Die Produktsicherheit im Fokus
Marktüberwachung in Zeiten weltweiter Produktion
Im Jahr 2018 gab es insgesamt 220 Produktrückrufe in Deutschland. Auch Maschinen sind von Rückrufen betroffen, allerdings in weitaus geringerem Maße. Im Jahr 2018 wurden acht Maschinen als unsichere Produkte eingestuft. Also alles in Ordnung in der Welt des Maschinenbaus? Naemi Denz, Mitglied der VDMA-Hauptgeschäftsführung, gibt Antworten auf diese Frage.
Naemi Denz
Mitglied der VDMA-Hauptgeschäftsführung
Wöchentlich können Bürger in Europa von Produktrückrufen oder Warnungen in der Presse lesen: Gammelfleisch, Salmonellen in Lebensmitteln, Netzstecker, die zu Stromschlägen führen. Die Liste der Gefährdungen ist lang. Im Jahr 2018 gab es insgesamt 220 Produktrückrufe in Deutschland. Auch Maschinen sind von Rückrufen betroffen, allerdings in weitaus geringerem Maße. Im Jahr 2018 wurden acht Maschinen als unsichere Produkte eingestuft. Also alles in Ordnung in der Welt des Maschinenbaus?
Im Februar 2019 hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier seine Industriestrategie 2030 vorgestellt. Er nennt darin das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und Industrieführerschaft auf nationaler, europäischer und globaler Ebene zu erhalten oder wiederzuerlangen und den industriellen Anteil an der Bruttowertschöpfung auf 25 Prozent in Deutschland und 20 Prozent in der Europäischen Union bis zum Jahr 2030 auszubauen. Das klingt erst einmal gut, oder?
Ein Ausbau der Industrie hat nicht nur mit der finanziellen Unterstützung bestimmter Schlüsseltechnologien zu tun. Unternehmen plagen sich mit einem heute schon nicht zu überblickenden Flickenteppich an Gesetzen herum. Schätzungen zufolge muss ein Unternehmen rund 17 000 Einzelnormen berücksichtigen.
International geht die Entwicklung in eine ähnliche Richtung. Die Anforderungen an sichere Maschinen und deren Umweltverträglichkeit steigen an. Dabei setzen Wirtschaftsräume wie die Eurasische Wirtschaftsunion mit Russland zunehmend auf einheitliche Regelwerke in der Region – oft nach europäischem Vorbild. Aktuell entwickelt auch Saudi-Arabien zusammen mit den Golfstaaten ein solches Regelwerk. Die Anforderungen erstrecken sich sowohl auf Energieeffizienz und Stoffverbote – mit Fokus auf elektrischen und elektronischen Bauteilen – als auch auf Aspekte der Maschinensicherheit
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Ja, das typische Aufstöhnen und Meckern der Wirtschaft um zu einer Entschlackung des Regelwerkes zu kommen! Aber Vorsicht. Nicht nur die Wirtschaft ächzt unter der Gesetzeslast. Auch die Marktüberwachungsbehörden sind betroffen. Denn die Einhaltung von Gesetzen muss überwacht werden. Sonst ist es wie im Straßenverkehr. Ohne Blitzer keine Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Für die Marktüberwachung wird es in Zeiten des Onlinehandels nicht einfacher. Hersteller aus aller Herren-Länder bieten Produkte auf Onlineplattformen an.
Bevor es das Internet gab, war es relativ einfach. Die Marktüberwachung konnte sich die Produkte vor Ort ansehen und prüfen, ob diese den relevanten gesetzlichen Vorgaben entsprachen. Im Onlinehandel werden die Produkte eben virtuell angeboten. Eine Überprüfung der Produkte und die Ermittlung des verantwortlichen Produktherstellers wird dadurch nicht einfacher. Eine rechtliche Gleichbehandlung von in der EU hergestellten und importierten Produkte ist also Voraussetzung für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie.
Eine Produktprüfung kann aber nicht am grünen Tisch erfolgen. Eine Dokumentenprüfung ist nur ein erster Schritt. Interessanter und wichtiger ist die tatsächliche Prüfung der Produkte, die verkauft werden. Hierfür benötigt die Marktüberwachung entsprechende Prüfstände, technisches Know-how und genügend Personal. Hieran mangelt es nicht nur in Deutschland, sondern in allen EU-Mitgliedstaaten.
Der vermeintliche Befreiungsschlag, den einige Mitgliedstaaten bei der gerade erfolgten Überarbeitung der europäischen Marktüberwachungsverordnung versucht hatten, war anstelle einer staatlichen Überwachung eine Drittzertifizierung einzuführen. Doch Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! Eine Drittzertifizierung prüft Produkte oder Dokument dazu bevor sie verkauft werden, nicht danach! Zertifizierungen durch Drittstellen sind aus Sicht des VDMA meist unnötig, da sie keinen nennenswerten Zugewinn an Sicherheit oder Rechtskonformität bieten. Die Verantwortung für ein Produkt verbleibt schlussendlich immer beim Hersteller. Auch kann eine Drittzertifizierung den Staat nicht vor seinen ureigenen Aufgaben entbinden.
Gibt es Handlungsbedarf? Herr Altmaier nennt in seiner Industriestrategie 2030 einige Herausforderungen, auch den zunehmenden Protektionismus und Abschottung. Ein Blick auf die Zahlen der Welthandelsorganisation WTO zeigt, dass es allein im Jahr 2017 weltweit 2 585 neue und geänderte technische Regulierungen einschließlich Vorgaben für Drittprüfungen gegeben hat. Die Liste zu den ›technical barriers to trade‹ aus dem Jahr 2017 führt eindeutig Uganda mit über 300 Einträgen an, gefolgt von den USA und Brasilien. Dem aufmerksamen Leser entgeht also nicht, dass es wieder Erwarten eben nicht China ist, das die Liste anführt. Langfristig – über die letzten 15 Jahre – betrachtet liegen die USA auf Platz 1, gefolgt von Brasilien, der Europäischen Union und China.
Das von Herr Altmaier geforderte Level-Playing-Field geht in die richtige Richtung, reicht allerdings nicht aus. Die Abschaffung von Zöllen und Abgaben ist wichtig, für den Maschinen- und Anlagenbau allerdings nicht der Kostentreiber auf internationalen Märkten. Viel mehr Geld und Personalressourcen kosten die technischen Handelsbarrieren, die weltweit eben nicht zurückgehen. Sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Union müssen verstärkt am Abbau der technischen Handelsbarrieren und der Marktüberwachung arbeiten. Auch für ein Level-Playing-Field im europäischen Wirtschaftsraum.
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Diesen Artikel finden Sie auch in Heft 5/2019 auf Seite 93. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!
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