternehmen verbessert und Deutschland insgesamt als Investitionsstandort attraktiver.
Das Bekenntnis von Union und SPD zu einer Erbschaftsteuer, die den Generationenwechsel in den Unternehmen und damit die Arbeitsplätze schützt, entspricht der Forderung des VDMA.
Für die vielfach inhabergeführten Familienunternehmen der mittelständischen Investitionsgüterindustrie darf es zu keinen spürbaren Steuermehrbelastungen des betrieblich gebundenen Vermögens kommen. Bei der Umsetzung des zu erwartenden Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Erbschaftsteuer wird sich die große Koalition an ihrem Versprechen messen lassen müssen.
Auch im Hinblick auf den Arbeitsmarkt fehlt es an einem klaren Bekenntnis zur Fortführung und Weiterentwicklung der Agenda 2010. Gesetzliche Mindestlöhne, gesetzliche Reglementierung der Zeitarbeit, gesetzliche Ansprüche für die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeitarbeit, gesetzlich verordnete Frauenquoten – um nur einige der rückwärtsgewandten Bestrebungen zu nennen – geben deutlich die – falsche! – Richtung vor.
Selbst wenn die angekündigten staatlichen Eingriffe zum Teil schwächer ausfallen als man zwischenzeitlich befürchten musste, so setzen Union und SPD dennoch erkennbar auf ein „Mehr„ an Regulierung statt auf eine Ausweitung der Flexibilisierung. Das ist eindeutig die falsche Richtung.
Die Politik will nicht begreifen, dass ein flexibler Arbeitsmarkt in einer globalisierten Welt zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für die Unternehmen geworden ist. Gleichzeitig hat diese Flexibilität für den eigentlichen sozialen Erfolg der letzten Jahre gesorgt: Nämlich für den Abbau der Arbeitslosigkeit und für den Weg in Richtung Rekordbeschäftigung.
Was Deutschland Investoren wert ist, wird in den nächsten Jahren auch von den Fortschritten auf dem Energiesektor abhängen. Denn Investitionsentscheidungen sind Standortentscheidungen.
Die Energiewende sollte das zentrale Projekt der letzten Legislaturperiode werden, doch die entscheidenden Weichen für eine erfolgreiche Umsetzung wurden in den vergangenen vier Jahren nicht gestellt.
Daher sind unsere Erwartungen an Union und SPD gerade beim Thema „Energiewende„ groß gewesen. Doch der Blick in den Koalitionsvertrag bietet nur ein vages Programm. Der große Wurf blieb aus. An drei Punkten möchte ich Ihnen dies verdeutlichen: Erstens das Thema Strommarktdesign. Die Energiewende stellt neue Anforderungen an die Marktregeln. Viele Vorschläge, auch vom VDMA, liegen inzwischen auf dem Tisch. Es muss ein Strommarktdesign geschaffen werden, das zusätzlich zur Leipziger Strombörse den Handel gesicherter Leistung und neuer Flexibilitätsprodukte ermöglicht. Doch hierzu wird im Koalitionsvertrag nichts wirklich Neues festgehalten.
Zweitens der Ausbau Erneuerbarer Energien: Positiv ist, dass die Direktvermarktung schrittweise eingeführt wird. Positiv ist auch, dass die Große Koalition das EEG bis Ostern reformieren und dabei technologiespezifische Ausbaukorridore für erneuerbare Energien definieren möchte.
Leider sind die Ausbaukorridore, gemessen an den Zielen der Energiewende, wenig ambitioniert.
Drittens das Thema Energieeffizienz: Hier fällt der Koalitionsvertrag weit hinter unsere Erwartungen zurück. Die wenigen Maßnahmen, die den Rotstift überlebten, sind abhängig vom finanziellen Spielraum im Rahmen des Bundeshaushaltes. So wird die Energieeffizienz keinen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten können.
Wir Maschinenbauer nehmen die Energiewende als Herausforderung und als Chance an. Wir fordern aber von der Politik nun schnelle und verlässliche Entscheidungen. Fakt ist, dass dringender Handlungsbedarf besteht, die System- und Kosten-Effizienz der Energiewende wieder stärker in den Vordergrund zu stellen und einen weiteren unkontrollierten Kostenanstieg zu verhindern ohne die Energiewende dabei auszubremsen.
Entscheidend für den Erfolg sind berechenbare und über Legislaturperioden hinaus geltende verlässliche Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, neue Wertschöpfungsketten aufzubauen und bestehende nicht zu zerstören.
Die Gefahr ist allerdings groß, dass in dieser Legislaturperiode wieder viel Zeit verloren wird, um die Energiewende auf Kurs zu bringen. Dies verteuert die Energiewende für Wirtschaft sowie Verbraucher unnötig und setzt zudem den internationalen Ruf deutscher Ingenieurskunst aufs Spiel. Für den exportorientierten Maschinen- und Anlagenbau wäre dies verheerend.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Mehr Informationen zum VDMA:
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. | |
Lyoner Strasse 18 | |
60528 Frankfurt/Main | |
Postfach 71 08 64, 60498 Frankfurt/Main | |
Telefon +49 69 6603 0 | |
Fax +49 69 6603-1511 | |
E-Mail: Kommunikation@vdma.org | |
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