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Deutsche Gesetze kommen Schuldnern entgegen

Gläubiger gucken in die Röhre

Von Wilhelm Busch stammt das Gedicht: „Wer eine Erbschaft übernommen, hat für die Schulden aufzukommen, denn nicht umsonst ist der Genuss…“ Genau so hat es der Gesetzgeber auch geregelt. Es gilt das Prinzip „ganz oder gar nicht“. Eine freie Wahl hat der Erbe nicht.


Ganz anders verhält es sich allerdings, wenn ein Schuldner bei verschiedenen Gläubigern Schulden hat, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bevorsteht und ihn beispielsweise ein Elternteil als Alleinerbe einsetzt. Nehmen wir an, der Nachlass beträgt 500.000 Euro, und es war dem Erblasser ein besonderes Anliegen, seinem Kind ab jetzt ein Leben zu ermöglichen, dass jedenfalls angenehmer ist, als es mit den ganzen Schulden bisher war. Ganz nach dem letzten Willen des Erblassers wäre es dem Erben nun möglich, seine Schulden zu bezahlen und auf diese Weise ein Insolvenzverfahren zu vermeiden. Tut er aber nicht.

„Schade um das schöne Geld“, sagt er sich und schlägt das Erbe, allerdings nicht ohne Hintergedanken, aus. Er ist ja schließlich nicht dumm. Im Namen seiner minderjährigen Kinder nimmt er nämlich die Erbschaft an und benachteiligt damit vorsätzlich – mit dem Gesetz im Rücken – alle seine Gläubiger. Seine Kinder erben das Vermögen, und die Gläubiger gehen leer aus. Von der Erbschaft kauft er für seine Kinder ein Haus, in welchem er sich auch noch ein lebenslanges Wohnrecht einräumen lässt.

Erbrecht und Insolvenzordnung ganz im Sinne des Schuldners

Es ist -- wie man sieht -- durchaus nicht selbstverständlich, dass im Falle einer Erbschaft zuerst eventuell vorhandene Schulden beglichen werden, gar beglichen werden müssen. In § 83 Absatz 1 Insolvenzordnung (InsO) heißt es, dass es im Fall einer Erbschaft vor oder während eines Insolvenzverfahrens allein dem Schuldner zusteht, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. „Dass -- rechtlich völlig legal -- ein Schuldner frei über eine Erbausschlagung entscheiden darf, selbst wenn dadurch Gläubiger vorsätzlich benachteiligt werden, das hätte sich wohl auch Wilhelm Busch nicht träumen lassen“, so Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH. Die Ausschlagung des Erbes ist auch nicht anfechtbar“, so Drumann weiter, „da die Insolvenzordnung besagt, dass die Ausschlagung einer Erbschaft der Insolvenzanfechtung entzogen ist.“

Gläubiger haben einen schweren Stand -- nicht nur in puncto Erbschaft

„Die Insolvenzordnung bestraft die Gläubiger nicht nur in Sachen Erbschaft, so Drumann, „sondern auch, was die so genannte Vorsatzanfechtung angeht. Die Vorsatzanfechtung ist, vereinfacht dargestellt, eine Art Mechanismus, mit dem ein Insolvenzverwalter unter bestimmten (leider weder vorhersehbaren noch glasklar benannten) Voraussetzungen noch Jahre später Zahlungen eines Kunden vom Gläubiger zurückverlangen kann.“ – „Auch wenn sich hier, zugegebenermaßen, einiges zugunsten des Gläubigers getan hat, ist die Eindeutigkeit des Gesetzestextes, wie schon angemerkt, m. E. nach wie vor mangelhaft.

Früher reichte allein die Annahme, dass der Gläubiger von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gewusst hat, für die Vorsatzanfechtung aus, nun muss immerhin von Seiten des Insolvenzverwalters in vielen Fällen bewiesen werden, dass der Gläubiger von der tatsächlichen vorhandenen Zahlungsunfähigkeit Kenntnis hatte. Jedoch sind für mich die nötigen Voraussetzungen für eine Anfechtung absolut nicht eindeutig definiert. Es gibt noch viel zu viel Raum für Interpretationen. Der Übergang“, so Drumann, „von einer drohenden zu einer tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit ist fließend. Und da es eine klare Unterscheidung der beiden Zustände nicht gibt, wird es auch nach meinem Dafürhalten keinen spürbaren Unterschied zu dem bisher geltenden Recht geben. Nach wie vor stellt die drohende Vorsatzanfechtung, auch wenn der Anfechtungszeitraum jetzt meist nur noch vier Jahre statt ehemals zehn beträgt, eine enorme Belastung dar, besonders für kleine und mittelständische Unternehmen. Selbst vier Jahre lang das Damoklesschwert der Insolvenzanfechtung über sich schweben zu haben, ist ein unzumutbarer Zustand. Unter solchen Umständen gibt es keine Planungssicherheit für Unternehmer“, ärgert es den Geschäftsführer.

Geduld und Disziplin, mehr braucht ein Schuldner kaum

„Doch es geht ja noch weiter. Wenn ein Schuldner bestimmte Bedingungen erfüllt (die wären u. a. Zahlung der Verfahrenskosten sowie von mindestens 35% der Insolvenzforderung), kann ihm schon nach drei statt nach regulären sechs Jahren die Restschuldbefreiung erteilt werden. Wenn der Schuldner über eine sechs Jahre dauernde Wohlverhaltensperiode hinweg genügend Disziplin aufbietet, hat er sogar die Chance, ohne eine Zahlung von der Restschuld befreit zu werden. Für mich nach wie vor ein Unding“, so Drumann. „Wenn wir bei unserem Beispiel der ‚recht erklecklichen Erbschaft‘ bleiben, die der Schuldner selbst ausschlagen, aber im Namen seiner minderjährigen Kinder annehmen kann, dürfte das ein lockeres ‚Aussitzen‘ der sechs Jahre Wohlverhaltensperiode werden. Und ohne gesetzliche Verpflichtung wird auch kein Schuldner freiwillig wenigstens die Verfahrenskosten und 35% der Insolvenzforderung begleichen, um dafür nach drei Jahren seine Schulden los zu sein. Warum auch? Und ein Gesetz, das zum Anstand verpflichtet, gibt es nicht.“

Kaum zu glauben – „zusätzliches Gesetzesschmankerl“

„Der Gesetzgeber geht sogar noch weiter“, ergänzt Drumann das eben Geschilderte. „Wenn der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode zum Erben wird, so muss er selbst dann, wenn er die Erbschaft nicht ausschlägt (z. B. weil er keine Kinder hat, die „für ihn“ erben könnten), das Ererbte nicht etwa vollständig an die Gläubiger abführen, sondern nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur zur Hälfte“.

Als Schuldner erben – am besten in Deutschland

„Deutschland hat den Schuldnern mit den Regelungen des § 83 InsO im Vergleich zu den europäischen Nachbarn ein besonderes Geschenk bereitet und dabei völlig die Gläubigerrechte aus den Augen verloren. In anderen Europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien, Österreich, Italien oder auch die Schweiz werden die Gläubigerinteressen nicht derart eklatant außer Acht gelassen. Dabei ist nicht gemeint“, so Drumann, „dass ein Schuldner unter allen Umständen dazu ‚verdonnert‘ werden sollte, eine Erbschaft anzunehmen, wenn er z. B. den Erblasser gar nicht kannte oder wenn der Nachlass völlig überschuldet ist. Letzteres“, ist sich Drumann sicher, „würde wahrscheinlich sogar nur weitere Probleme nach sich ziehen.

Meines Erachtens ist es längst Zeit für eine Änderung der Gesetzeslage“, fährt er fort. „Dabei muss ja nicht gleich das Österreichische Modell übernommen werden, bei dem die persönlichen Interessen des Schuldners bezüglich der Annahme oder Ablehnung eines Erbes völlig außer Acht gelassen werden, aber das Vorgehen der anderen genannten europäischen Ländern könnten dabei Modell stehen. Die dort geltenden Regelungen werden sowohl den Schuldnern als auch den Gläubigern gerecht. Anders als bei uns können Gläubiger dort nämlich eine Erbausschlagung anfechten, denn auf eine Erbausschlagung hat der Schuldner auch in den genannten Ländern ein Recht. Schlägt der Schuldner aber das Erbe aus und wird diese Erbausschlagung angefochten, so erbt folgerichtig nicht der Schuldner, sondern kommt die Erbmasse den Gläubigern zu Gute. Ich könnte mir solch eine gesetzliche Regelung auch für Deutschland vorstellen“, so Drumanns Meinung dazu.

 

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