Welt der Fertigung
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Gerüstet für den Leichtbau

Kompetenz Verbundstoffe

Die rationelle Bearbeitung von Verbundwerkstoffen und Werkstoffverbünden ist aktuell eines der zentralen Themen der Fertigungstechnik. Getreu ihrem Motto „Mitten im Markt“ macht die Messe Stuttgart dies auch zu einem Top-Thema auf der kommenden AMB, internationale Ausstellung für Metallbearbeitung vom 16. bis 20. September 2014 in Stuttgart.


Unter dem Stichwort „Kompetenz Verbundstoffe“ zeigen Aussteller ihre besonderen Fähigkeiten in diesem Bereich. Messebesucher finden diese Aussteller dank eines entsprechenden Logos an den Messeständen und besonderer Hinweise im Messeführer sehr schnell. Informieren können sich die Besucher außerdem ihm Rahmen der Veranstaltungsreihe des Unternehmerfrühstücks „Einführung Verbundwerkstoffe und Präzisionswerkzeuge“ der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, die sich mit mehreren Fachvorträgen ebenfalls dem Thema widmet.

Fachvorträge führen ins Thema ein

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Die Zunahme an Verbundwerkstoffen in der Produktion und speziell der Serienproduktion weckt den Bedarf an Technologien, Maschinen und Werkzeugen“, gibt Dr.-Ing. Marco Schneider, Abteilungsleiter Leichtbautechnologien am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart, die Richtung vor. Trotz endkonturnaher Herstellung vieler Bauteile aus Verbünden sei meist eine spanende Bearbeitung notwendig.

„Der Transfer von der Metallzerspanung zur Zerspanung von Verbünden, CFK (carbonfaserverstärkte Kunststoffe) oder Sandwiches ist nur mit besonderen Maßnahmen möglich. Dies beginnt bei der Werkzeugmaschine, der Spanntechnik, dem Kühl- und Schmierkonzept, geht über die Werkzeuge, die Absaugung bis hin zur Qualitätskontrolle.“ Die große Bandbreite an Verbundwerkstoffen stelle zudem sehr individuelle Anforderungen an Werkzeuge, Maschinen und Prozessparameter. In seinem Vortrag im Rahmen des Unternehmerfrühstücks, am 18. September um 9.30 Uhr in der „Regio Lounge“ im Eingang Ost, wird er die Anforderungen an „Präzisionswerkzeuge für die spanende Bearbeitung von Verbundwerkstoffen“ benennen.

Enorme Möglichkeiten sieht Dr. Schneider durch Leichtbauwerkstoffe, die über die bekannten Einsatzbereiche Flugzeug und Automobil hinaus in vielen anderen Branchen entstünden. Zwei Hemmnisse verhinderten noch den Durchbruch, zum einen das notwendige neue Denken in Verbundwerkstoffen, beziehungsweise faserbasierten Werkstoffen, zum anderen die benötigten alternativen Herstell- und Bearbeitungsverfahren. „In den Unternehmen muss das notwendige Wissen und die maschinelle Ausstattung geschaffen werden, was entsprechende Investitionen voraussetzt.“ Er warnt jedoch vor dem „Irrweg“ einer reinen Materialsubstitution nach dem Motto: „Statt Stahlblech nehmen wir mal Carbon.“ Richtig eingesetzt könnten Verbundwerkstoffe jedoch „als Keimzelle wirken, um in diesen neuen Werkstoffen und den Möglichkeiten zu denken, die neuen Herstellmethoden für andere Produkte anzuwenden und so Produkt- und Produktionsinnovation voranzutreiben.“

Aus einem ganz anderen Blickwinkel sieht Dr. Simon Küppers, stellvertretender Abteilungsleiter Faserverbundtechnik beim Institut für Textil- und Verfahrenstechnik ITV Denkendorf, der ebenfalls in der „Regio Lounge“ referieren wird, am 19. September um 9.30 Uhr. Er betrachtet „Faserverbundtechnik, Verbindungstechnik und Organobleche“ aus textiltechnischer Sicht. Um das Gewicht weiter zu reduzieren, könnten smarte Funktionen nicht nur ins Bauteil, sondern direkt ins Textil und sogar in die Faser integriert werden, außerdem könnten die Harzsysteme Zusatzfunktionen übernehmen. „Gewichtsreduktion lässt sich aber auch durch ein System-Monitoring, also die Überwachung von Bauteilen, erreichen, weil dann die Sicherheitsbeiwerte bei der Auslegung gesenkt werden können“, so Dr. Küppers.

Ein weiterer Ansatz sei die „kraftflussgerechte Faserablage“. Bionische Bauweisen und Faserverläufe imitieren dabei die Natur und machen sie für die Technik nutzbar. Webtechnologien und Flecht- sowie Preformtechnologien seien weitere Möglichkeiten, Bauteile leichter zu machen. „Die Textiltechnik steht dabei sehr stark im Fokus, da sie schon eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Verfahren zur Erfüllung der Ansprüche aus der Faserverbundtechnik kennt“, ist Dr. Küppers überzeugt.

Prozesssicherheit verbessert

„Die besondere Herausforderung in der Composite-Bearbeitung liegt in der prozesssicheren und wirtschaftlichen Zerspanung, insbesondere dem Bohren sogenannter Stack-Materialien“, erklärt Dr. Peter Müller-Hummel, Leiter des Geschäftsbereichs Unit Aerospace & Composites der Mapal Dr. Kress KG in Aalen. Verbundwerkstoffe, aufgebaut aus Composites und Metall-Werkstoffen wie Titan oder Aluminium, müssten bisher zum Teil noch in mehreren Schritten aufgebohrt werden. „Zukünftig sollen solche Bohrungen in einem Arbeitsgang hergestellt werden.“

Das dürfe aber keinesfalls zulasten der Qualität gehen. Während sich bisher der Bohrungsdurchmesser über die Standzeit des Bohrwerkzeugs veränderte, könne Mapal heute durch den Einsatz einer neuartigen Technologie einen konstanten Durchmesser in allen Stacks erzielen. Dr. Müller-Hummel: „Auf diese Weise lassen sich Bohrungen im H8-Toleranzbereich mit einem Prozessfähigkeitsindex CpK von mehr als 1,4 prozesssicher realisieren.“

Eine wichtige Voraussetzung sei allerdings, dass auch das Umfeld und die Maschine diesem Qualitätsstandard entsprechen. Der Trend gehe zu deutlich hochwertigeren, aber langlebigeren Werkzeugen, um so den Preis pro Bohrung zu senken. Ein solches Werkzeug, das auf dem Mapal-Stand 5D32 im Rahmen der PTW-Sonderschau in Halle 5 zu sehen sein wird, ist der Tritan-Drill für schwierige Bohrsituationen. Mapal verspricht eine im Vergleich zu herkömmlichen VHM-(Vollhartmetall)-Bohrern prozesssichere Bearbeitung und eine deutlich bessere Performance.

Drei Schneiden und eine aggressiv gestaltete, selbstzentrierende Querschneide sollen beim ersten Kontakt mit dem Werkstück zu höchster Positionsgenauigkeit führen – besonders wichtig für schwierige Bohrsituationen wie das Durchbohren oder den Eintritt von Querbohrungen. Der spezielle Anschliff soll Schnittdruck und Schneidentemperatur gering halten, die Ausspitzung führt die Späne reibungsarm über drei Spannuten ab. Als Schrittmacher bei den Verbundwerkstoffen sieht Martin Heckel, Leiter Produktmanagement bei der LMT Tool Systems GmbH in Oberkochen, die Aerospaceund Automobilindustrie. Aber auch zahlreiche junge Branchen wie die Windenergie pushten mittlerweile den Einsatz der Composites. Je nach Anforderung an das Bauteil fänden unterschiedlichste Leichtbauwerkstoffe wie Titan, Aluminium, CFK, GFK (glasfaserverstärkte Kunststoffe), CFK-Metall-Schichtverbunde und Wabenstrukturen Verwendung, deren prozesssichere Bearbeitung große Herausforderungen stellten. „Charakteristisch an diesen Technologien ist, dass sie nicht nur Werkstoffe substituieren, sondern eine eigene Prozesskette von der Bauteilgestaltung über die Rohmaterial- und Halbzeugherstellung, die Formgebung bis hin zur Erzielung der einbaufertigen Endkontur und Oberfläche des Bauteils erfordern.“

Bei Zerspanungsprozessen müssten sich eine optimale Oberflächenqualität und hohe Toleranzgenauigkeit mit möglichst langen Werkzeugstandzeiten verbinden. Die LMT-Gruppe entwickle deshalb für ihre Kunden spezielle anwendungs- und werkstoffgerechte Lösungen. So zeigt LMT auf seinem AMB-Stand 1F52 im L-Bank Forum (Halle 1) den DFC Compression Mill, einen Bohrer mit gegenläufiger Drallsteigung und definiertem Kompressionspunkt.

„Unterhalb dieses Punktes hat er einen aufsteigenden Drall, oberhalb drückt er den Span nach unten. Im optimalen Fall sind Zug und Druck im Gleichgewicht, das laminierte Werkstück wird regelrecht komprimiert“, erklärt Martin Heckel. Für die Bearbeitung sogenannter „Honeycombs“ entwickelte LMT Onsrud spezielle T-Nutenfräser und Einsatzfräser mit variablen Schnitthöhen und austauschbaren Schneidenteilen. Diese Struktur- und Innenplatten werden in Flugzeugen eingesetzt. Die Nutenfräser können in nur einem Schritt die Deckschicht be- und die Wabenstruktur hinterschneiden. Mit einem PKD 2-Werkzeug werden dann Deckschicht und Wabenstruktur beschnitten. Gleich drei Arbeitsschritte in einem Werkzeug vereint der „One-Shot-Drill“ von LMT Belin. Er kann Stacks aus CFK und Aluminium bohren, reiben und fasen, um sie für das Nieten vorzubereiten.
Azubi-Projekt Pedal Car mit CFK-Bauteilen

Etwas ganz Besonderes hat man sich bei der Paul Horn GmbH, Tübingen, für die AMB einfallen lassen. Um das Thema Verbundwerkstoffe möglichst praxisnah dem eigenen Nachwuchs nahezubringen, bauten die Azubis ein Pedal Car, eine Art moderne Seifenkiste. Chassis und die geteilte Hinterachse bestehen aus CFK. Zu sehen ist es auf dem Stand der Horn-Akademie im Eingangsbereich Ost, Stand Nr. E2-102. Die Werkzeuge, mit denen die Azubis den Werkstoff bearbeitet haben, befinden sich auf dem Messestand 1I16 im L-Bank-Forum (Halle 1).

Vor allem CVD-Diamant als Schneidstoff spielt dabei eine wichtige Rolle. Er lässt sich nicht nur zum Drehen, sondern auch zum Fräsen von Aluminiumlegierungen, Graphit und mit abrasiven Füllmaterialien verstärkten Kunststoffen einsetzen. Pressesprecher Christian Thiele: „Durch die Kombination der hohen Standzeiten der Diamantwerkzeuge mit der neuen Horn-Spanleitgeometrie auf den CVD-Diamantschneiden, lassen sich die Produktivität um bis zu 35 Prozent steigern und die Bearbeitungskosten um bis zu 80 Prozent senken.“

Außerdem entwickelte Horn verschiedene Schneidplatten mit Wiper-Geometrie für die Hochleistungszerspanung beim Innen- und Außendrehen. Mit solchen Werkzeugen auf CVD-Basis seien deutlich höhere Standmengen möglich. Thiele stolz: „Bei einem Verbundwerkstoff aus PEEK (Polyetheretherketon) mit bis zu 50 Prozent Kohlefaseranteil konnten wir bei einem Kunden im Vergleich zu PKD-Werkzeugen die Standmenge um das Dreifache erhöhen.“

Maschinenbauer mit neuen Konzepten

Nicht nur die Werkzeughersteller sind gefordert, wenn es um die Bearbeitung faserverstärkter Verbundwerkstoffe geht, auch die Werkzeugmaschinenhersteller müssen sich einiges einfallen lassen. Der italienische Hersteller Jobs S.P.A, Piacenza, verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung mit solchen Maschinen. Die Reihe „Speeder“ ist eine Familie von Fräszentren mit beweglichem Portal und wurde speziell für die Composite-Bearbeitungen in der Luftfahrt- und Automobilindustrie konzipiert.

Antonio Dordoni, Vizepräsident Verkauf, Marketing und Service: „Die Speeder-Familie besteht aus zwei Grundversionen ähnlicher Struktur, aber unterschiedlichen Leistungen bis 22 kW und Geschwindigkeiten bis 60 m/min. Diese können an die spezifischen Anforderungen des Kunden angepasst werden.“ Besonders sei es den Entwicklern auf niedrige Betriebskosten und einfache Wartung angekommen. „Wir haben außerdem technische Lösungen gesucht, die dem Ecodesign und der Umweltfreundlichkeit der „Green Vision“ von Jobs entsprechen.“ Die Hochportalanlagen eigneten sich für mittelgroße und große Dimensionen. Sie verfügten über eine hohe Dynamik und hohe Betriebsvolumina.

Wichtig bei der Bearbeitung faserverstärkter Werkstoffe: Ein leistungsfähiges Absaugungssystem und eine geschlossene Kabine, die dem Bediener trotzdem eine gute Zugänglichkeit und Sicherheit garantiert. Zu sehen sind die Speeder-Anlagen in Halle 5 am Stand 5A11. Ebenfalls auf die speziellen Anforderungen der Bearbeitung von Verbundwerkstoffen hat sich das Schweizer Unternehmen Otto Suhner mit Deutschland-Niederlassung in Bad Säckingen eingestellt. Zunehmend würden diese im Automobilbau für Autodächer, Karosserieteile, Innenverkleidungen, Schalter und Bedienelemente eingesetzt, so Dieter Herzog, Leiter des Fachbereichs Automation. Und im Flugzeugbau werde das früher „fast ausschließlich eingesetzte Aluminium durch Stacks, Mehrschichtmaterialien unterschiedlichster Werkstoffe, ersetzt“.

Gerade diese geschichteten Materialien stellen bei der Zerspanung höchste Ansprüche an die jeweiligen Bohr- und Fräswerkzeuge und an die Bearbeitungsmaschine. Herzog: „Um optimale Bearbeitungsergebnisse zu erzielen, müssen sehr unterschiedliche Schnittparameter verwendet werden. Der Wechsel sollte idealerweise automatisch erfolgen, die Spindeldrehzahl und der Vorschub müssen also bei jedem Übergang in das nächste Material unabhängig voneinander angepasst werden können.“ Suhner entwickelte deshalb speziell für die Flugzeugindustrie handbetriebene zweiachsige CNC-Nietbohrmaschinen, die diese Voraussetzungen erfüllen. Ganz neu sind stationäre Bohreinrichtungen, die sich derzeit in der Testphase befinden. Ähnliche Anforderungen finden sich in der Automobilindustrie mit aus CFK hergestellten Automobilkomponenten.

Herzog: „Genau für diese Vorgaben bietet Suhner entsprechende Bearbeitungseinheiten an, die bei großen, sperrigen Werkstücken eingesetzt werden, da sie gleichzeitig aus unterschiedlichen Richtungen arbeiten können.“ Als Beispiel führt Herzog eine Sondermaschine an, die mit 33 Spindeln zeitgleich in weniger als 2,5 Sekunden 33 Bohroperationen ausführen kann. Otto Suhner zeigt seine Produkte für die Bearbeitung solcher Werkstoffe in Halle 3, Stand 3C76. Weniger auf die Bearbeitung von Verbundwerkstoffen, als vielmehr auf deren Einsatz in Werkzeugmaschinen, hat sich die Xperion Components GmbH & Co. KG in Laudenbach spezialisiert.

Sie zeigt auf ihrem Stand E2-206 im Eingangsbereich Ost, Komponenten aus CFK, die hohen Beschleunigungen ausgesetzt sind. „Geringes Gewicht und die einstellbare, bei Bedarf sehr hohe spezifische Steifigkeit, gepaart mit einer niedrigen, ebenfalls definierbaren Wärmeausdehnung, sind die wertvollen Werkstoffeigenschaften, die CFK gegenüber Stahl bietet und die in signifikante Mehrwerte für den Anwender umgesetzt werden können“, wirbt Geschäftsführer Thomas Henß.

So erlaube der X-Girder, ein rechteckiger CFK-Träger mit montierten Führungsschienen in thermostabiler Ausführung, gegenüber Stahl eine 20-fache Geschwindigkeitssteigerung ohne Qualitätsverlust. Das Problem dabei: CFK ist nahezu thermostabil, Stahl dehnt sich unter Wärmeeinwirkung aus. Eine starre Verbindung würde bei schwankenden Einsatztemperaturen zu Verwerfungen führen und damit die Wiederholgenauigkeit gefährden. Thomas Henß: „Mit einer patentierten Befestigungslösung ist es uns gelungen, eine axiale Ausdehnung der Führungsschiene zuzulassen und damit alle Bedenken hinsichtlich Wiederholgenauigkeit zu verwerfen.“

 

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