Die Rückfederung beim Blechbiegen im Fokus
Forschungsprojekt am utg der TU München
Die Stanzbiegetechnik ermöglicht eine wirtschaftliche Herstellung von Blechbauteilen mit hoher Funktionsintegration. Allerdings verursachen steigende Verarbeitungsgeschwindigkeiten Geometrieveränderungen, die bei Nichtbeachtung zu abnehmender Maßhaltigkeit führen. Ein Grund, sich genauer mit der elastischen Rückfederung und deren Einflussgrößen zu beschäftigen.
Werkzeugkonzept mit integrierter Messtechnik
Verschiedene industriell angewandte Fertigungsverfahren der Werkstofftrennung, wie Scherschneiden, werden in der Stanzbiegetechnik mit umformtechnischen Verfahren, wie Biegen, zur Herstellung von einfach oder komplex geformten Bauteilen aus Feinblechwerkstoffen kombiniert. Diese Blechbiegeteile finden in alltäglichen Produkten vielfältige Anwendungen. Das Spektrum reicht von einfachen Blechwinkeln bis hin zu mehrfach komplex gebogenen Bauteilen für die Automobilindustrie.
Als Ausgangsmaterial dienen Halbzeuge in Form von Metalldrähten oder -bändern aus Aluminium-, Kupfer- oder Stahllegierungen. In der weitgehend automatisierten Massenproduktion lassen sich mit der Stanzbiegetechnik komplexe Bauteile und Baugruppen mit hoher Funktionsintegration wirtschaftlich fertigen. Höhere Produktivität sowie wettbewerbsbedingter Preisdruck bei zugleich hoher Maßgenauigkeit sind Herausforderungen, denen sich Stanzbetriebe stellen müssen, um am Markt erfolgreich bestehen und die Produktionsstätten in Deutschland erhalten zu können.
Eine Möglichkeit zur Zielerreichung ist die Steigerung der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Biegeteile werden momentan funktionsorientiert ausgelegt. Rückfederung und die Blechzuschnittslänge werden anhand von einfachen Berechnungsmodellen bestimmt. Der Einfluss der Verarbeitungsgeschwindigkeit zur Vorhersage der Rückfederung bleibt dabei unberücksichtigt. Allerdings hat sich gezeigt, dass Veränderungen der Bauteilgeometrie durch veränderte Verarbeitungsgeschwindigkeiten verursacht werden. Somit kann die Maßhaltigkeit nicht mehr erfüllt werden. Bereits eingearbeitete Werkzeuge müssen nachgearbeitet werden. Es entstehen zusätzliche Kosten durch die Nacharbeit, was sich ebenfalls negativ auf die Time-to-market auswirkt.
Um dieser Problemstellung entgegen zu wirken, hat der Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen (utg) der Technischen Universität München in einem von der Bayerischen Forschungsstiftung (BFS) geförderten Forschungsprojekt den Einfluss der Stempelgeschwindigkeit beim freien Abwärtsbiegen ermittelt. Im Fokus des Forschungsprojekts stand die Verbesserung der Vorhersagbarkeit prozessbedingter Rückfederung und gestreckter Längen mit dem Ziel, eine Verkürzung der Werkzeugeinarbeit in der Stanzbiegetechnologie zu erreichen. Dazu wurden am utg experimentelle Untersuchungen durchgeführt, die den Einfluss verschiedener Biegeparameter aufzeigen.
Zur Durchführung der Experimente wurde eine Bauteilgeometrie entwickelt, die es ermöglichte, verschiedene Parametervariationen flexibel in einem Werkzeug zu untersuchen. Für den am utg vorhandenen Stanzbiegeautomaten mit integriertem Schneidlaser, Pressenmodul und servogesteuerten Schlittenaggregaten wurde eine lineare Werkzeuglösung aus verschiedenen Einzelwerkzeugen entwickelt, die es ermöglichte, bei verschiedenen Werkstoffen Untersuchungen zum Rückfederungsverhalten durchzuführen. Dank eines im Werkzeug integrierten optischen Mikrometers konnte die Rückfederungsmessung während des laufenden Herstellungsprozesses bei verschiedenen Biegewinkeln, Biegeradien, Blechbreiten und Orientierungen der Biegeachsen zur Walzrichtung durchgeführt werden.
Die Parameteranalyse wurde um verschiedene, jeweils konstante, Stempelgeschwindigkeiten erweitert, um diesen Einfluss der Verarbeitungsgeschwindigkeit auf die Rückfederung und gestreckte Länge zu ermitteln. Die Versuchsreihen haben bestätigt, dass die Rückfederung von vielen geometrischen, werkstofflichen und prozessbedingten Einflussfaktoren abhängig ist. Während die Rückfederung inline gemessen werden konnte, wurde die Längenänderung der Biegeteile mit dem Tastschnittverfahren am fertig ausgestanzten Bauteil ermittelt. Basierend auf diesen experimentellen Messungen konnten schließlich die Parametereinflüsse erarbeitet werden.
Die in der Stanzbiegetechnik notwendigen Genauigkeiten zur Vorhersage der gestreckten Länge für den Platinenbeschnitt sind anhand der gängigen Berechnungsmodelle ausreichend genau. Die entstandenen Versuchsdaten der Rückfederung wurden zur Implementierung eines anwenderspezifisch erweiterbaren Metamodells genutzt, dessen Funktionalität im Anschluss mit weiteren Untersuchungen bestätigt wurde. Es ermöglicht vorab die Berechnung der Rückfederungsfaktoren für die in den Experimenten betrachteten Werkstoffe. Mittels eines Interpolationsansatzes ist auch die Vorhersage für weitere Parametervariationen möglich.
Das Wissen des Einflusses einer veränderten Verarbeitungsgeschwindigkeit bietet dem praktischen Anwender die Möglichkeit, bereits bei der Entwicklung von Biegebauteilen dies zu berücksichtigen und dadurch die Werkzeugeinarbeitszeit zu reduzieren. Somit sind eine kürzere Time-to-market und eine Sicherung der Produktionsstandorte in Deutschland möglich.
Biegeteile zur Untersuchung der Rückfederung
Mehr Informationen zur TU München Umformt.:
Technische Universität München | |
Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen | |
Walther-Meißner-Straße 4 | |
85748 Garching | |
Tel.: +49 (0)89 / 2 89 - 1 37 91 | |
Fax: +49 (0)89 / 2 89 - 1 37 38 | |
E-Mail: info@utg.de | |
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