IEF-Werner entwickelt selbstoptimierende Achse
Die Kunst der Selbstoptimierung
Im EU-Forschungsprojekt SelSus arbeiteten Wissenschaftler gemeinsam mit Partnern aus der Industrie an einer Technologie die Maschinenausfälle vorhersagen kann bevor sie auftreten. Zu den beteiligten Unternehmen gehörte die IEF-Werner GmbH aus Furtwangen im Schwarzwald. Der Automatisierungsspezialist hat einen Prototyp gebaut, in dem eine intelligente Zahnriemenachse ihren Zustand und ihre Leistung permanent selbst überwacht und den Verschleiß analysiert. Über eine Cloud-Anbindung kommuniziert sie zudem mit anderen Komponenten und kann so bei Gefahr eines Ausfalls die Produktion am Laufen halten.
Plötzliche Maschinenstillstände in der Produktion sind für Firmen ein Albtraum. Die Techniker aus der Instandhaltung werden hektisch, die Betriebsleiter nervös. Denn je länger die Störung dauert, desto teurer wird es am Ende. Zudem beeinträchtigt dies die Liefertreue der Hersteller und senkt ihre Wettbewerbsfähigkeit. „Dabei handelt es sich meist um relativ kleine Defekte oder Verschleißerscheinungen“, erklärt Ulrich Moser, Marketingleiter bei der IEF-Werner GmbH aus Furtwangen im Schwarzwald. „Werden diese jedoch nicht rechtzeitig erkannt, steigt der Grad der Abnutzung, die Maschine oder Komponente arbeitet nicht mehr präzise. Irgendwann fällt sie komplett aus.“
Was wäre nun, wenn sie eigenständig ihren Status überwachen, Probleme und Schwachstellen erkennen und den zuständigen Mitarbeiter rechtzeitig informieren würde? Und noch besser: wenn sie Auswirkungen der Probleme selbst beheben oder mit anderen Komponenten kommunizieren könnte? Die Produktion würde ohne teure Maschinenstillstände weiterlaufen und Servicetechniker könnten Wartungsmaßnahmen frühzeitig einplanen. Der Verschleiß ließe sich verringern, die Lebenszeit der Bauteile somit deutlich verlängern.
„Genau mit diesem Thema haben wir uns im Rahmen des, im siebten Rahmenprogramm von der EU-geförderten, Forschungsprojekts SelSus beschäftigt, das vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart geleitet wurde“, berichtet IEF-Marketingleiter Ulrich Moser. Das Projekt läuft unter der Bezeichnung „Health Monitoring and Life-Long Capability Management for Self-Sustaining Manufacturing Systems“, was die Fähigkeit von Maschinen und Komponenten beschreibt, sich gewissermaßen selbst zu überwachen, zu optimieren und damit die Produktion aufrecht zu erhalten.
Die IPA-Wissenschaftler arbeiteten dazu gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft an einer Technologie, die mithilfe von intelligenter Software und Sensor-Netzwerken frühzeitig Schwachstellen und Verschleißerscheinungen erkennt und damit Ausfälle vorhersagen kann. SelSus wurde dabei von der Europäischen Kommission mit knapp 5,4 Millionen Euro gefördert.
„Mit der Fähigkeit, sich selbst zu optimieren, erfüllen die Komponenten in Fertigungslinien keine isolierte Aufgabe mehr. Sie sind vielmehr ein dynamischer, vielseitiger und spezialisierter Bestandteil eines Gebildes intelligenter Arbeitszellen“, erläutert Ulrich Moser. Im Rahmen des Projekts werden diese logischen Einheiten SelComps genannt: Sie sammeln, speichern und analysieren Prozessdaten. Somit sind sie in der Lage, als autonom agierende Systeme ohne Einfluss von außen ihren eigenen Zustand und die eigene Leistung zu bewerten und den Grad ihrer Abnutzung zu erkennen. Damit können Betriebe nachhaltiger, umwelt- und ressourcenschonender produzieren, sie arbeiten wirtschaftlicher und sind wettbewerbsfähiger.
Doch wie lassen sich solche Komponenten konstruieren? „Um das herauszufinden, haben wir aus einer Zahnriemenachse unsere eigene SelComp entwickelt und diese in einem Demonstrator verbaut“, berichtet Ulrich Moser. IEF-Werner hat sich bewusst für die Lineareinheit entschieden, weil sie sich in zahlreichen Handhabungsaufgaben bewährt hat. Von einem Servomotor angetrieben, arbeitet sie effizient und kostengünstig. Die integrierte Führung lässt sich auch in leicht verschmutzter Umgebung einsetzen, und die Führungselemente arbeiten bis 10.000 Kilometer nahezu wartungsfrei.
Der Zahnriemen ermöglicht bei dieser Komponente hohe Beschleunigungen und Geschwindigkeiten bei kurzen Taktzeiten. Für den Aufbau eines kollaborativen Demonstrators wurde die Achse auf ein stabiles Gestell montiert auf dem auch eine intelligente Schweißeinheit des Partners HWH integriert ist. Die HWH-SelComp besteht aus Schweiß-Steuerung und -Zange – mit Sensoren für Temperatur-, Strom-, Spannungs- und Kraftmessungen. Das somit exemplarisch aufgebaute Szenario stellt den weitläufig auftretenden Anwendungsfall eines bewegten Bauteils in Zusammenarbeit mit einem Fertigungsprozess dar.
„Die vom Hersteller angegebenen Daten zur Lebensdauer eines Maschinenbauteils sind meist nur Richtwerte, die im Lauf ihres Einsatzes stark variieren können“, erläutert Ulrich Moser. Durch unterschiedliche Belastungen, die zum Beispiel durch schnelles Anfahren und Stoppen auftreten, kann es auf den Kontaktflächen der Schlitten und der Führungsbahnen oder in den Antriebslagern zu abrasivem, adhäsivem oder zu Ermüdungsverschleiß kommen. Die Genauigkeit nimmt immer weiter ab, und die Gefahr eines Ausfalls steigt.
Damit die Achse stets im optimalen Zustand fahren kann, galt es, genau die Stellen festzumachen, an denen Verschleiß auftritt. Die Entwickler verbauten zunächst zusätzliche Sensoren. „Damit konnten wir unter anderem kritische Stellen in den Motor- und Führungswagenlagern identifizieren“, beschreibt Moser. Nach umfangreichen Tests stellten die IEF-Techniker fest: Die erforderlichen Informationen lassen sich nicht nur mit weiteren Sensoren sammeln. Einfacher und vor allem kosteneffizienter gelingt dies durch indirekte Bestimmung auf Basis bekannter Daten, wie z.B. dem Motorstrom.
Bayes'sche Netze - alles hängt zusammen
Nun galt es, ein leistungsfähiges Modell zu entwickeln, das aus den permanent gesammelten Daten die praktische Lebensdauer der Zahnriemenachse berechnet. „Ein paar Algorithmen zu programmieren, genügte hier nicht“, betont Ulrich Moser. „Um diese Aufgabe zu lösen, arbeiteten wir deshalb eng mit dem ICT-Provider Hugin Expert zusammen.“ Das Unternehmen aus Dänemark hat sich auf Bayes‘sche Netze spezialisiert – ein mathematisches Verfahren, mit dem sich die Wahrscheinlichkeit berechnen lässt, mit der ein bestimmtes Ereignis oder ein Zustand eintreten wird. Diese Methode bezieht mehrere Variablen und die mit ihnen verbundenen Möglichkeiten mit ein, zum Beispiel, dass ein bestimmtes stark beanspruchtes Kabel demnächst bricht.
Um diese Datenflut sicher zu verarbeiten, hat IEF-Werner sie im Rahmen des Projekts in die SelSus-Cloud geschickt. „Die Werte, die unser SelComp mit diesem Modell errechnet, stimmen mit einer Genauigkeit von ± zehn Prozent“, freut sich Ulrich Moser. Ist diese Technologie in die Zahnriemenachse integriert, zeigt das Display an der Steuerung dem Anwender die Lebenszeit der Komponente an und schlägt den nächsten Wartungstermin vor.
IEF-Werner ging bei diesem Projekt noch einen Schritt weiter: Die intelligente Zahnriemenachse soll nicht nur auf ihren eigenen Zustand reagieren, sondern auch auf die externe Schweißeinheit. Im Testaufbau arbeiten die beiden SelComps: Zuerst positioniert die Linearachse die Schweißplatte, dann erfolgt der Schweißprozess. „Wir haben beide Einheiten kabellos mittels Webservice Representational State Transfer (REST) zusammengeschaltet und auch die Daten der Schweißeinheit in die SelSus-Cloud geschickt“, sagt Ulrich Moser.
Vor Prozessstart registrieren sich beide Komponenten mit Daten wie Typbezeichnung, Herstellungsdatum, Hub oder auch mit ihrer Seriennummer. Im laufenden Betrieb kommen dann die dynamischen Daten hinzu. Mit diesen Informationen kann die Zahnriemenachse autonom auf die Schweißeinheit reagieren und Steuerparameter so anpassen, dass die Produktion hinsichtlich Wirtschaftlichkeit am optimalen Punkt agiert.
„Überhitzt die Schweißkopfelektrode, lässt die Qualität des Prozesses deutlich nach und sie kann sogar beschädigt werden“, nennt Ulrich Moser ein Beispiel. „Sie braucht Zeit, um abzukühlen.“ In der Fertigung ist die Zahnriemenachse auf schnellste Zykluszeiten ausgelegt. Das heißt: Sie fährt mit Maximalgeschwindigkeit zum Übergabepunkt und bremst ab. Ohne Informationen der Schweißeinheit fährt sie mit derselben Geschwindigkeit zurück zum Ausgangspunkt. Diesen Vorgang wiederholt sie permanent.
Weil keine Schweißung erfolgt, steht die Produktion still. Dazu kommt: Das ständige Anfahren und Stoppen bei höchster Dynamik beschleunigt den Grad der Abnutzung. „Kommuniziert die Zahnriemenachse nun aber mit der Schweiß-Steuerung, kann sie schon bei leicht erhöhter Temperatur der Elektrode in einen entschleunigten Modus wechseln. Es kommt somit zu keiner Überhitzung, beide Komponenten nutzen sich deutlich langsamer ab, die Produktion wird nicht unterbrochen. Die SelComps optimieren damit eigenständig ihren Betrieb.“
„Anwendern bieten wir mit unserer neu entwickelten Technologie viele praktische Vorteile“, sagt Ulrich Moser. „Aber das Wichtigste: Halten sie sich an die von der Zahnriemenachse empfohlenen Servicemaßnahmen, garantieren wir unseren Kunden eine um bis zu 30 Prozent höhere Lebensdauer der Komponente.“ Sie können die Wartungen rechtzeitig einplanen und sind damit sicher vor plötzlichen Ausfällen. Betriebe stärken somit ihre Wettbewerbsfähigkeit. „Noch befinden wir uns mit dieser Entwicklung im Prototypenbau“, erläutert Ulrich Moser. „Unser Ziel ist es aber, diese zukunftsweisende Lösung optional für alle unsere Linearachsen anzubieten. Das ist ein für Kunden sehr nützliches Beispiel für Industrie 4.0.“
Mehr Informationen zur IEF Werner GmbH:
IEF Werner GmbH | |
Wendelhofstr. 6 | |
78120 Furtwangen | |
Tel: +49 (0) 7723 925-0 | |
E-Mail: info@IEF-Werner.de | |
www.ief-werner.de |
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