TUM: Beton aus dem 3D-Drucker
Freie Gestaltung von Betonbauteilen wird machbar
Traditionell werden Bauteile aus Beton gegossen. Die dafür notwenige Verschalung begrenzt jedoch die Gestaltungsmöglichkeiten. Neue Freiheiten in der Formgebung ermöglicht der 3D-Druck. Forscherinnen und Forscher an der Technischen Universität München (TUM) experimentieren mit verschiedenen Verfahren, unter anderem dem sogenannten selektiven Binden. Mit dieser Technik ist es jetzt erstmals gelungen, filigrane, bionische Strukturen aus echtem Beton zu drucken.
Passgenaue Implantate, gewichtsoptimierte Flugzeug- und Autobauteile – in vielen Industriezweigen wird der 3D-Druck heute bereits routinemäßig eingesetzt. Höchste Zeit, dass auch die Architektur davon profitiert, meint Dr. Klaudius Henke vom Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der TUM: „Die additive Fertigung wäre für das Bauwesen extrem attraktiv: Sie erlaubt eine große Formenvielfalt – und auch bei kleinen Stückzahlen – hohe Wirtschaftlichkeit.“
Gedruckter Beton – so gut wie gegossen
Auf dem Schreibtisch des Forschers steht der Prototyp eines mit 3D-Druck gefertigten Bauteiles: eine 20 Zentimeter hohe, dünnwandige Betonröhre, in deren Innerem sich filigrane Verstrebungen befinden, die das Gebilde stabilisieren. „Vorbild für den Entwurf waren Vogelknochen, die sehr dünn und leicht, aber trotzdem stabil sind“, sagt Henke.
Das bionische Bauteil ist tatsächlich äußerst belastbar. Materialuntersuchungen haben gezeigt, dass die Röhre Kräften von 50 Newton pro Quadratmillimeter standhält. Damit ist das gedruckte Material genauso stabil wie herkömmlicher, gegossener Beton.
Schicht für Schicht, Punkt für Punkt
Mit klassischem Betonguss, bei dem die Mischung aus Sand, Zement und Wasser in einer Schalung aushärten muss, wäre die Röhre mit ihren dünnen Verstrebungen kaum herstellbar. Das Team hat für die Fertigung ein noch neues additives Verfahren eingesetzt: das „selektive Binden“. Dünne Sandschichten werden Lage für Lage genau an den Punkten, an denen die massive Struktur entstehen soll, mit einem Gemisch aus Zement und Wasser getränkt. Nach dem Abbinden aller Schichten lässt sich der überschüssige Sand entfernen, übrig bleibt die gewünschte Betonstruktur.
Die Tücke liegt im Detail
Theoretisch ganz einfach. Die Tücke lieht im Detail: Die TUM-Forscher mussten zunächst eine Anlage für das selektive Binden bauen. Der überdimensionale Drucker füllt einen ganzen Laborraum im Keller des Lehrstuhls: Über eine automatische Streuvorrichtung wird Sand aufgebracht. Ein dreidimensionales Schienensystem sorgt dafür, dass der Druckkopf jeden beliebigen Punkt im Raum ansteuern und eine Düse die gewünschten Stellen befeuchten kann. Drei Jahre lang haben die Forscherinnen und Forscher an dem Verfahren getüftelt: Der Erfolg hängt unter anderem ab von der Dicke der Schichten, der Korngröße des Sandes, der Geschwindigkeit, mit der sich der Druckkopf bewegt und der Auswahl der Düsen. Zusammen mit dem TUM Centrum Baustoffe und Materialprüfung haben die Ingenieurinnen und Ingenieure die verschiedenen Parameter optimiert.
Derzeit entwickelt das Team mit Partnern aus der Industrie einen 3D-Drucker, dessen Druckkopf mit mehreren tausend Düsen ausgestattet sein soll. Mit dem Gerät können dann erstmals Bauteile von etwa zehn Kubikmetern gefertigt werden. „Das reicht, um freigeformte, geschosshohe Bauteile zu fertigen“, kündigt Henke an.
Aus Strängen werden Wände
Dutzende von Teams wetteifern weltweit um die besten und effektivsten Verfahren zur additiven Fertigung von Betonteilen. Das selektive Binden ist nur eines davon. Eine Alternative ist das Extrusions-Verfahren, mit dem sich schon fertig gemischter Beton verarbeiten lässt. Auch diese Methode des 3D-Drucks haben die Forscher und Forscherinnen untersucht und optimiert: „Der Vorteil liegt hier vor allem in der hohen Baugeschwindigkeit. Durch die Wahl der Materialkomponenten und durch die Ausbildung von inneren Hohlraumstrukturen lassen sich multifunktionale Bauteile herstellen“, erklärt Henke. Die Zugabe von Holzspänen, die viel Luft enthalten, beispielsweise sorgt für integrierte Wärmedämmung, die ein Gebäude im Winter vor dem Auskühlen schützt und im Sommer ein Aufheizen verhindert.
Für die Verarbeitung des neuen Holz-Leichtbetons haben die Forscherinnen und Forscher an der TUM eine Extrusions-Anlage konzipiert und gebaut: Die Mischung aus Zement, Holz und Wasser wird durch eine Düse gepumpt – auf diese Weise wird der Beton zu etwa 2 Zentimeter dicken Strängen geformt. Die Düse ist an einem Roboterarm befestigt, der, gesteuert durch einen Computer, die Stränge genauso aufeinander legt, dass sich die gewünschte Struktur bildet.
Maßgeschneiderte Baustoffe
Mit Hilfe des Extrusions-Verfahrens konnte das Team bereits einen 1,5 Meter breiten und 1 Meter hohen Prototypen aus Holz-Leichtbeton fertigstellen. Dieser ist genauso belastbar und wärmedämmend wie handelsüblicher Gas-Beton. Einziger Nachteil: eine raue Oberfläche – man erkennt deutlich die Stränge, aus denen die Wände aufgebaut sind. „Diese Struktur lässt sich als Gestaltungselement einsetzen oder nachträglich bearbeiten“, sagt Henke: Der Holz-Leichtbeton lässt sich leicht sägen, fräsen und bohren.
„Der 3D-Druck wird die Architektur verändern“, davon ist der Forscher überzeugt: „Die Technik erlaubt nicht nur eine freiere Formgebung, sondern auch mehr Vielfalt, weil jedes Bauteil individuell gestaltet sein kann, ohne dass dies zusätzliche Kosten erzeugt.“
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