Filigranes Kunststück mit Stand-up-Molekül
Plättchenförmiges PTCDA-Molekül ausgerichtet
Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben im Umgang mit einzelnen Molekülen ein neues Maß an Präzision erreicht. Ihnen gelang es, ein hauchdünnes Molekül auf einer ebenen Schicht aus Silberatomen aufzurichten, sodass es entgegen seiner natürlich bevorzugten Lage sicher stehen bleibt. Die künstliche Struktur verdeutlicht das Potenzial innovativer molekularer Fertigungsverfahren.
Schon seit einiger Zeit sind Forscher in der Lage, Strukturen aus einzelnen Atomen zu erzeugen. Eines der ersten Beispiele präsentierten D. M. Eigler und E. K. Schweizer im Jahr 1990 ebenfalls in „Nature“: ein winziges Logo von IBM, das von einigen wenigen Xenonatomen gebildet wird, hergestellt mit Hilfe eines Rastersondenmikroskops. Doch auch heute, fast 30 Jahre später, ist man von einer direkten Herstellung von Nanostrukturen aus komplexen Molekülen immer noch weit entfernt.
Obwohl Moleküle viel größer sind als Atome, sind sie dennoch viel schwieriger zu kontrollieren. „Bei Atomen spielt die Ausrichtung keine Rolle. Aber Moleküle haben eine bestimmte räumliche Struktur. Es kommt zum Beispiel darauf an, in welcher Lage sie auf einer Oberfläche oder an der Mikroskopspitze haften, die die Ausdehnung des Moleküls um viele Größenordnungen übersteigt“, erklärt Prof. Stefan Tautz, Institutsleiter am Forschungszentrum Jülich.
In der Fachzeitschrift „Nature“ stellt die Arbeitsgruppe um Dr. Ruslan Temirov am Institut von Stefan Tautz nun ein Experiment vor, mit dem es ihnen erstmals gelungen ist, ein plättchenförmiges PTCDA-Molekül nach ihren Wünschen auszurichten. Das Molekül gleicht in seinem Aufbau dem Nanomaterial Graphen, das ebenfalls aus einer Schicht miteinander verbundener Kohlenstoffringe aufgebaut ist. Die Forscher haben zwei Silberatome mit der Spitze eines Rastersondenmikroskops an die Ecken des PTCDA-Molekül angeheftet. Dann brachten sie es auf diesem winzigen „Silberpodest“ zum Stehen.
„Bis jetzt dachte man, dass das Molekül von selbst wieder in seine Lieblingsposition zurückfällt und sich flach an die untere Schicht anlagert. Aber das ist nicht der Fall, es verhält sich erstaunlich stabil in der aufrechten Orientierung. Selbst wenn man es mit der Mikroskopspitze anschubst, fällt es nicht um, sondern schwingt einfach wieder zurück. Bis jetzt können wir über den Grund nur spekulieren“, berichtet Dr. Taner Esat, der Erstautor der Studie.
Die Arbeit gilt den Autoren zufolge als wichtiger Schritt für die Entwicklung neuer, innovativer Produktionstechniken mit einzelnen Molekülen. Menschen haben im Laufe der Geschichte gelernt, die Welt auf immer kleineren Skalen zu kontrollieren. Als ultimatives Ziel gilt die Fertigung beliebiger molekularer Architekturen. Dabei würden Nanostrukturen direkt aus einzelnen Molekülen zusammengesetzt, ähnlich wie mit Lego. Die Anwendungsmöglichkeiten wären praktisch unbegrenzt. Insbesondere in der Nanoelektronik ergäben sich so völlig neue Möglichkeiten, Logik-, Speicher-, Sensor- und Verstärkerschaltungen zu realisieren.
„In der makroskopischen Welt sind die industriellen Produktionsprozesse schon sehr ausgereift. Im Kleinen klappt das aber noch nicht so gut. Da ist die Natur viel weiter“, erklärt Stefan Tautz. In lebenden Zellen formieren sich Moleküle nach dem Mechanismus der Selbst-Assemblierung so, wie es ihre molekularen Eigenschaften vorgeben. Das Ziel der Forscher am Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-3) geht aber noch darüber hinaus. Mit ihrer Forschung streben sie eine Technologie an, mittels derer sich Moleküle nicht nur auf wenige vorbestimmte Arten anordnen, sondern mit denen sich Strukturen auf der Nanoskala frei konstruieren und erschaffen lassen.
„So wie sich in der Natur Autos, Computer, Häuser und solche Dinge nicht spontan bilden, sondern durch Handarbeit oder Maschinen geschaffen werden müssen, haben wir mit unserem Experiment in Handarbeit auf molekularer Ebene einen künstlichen metastabilen Zustand hergestellt, der dazu noch über eine bestimmte Funktionalität verfügt“, erläutert Stefan Tautz.
Die Forscher verwendeten das aufrechte Molekül bereits erfolgreich als Elektronenquelle, die einzelne Elektronen aussendet. Bei einer solchen Einzelelektronen-Quelle ist die Wellenfunktion der Elektronen durch die chemischen Eigenschaften des Moleküls genau vorgegeben. Derartige Quellen könnten beispielsweise für Anwendungen in der Holografie zum Einsatz kommen, die den Wellencharakter der ausgestrahlten Elektronen für räumliche Darstellungen und Aufnahmen nutzen. Aufgrund solcher und anderer Experimente hoffen die Forscher nun auf ein produktives Wechselspiel zwischen der Herstellung ungewöhnlicher Strukturen und neuen Funktionalitäten.
Dem aktuellen Forschungsergebnis gingen mehrere Vorarbeiten voraus. Bereits in den letzten Jahren ist es Jülicher Forschern zum Beispiel gelungen, mit einer selbst entwickelten Handsteuerung für Rastersondenmikroskope einzelne Moleküle aus Blöcken und Schichten herauszupflücken.
Die Arbeitsgruppe um Dr. Ruslan Temirov arbeitet zudem daran, den Kontrast und die Auflösung der Mikroskope mithilfe einzelner Atome und Moleküle als Sonden zu verbessern. Dazu werden einzelne Moleküle oder Atome als Sensor an die Spitze des Mikroskops geheftet. Diese ermöglichen es dann, Strukturen und sogar elektrische Felder deutlich besser aufgelöst abzutasten, als es mit einer konventionellen metallischen Spitze möglich ist.
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