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Risiko für Gläubiger

Der schwache, vorläufige Insolvenzverwalter

Insolvenz – ein Begriff, der wohl bei so manchem Unternehmer Unbehagen auslöst. Nicht nur, weil man sich wünscht, niemals selbst betroffen zu sein oder Ware oder Leistung an einen insolventen Kunden „zu verlieren„, sondern auch, weil es im Zusammenhang mit dem Thema Insolvenz so vieles zu beachten gibt und Sachverhalte sowie Begriffe auftauchen, die einem nicht geläufig sind.


Tritt der von Unternehmern gefürchtete Fall ein und es wird tatsächlich aufgrund eines Insolvenzantrages über das Vermögen eines Kunden die vorläufige Verwaltung angeordnet und damit auch ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, gehen die meisten Unternehmer davon aus, von besagtem Tatbestand selbstverständlich Kenntnis zu erhalten. Diesen Automatismus gibt es aber leider nicht. Eine Aufklärungspflicht ist nicht universell gegeben. Die früher gängigen Veröffentlichungen in Tageszeitungen, durch die man schon ‚zum Frühstück‘ regelmäßig über die Insolvenz eigener oder potentieller Kunden informiert wurde, gibt es nicht mehr.

An ihre Stelle ist die öffentliche Bekanntmachung im Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de getreten. Alle Bekanntmachungen, die vorgenommen werden müssen, sobald ein Insolvenzverfahren bei Gericht beantragt wurde, werden hier von allen Insolvenzgerichten der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht. Der Gesetzgeber hält diese Art der Veröffentlichung für ausreichend. Diese dann aber auch zur Kenntnis zu nehmen, ist generell allein Sache des Gläubigers.

Schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter

Dieser Begriff hat nichts mit der körperlichen Konstitution zu tun, auch wenn sich diese Assoziation sofort aufdrängen mag. Ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter wird von Insolvenzgerichten bei vorläufigen Insolvenzverfahren als Sicherungsmaßnahme eingesetzt. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bleibt weiter beim Schuldner, denn der schwache vorläufige Insolvenzverwalter schließt normalerweise selbst keine Rechtsgeschäfte ab. Wenn – wie meistens – das Gericht einen sogenannten Zustimmungsvorbehalt angeordnet hat, kann der Schuldner allerdings besagte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ausüben.

Starker vorläufiger Insolvenzverwalter

Wird gegen den Schuldner von Seiten des Gerichtes ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, geht die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Auf Grund dieser Befugnis spricht man jetzt von einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter. Nach § 55 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) begründet der starke vorläufige Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten.

Masseverbindlichkeit

Eine Verbindlichkeit, die bei einer Insolvenz vor allen anderen Verbindlichkeiten zu 100% aus der Vermögensmasse zu bedienen ist, nennt man Masseverbindlichkeit. Hierbei handelt es sich überwiegend um solche Verbindlichkeiten, die erst nach Eintritt der Insolvenz entstanden sind. Es kann sich hierbei um neue Verbindlichkeiten handeln, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters entstehen und deren Notwendigkeit in der Fortführung der Geschäfte sowie in der Durchführung des Insolvenzverfahrens begründet liegt.

Dabei kann es sich aber auch z. B. um die Fortführung bestehender Verträge handeln, die ein Gläubiger mit dem Schuldner abgeschlossen hat, wie z. B. Reinigungsarbeiten, Entsorgungsleistungen, Wartungsarbeiten an Fahrzeugen, Dienstleistungen an Büromaschinen o. Ä.

Kein Gläubiger wäre verständlicherweise dazu bereit, sich auf neue Verbindlichkeiten einzulassen, gäbe es dieses ‚Masseverbindlichkeits-Konzept‘ nicht. Das wiederum setzt aber, wie bereits erwähnt, im Normalfall die Einsetzung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters voraus (sowie, dass keine Massearmut oder Masseunzulänglichkeit vorliegt).

Gesetzeslücke, …

Erfährt nun aber ein Unternehmer von der Insolvenz seines Kunden nichts und führt daher aufgrund bestehender Verträge, in denen es um die Erfüllung von Dauerschuldverhältnissen (z. B. regelmäßige Reinigungsarbeiten, Wartungsarbeiten an Fahrzeugen, Dienstleistungen an Büromaschinen etc.) geht, weiter diese Leistungen aus, würden auch die korrespondierenden Verbindlichkeiten des Schuldners zu den Masseverbindlichkeiten gehören.

Es wird hier bewusst von ‚würden‘ gesprochen, da dies im Wesentlichen nur gilt, wenn hier ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter von Seiten des Gerichtes eingesetzt worden wäre. Und davon, dass im ‚Normalfall‘ eben jener starke vorläufige Insolvenzverwalter eingesetzt wird, ging der Gesetzgeber wohl auch einmal aus; dann wären die Gläubiger, mit denen im Eröffnungsverfahren weiterhin Geschäfte gemacht werden, abgesehen von Fällen der Masseunzulänglichkeit ausreichend geschützt.

Und das im Idealfall selbst dann, wenn die ‚Insolvenzbekanntmachung‘ im Netz nicht gelesen wurde, die Insolvenz des Kunden dem Gläubiger also nicht bekannt war. Theorie und Praxis weichen aber leider stark voneinander ab.

… Problem …

Auch wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass im ‚Normalfall‘ ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wird, ist es aber in der Praxis zumeist nur ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter. Damit vergrößert sich die Schutzlücke für die Gläubiger eines insolventen Kunden um ein Beträchtliches. Jede Leistung, die zwischen Anordnung der vorläufigen Verwaltung und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Kredit erbracht wird, kann der Gläubiger so lediglich zur Insolvenztabelle anmelden und muss sich mit einer geringen Insolvenzquote begnügen.

Nur wenige Gläubiger wissen, dass es vorläufige Insolvenzverwalter mit unterschiedlichen Befugnissen gibt. Und diese in Erfahrung zu bringen, ist eher problematisch. Es ist daher für jeden Gläubiger zwingend erforderlich, den Beschluss des Amtsgerichtes über die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters einzusehen. Nur so kann er erkennen, ob es sich um einen schwachen oder starken Insolvenzverwalter handelt.

… oder gar Methode?

Manchmal könnte dieser Verdacht nahe liegen, da die Einsetzung schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter die absolute Regel ist. Wir haben ein Unternehmen aus der Gebäudereinigungsbranche vertreten. Der Kunde unseres Mandanten geriet in die Insolvenz. Es wurde ein schwacher Verwalter bestellt. Davon bzw. schon vom Insolvenzantrag hat unser Mandant aber keinerlei Kenntnis erhalten. Er hat den Kunden angemahnt, mit dem Betriebsleiter telefoniert und wurde immer wieder vertröstet, ohne dass irgendein Hinweis darüber erfolgte, dass sich das Unternehmen in der Insolvenz befand.

Der Mandant hat daher weiter brav bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte Bürogebäude gereinigt. Über die Eröffnung erhielt unser Mandant dann eine Nachricht. Der im eröffneten Verfahren eingesetzte Insolvenzverwalter – identisch mit dem vorläufigen Verwalter – hat den Mandanten nun gebeten, weitere Reinigungsarbeiten durchzuführen, die dann auch aus der Masse von ihm bezahlt wurden.
Für die Zeit zwischen Anordnung des vorläufigen Verfahrens und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber fühlte er sich nicht verpflichtet, die Rechnungen aus der Masse zu begleichen, da er für diesen Zeitraum nur als schwacher Verwalter eingesetzt war. Billiger konnten keine Reinigungsarbeiten ‚eingekauft‘ werden.

Die unterschiedlichen Befugnisse, die Ausübung (Ausnutzung) derselben sowie der differenzierte und ungleiche Umgang mit den Verbindlichkeiten legt für mich den Schluss nahe, dass ‚Methode‘ hinter der Einsetzung eines ‚nur‘ schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters zumindest im Raum stehen bleibt.

Was aber tun, wenn man es mit einem schwachen Verwalter zu tun hat?

Man sollte auf jeden Fall das Gespräch sowohl mit dem Kunden als auch mit dem Verwalter suchen. Vorkasse ist immer eine gute Lösung. Vielleicht kann sich der vorläufige Verwalter durch das Gericht auch ermächtigen lassen, die in Frage kommende Leistung (unser Beispiel) in Auftrag zu geben. Möglich ist das. Kann dagegen keine Regelung erfolgen, bleibt nur die Kündigung und die Einstellung der Leistungen, will man nicht ggf. weiteren Forderungsverlust ‚produzieren‘.

Der Gesetzgeber sollte der Realität Rechnung tragen

Leider ist eine Aufklärungspflicht über einen Insolvenzantrag nicht universell anerkannt, was noch nachvollziehbar ist, handelt es sich dabei um einen Fremdantrag (möglicherweise ist der Schuldner davon überzeugt, nicht insolvent zu sein). Bei Dauerschuldverhältnissen sollte m. E. aber eine Pflicht bestehen, über einen Insolvenzantrag aufklären zu müssen.

Der Gesetzgeber sieht das aber leider anders. Eine haftungsbegründende Pflicht des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftspartner, im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen auf die Insolvenz hinzuweisen, besteht wohl nicht, zumal die Kenntnis der öffentlichen Bekanntmachungen im Internet fingiert wird. Bei Neugeschäften sollte durchaus darüber nachgedacht werden, ob der Schuldner über den Insolvenzantrag zwingend aufklären muss bzw. jedenfalls keinen Lieferantenkredit mehr in Anspruch nehmen darf, wenn er nicht ganz sicher wird bezahlen können. Helfen könnte hier ggf. dann eine persönliche Haftung oder auch Strafbarkeit der Geschäftsführer.

Insolvenz = Fallstricke ohne Ende

Insolvenzen haben es nicht nur für Laien in sich. Auch Rechtsdienstleister sind da immer aufs Neue gefordert. In der Insolvenzordnung ist vieles gut und umsetzbar geregelt. Aber manches eben auch noch nicht. Viel zu oft noch gucken Gläubiger in die ‚Röhre‘. Wer einen Kunden hat, dem die Insolvenz droht, sollte sich umgehend Rat und Unterstützung bei einem Rechtsdienstleister holen.

Auch bei dem leisesten Verdacht, einem Kunden könnte diese drohen, sollte man zumindest Wirtschaftsauskünfte einholen (lassen) und einen Rechtsdienstleister um die Bewertung der Auskünfte im Zusammenhang mit den eigenen Geschäftsbeziehungen bitten. ‚Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste‘. Das sagt sich so leicht, aber im Geschäftsalltag ist leicht manchmal eben schwer.

 

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