Dieselfahrverbote mit Nebenwirkungen
Ozon-Belastung steigt wieder
Im Zentrum der Debatte um Dieselfahrzeuge stehen die Stickoxide – Luftschadstoffe, die die Schleimhäute und Atemwege angreifen, sowie das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen steigern. Um die von der EU festgelegten Grenzwerte einzuhalten, können Städte deshalb in Zukunft Fahrverbote für Diesel-PKW verhängen. Das würde die Stickoxid-Konzentration in besonders verkehrsreichen Zonen senken. Weniger bekannt ist, dass das einen unerwünschten Nebeneffekt haben kann: die vermehrte Bildung von Ozon, das ebenfalls die Gesundheit gefährdet.
Weit oben, in der Stratosphäre in 15 bis 30 Kilometer Höhe, schützt Ozon vor gefährlicher UV-Strahlung. In den unteren Luftschichten löst es beispielsweise Kopfschmerzen, Hustenreiz, tränende Augen und Atemprobleme aus. Diese Auswirkungen sind schon lange bekannt: Zum Schutz der Bevölkerung gelten europaweite Grenzwerte.
"Noch vor 20 Jahren gab es in Deutschland regelmäßig Ozonalarme", erklärt Franz Rohrer vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-8). "Heute sind sie eine Seltenheit. Das liegt an den Maßnahmen zur Luftreinhaltung, die Ende der 1980er Jahre umgesetzt wurden. Die Industrie benutzt bessere Filter, die Autos sind sauberer geworden. Das hatte letztlich auch geringere Ozonwerte zur Folge."
Berg- und Talfahrt
Das könnte sich durch die Dieselfahrverbote wieder ändern. "Denn einer der Gründe für den Rückgang der Ozonbelastung in verkehrsreichen Gebieten sind gerade die hohen Stickoxidwerte", erklärt Rohrers Kollege Robert Wegener. Stickoxide sind nämlich eine der Stellschrauben in einem komplizierten Reigen chemischer Reaktionen, die zur Bildung und zum Abbau von Ozon führen. Zwei weitere Akteure sind Kohlenwasserstoffe und Hydroxyl-Radikale (OH-Radikale). Die Kohlenwasserstoffe stammen aus Abgasen, werden aber auch von Pflanzen emittiert, OH-Radikale entstehen unter dem Einfluss von Sonnenlicht.
Ozon ist das Produkt einer Kaskade chemischer Prozesse, die mit der Reaktion von OH-Radikalen mit Kohlenwasserstoffen beginnt. "Die Stickoxide beeinflussen diese Reaktion", erklärt Wegener. "In geringer Konzentration können sie die Ozonbildung beschleunigen. Ist die Menge an Stickoxiden aber zu hoch, dann reagieren diese direkt mit dem OH-Radikal und die Kohlenwasserstoffe gehen sozusagen leer aus. Dadurch wird die Ozonbildung unterdrückt."
Entscheidend ist hier das Verhältnis von Stickoxiden zu Kohlenwasserstoffen. Vereinfacht gilt: Wenn beide Stoffe in einem bestimmten Verhältnis vorhanden sind, entsteht besonders viel Ozon. "Für eine feste Menge an Kohlenwasserstoffen können wir diese Abhängigkeit in einer einfachen Grafik darstellen. Die sieht aus wie ein Berg: Seine Spitze markiert das Stickoxid-Kohlenwasserstoff-Verhältnis, bei dem das meiste Ozon entsteht. Links und rechts davon, also bei weniger und bei mehr Stickoxiden, geht die Ozonbildung zurück.", erklärt Wegener.
Berücksichtigt man beide Konzentrationen, Stickoxide und Kohlenwasserstoffe, erhält man eine Darstellung wie bei einer topographischen Karte: Die Höhenlinien entsprechen dabei der Ozonproduktion bei einer bestimmten Menge an Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden.
Mitte der 90er Jahre war die Konzentrationen von Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden hoch. Es wurde sehr viel Ozon erzeugt: Die Produktionsrate lag im roten Bereich. Durch die Einführung von Katalysatoren sanken die Kohlenwasserstoff-Konzentrationen auf ein Fünfzehntel, die Stickoxidwerte dagegen nur um die Hälfte. Das Verhältnis Stickoxid zu Kohlenwasserstoff stieg, die OH-Radikale wurden verstärkt durch die Stickoxide aus der Atmosphäre entfernt – dadurch wurde weniger Ozon gebildet. Heute befinden wir uns auf unserer "Wanderkarte" im blauen Bereich, die Ozonproduktionsrate ist deutlich geringer.
Was passiert aber, wenn künftig durch Fahrverbote nur die Stickoxid-Emissionen reduziert werden? "Wir wandern in unserer Karte nach links, und damit quasi rückwärts den Berg wieder rauf – und in verkehrsreichen Gebieten entsteht erneut mehr Ozon", so Rohrer.
Andere Verhältnisse schaffen
Wie lässt sich das verhindern? Man müsste geeignete technische Maßnahmen bei der Abgasnachbereitung entwickeln. So könnte man – zusätzlich zu den reduzierten Stickoxiden – die Menge der Kohlenwasserstoffe weiter verringern.
"Das könnte erreicht werden, indem man zum Beispiel das Kaltstartverhalten von Autokatalysatoren weiter verbessert", so Rohrer. Alternativ können bauliche Veränderungen lokal hohe Konzentration von sämtlichen Luftschadstoffen senken, weiß Wegener: "Die Stickoxide sind sehr kurzlebig – und damit nur am Ort ihrer Entstehung gesundheitsgefährdend. In den Häuserschluchten der Großstädte halten sie sich nur für ein paar Minuten, bevor sie sich weiterverteilen. Wenn die Luft schneller durch die Straße strömen würde, wären sie kein Problem".
Manche Städte gehen diesen Weg. So werden zum Beispiel einzelne Häuser in Reihenhaussiedlungen entfernt. Dadurch entsteht ein Querwind; die Stickoxide – und andere Schadstoffe – verteilen sich. In modernen asiatischen Städten etwa werden heute solche Effekte schon von vornherein beim Bau eingeplant. Auch dadurch entsteht weniger Ozon.
Komplexe Prozesse
Allerdings ist das Verhältnis Stickoxide-Kohlenwasserstoffe nicht die einzige Stellschraube für die Ozonbildung. Der Prozess ist äußerst komplex. Das fängt schon damit an, dass es tausende verschiedene Kohlenwasserstoffe gibt, mit unterschiedlicher Lebensdauer und chemischer Struktur. Einige sind stärker, andere sind gar nicht an der Ozonbildung beteiligt. Ähnlich ist es mit den Stickoxiden. Die wichtigsten hier sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid, beide wirken sich auf unterschiedliche Weise auf die Ozonbildung aus.
Daneben spielen die äußeren Bedingungen eine wichtige Rolle, etwa Klimazone, Windstärke und -richtung, Sonneneinstrahlung sowie Tages- und Nachtzeit. Und während in den Städten die Reduktion von Stickoxiden die Ozonkonzentrationen erhöhen kann, sieht es im ländlichen und stadtnahen Raum ganz anders aus: Da dort zum Beispiel andere Konzentrationen an Kohlenwasserstoffen herrschen, kann eine Stickoxid-Reduktion die Ozonkonzentration dort auch senken.
Verlässliche Aussagen notwendig
"Um wirklich zu beurteilen, wie wir die Luftqualität an einem bestimmten Ort verbessern können, müssen wir die regionalen Besonderheiten berücksichtigen. Dazu brauchen wir differenzierte Messdaten und verlässliche Computermodelle", sagt Rohrer.
Die Jülicher Klimaforscher erfassen deshalb mit ihrem Messfahrzeug MobiLab Daten über die tatsächliche Schadstoffbelastung in deutschen Städten. Wie genau sind Stickoxide und andere Schadstoffe in den Großstädten verteilt? Wo sind die besonders stark belasteten Gebiete? Wer sind die Verursacher? Durch die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen hoffen sie, irgendwann zuverlässig sagen zu können, wo etwa ein Fahrverbot sinnvoll ist oder wo nicht.
Entwicklung der Ozonproduktion
Mehr Informationen zum Forschungszentrum Jülich:
Forschungszentrum Jülich GmbH | |
Wilhelm-Johnen-Straße | |
52428 Jülich | |
Tel.: 02461 61-0 | |
Fax: 02461 61-8100 | |
E-Mail: info@fz-juelich.de | |
www.fz-juelich.de |
War dieser Artikel für Sie hilfreich?
Bitte bewerten Sie diese Seite durch Klick auf die Symbole.
Zugriffe heute: 1 - gesamt: 1950.