Bezüglich ›Industrie 4.0‹ ist Panik völlig unnötig
Kein Grund, in Entwicklungspanik zu verfallen
Warum es bezüglich ›Industrie 4.0‹ völlig unnötig ist, in Panik zu verfallen, erläutert Frau Dr.-Ing. Bettina Alber-Laukant, akademische Oberrätin der Universität Bayreuth.
Fr. Dr.-Ing. Bettina Alber-Laukant
»Die immer kürzer werdender Produktentwicklungszeiten…« oder »die voranschreitende Digitalisierung in der Entwicklung…« sind Formulierungen, die in fast jeder studentischen Arbeit welche unser Lehrstuhl Konstruktionslehre und CAD an der Universität Bayreuth betreut, auftauchen. Sogar der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages beschäftigte sich im Jahr 2016 mit der »Diskussion um die Verkürzung von Produktlebenszyklen« und kommt zu dem Schluss, dass »sich die Geschwindigkeit der Produktinnovation drastisch erhöht«.
Pauschal über alle Produktklassen nun in Entwicklungspanik zu verfallen ist nicht angebracht, allerdings kann die zunehmende Digitalisierung in allen Produktsparten nicht geleugnet werden. Heute sind bei der Entwicklung von neuen innovativen Produkten computergestützte Systeme nicht mehr wegzudenken, sodass größtenteils nur noch vom virtuellen Produktentwicklungsprozess die Rede ist. Große Unternehmen nutzen die Möglichkeiten der computergestützten Entwicklung seit mehr als 30 Jahren, aber angesichts der fortschreitenden Globalisierung benötigen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) eine kontinuierlich wachsende Innovationskraft und Flexibilität.
Dies ist besonders bei der Berücksichtigung des Industrie 4.0-Konzepts für KMU von strategischer Bedeutung, da ihre Konkurrenzfähigkeit lediglich durch eine sehr hohe Flexibilität und das Erbringen qualitativ hochwertiger Produkte in der geforderten Zeit gewährleistet werden kann. Nur können sich kleine Unternehme sowohl die in der Regel teuren CAx-Programme als auch das qualifizierte Personal dazu leisten?
Um kleine Unternehmen zu befähigen im Wettbewerb mithalten zu können, bedarf es leistungsfähiger frei verfügbar Software und der Möglichkeit die Handhabung schnell, flexibel und kostenfrei zu erlernen.
Während der Markt an kostenlosen beziehungsweise günstigen CAD-Programmen inzwischen wächst, sind Berechnungsprogramme meist nur für viel Geld und erheblichen Schulungsaufwand zu bekommen. Um diese Lücke zu schließen wird am Lehrstuhl Konstruktionslehre und CAD seit 1985 ein kostenloses Finite-Elemente-Programm namens ›Z88‹ entwickelt, welches die komplette Bauteildimensionierung bis zur Ergebnisanalyse ermöglicht. In ›Z88Aurora‹ kann neben dem Import von 3D-CAD-Daten das Modell vernetzt und mit Randbedingungen versehen werden. Je nach Größe des Modells und Problemstellung stehen unterschiedliche Gleichungslöser zur Verfügung. Kontaktberechnungen, Eigenschwingungsanalysen, nichtlineare Berechnungen sowie thermische Berechnungen sind ebenfalls möglich. Die Akzeptanz der ständig steigenden Anwenderzahl zeigt sich in über 70 000 Downloads des FEM-Programms Z88Aurora.
Seit 2016 wird zudem ein freies Topologieoptimierungsprogramm mit dem Namen ›Z88Arion‹ angeboten, was weltweit das erste kostenlose Optimierungsprogramm mit grafischer Benutzeroberfläche ist. Optimierte Strukturen sind für die generative Fertigung Voraussetzung. Die notwendigen 3D-Drucker sind inzwischen kostengünstig zu haben und die Auswahl an druckbaren Materialien steigt stetig.
Die Universität Bayreuth liegt in einer Region, in der sehr viele Mittelständler sehr erfolgreich Produkte für die ganze Welt fertigen. Allerdings ist das Akquirieren von Mitarbeitern, die über das neueste Knowhow in der computergestützten Produktentwicklung verfügen, sehr schwierig. An gemeinsamen Kooperationsprojekten beteiligen sich häufig Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern.
Z88Aurora und Z88Arion eignen sich bestens für Unternehmen, welche die Berechnungssysteme für die Verbesserung ihrer laufenden Projekte einsetzen und neue Produkte entwickeln wollen. Jedoch macht nur ein kleiner Teil der Unternehmen Gebrauch von den Möglichkeiten, die eine computergestützte Entwicklung bietet. Im Gespräch mit den Anwendern wurde der Wunsch identifiziert, eine Schulungsmöglichkeit zu schaffen, bei der Anwender die Schulungszeit zeitlich frei wählen können, um die Weiterbildung möglichst einfach in den bestehenden Arbeitsalltag zu integrieren.
Dabei spielt die Erlernung der Software genauso eine Rolle wie das Verständnis des theoretischen Hintergrundes. Zwei vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte Projekte ›OPTIFEM.BAYERN‹ und ›PROGRESSadditiv‹ ermöglichten es uns, eine neue, netzgestützte Schulungsplattform mit Lehrmaterialien, basierend auf ›Moodle‹ aufzubauen, die sich diesen Problemen stellt.
Für die webbasierten Schulungen (Webinare) kommt ein Webconferencing-System zum Einsatz. Im Anschluss an das Live-Webinar stehen auf der Lernplattform Aufzeichnungen der Webinare, Schulungsunterlagen und Beispieldateien zum Selbststudium zur Verfügung. Präsenzveranstaltungen zur Theorie der Finite-Elemente-Analyse und Strukturoptimierung sowie verschiedene Live Workshops geben die Möglichkeit der direkten Betreuung.
Die Resonanz der Unternehmen ist durchweg positiv, da das vermittelte Wissen zeitunabhängig und individuell angepasst abgerufen wird. Zudem wird neben dem theoretischen Wissen auch die praktische Anwendung dieses Wissens vermittelt, indem eine kostenlose Simulationssoftware zur Schulung angeboten wird – die natürlich kostenfrei im Betrieb eingesetzt werden kann. Durch die ständige Erreichbarkeit der Lehrmaterialien und das offene Konzept wäre auch die Verwendung in der Ausbildung in technischen Berufen ideal möglich. Die kürzeren Produktentwicklungszeiten und ›Industrie 4.0‹ sollten demnach kein Problem darstellen, wenn die vorhandenen Angebote von den Unternehmen genutzt werden.
Mehr Informationen zur Uni Bayreuth und Z88:
Lehrstuhl für Konstruktionslehre und CAD | |
Universität Bayreuth | |
Universitätsstr. 30 | |
95447 Bayreuth | |
Tel.: +49 (0) 921 55 7191 | |
Fax: +49 (0) 921 55 7195 | |
E-Mail: konstruktionslehre.cad@uni-bayreuth.de | |
www.z88.uni-bayreuth.de | |
Download Z88Aurora: | |
www.z88.de |
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