Herausforderung und Chance zugleich
Die Unternehmensnachfolge gut regeln
In den nächsten Jahren ergeben sich für junge „Macher“ große Chancen, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen, da deren Besitzer in den Ruhestand treten. Marc Evers, DIHK-Experte Unternehmensnachfolge, beleuchtet diesbezügliche Chancen und Risiken.
Die deutsche Wirtschaft steht vor einer riesigen Nachfolgewelle. Über eine Millionen Unternehmerinnen und Unternehmer erreichen in den nächsten zehn Jahren das Ruhestandsalter. Der Anteil der über 60-jährigen Unternehmer hat sich von 2002 bis 2016 nahezu verdoppelt, von zwölf auf 21 Prozent. Gleichzeitig halbierte sich der Anteil der Jung-Unternehmer unter 40, von 28 auf 15 Prozent. Es ist höchste Zeit, zu handeln – seitens der Betriebe und seitens der Politik.
Ein Schlaglicht auf die Lage werfen die Erfahrungen der 79 Industrie- und Handelskammern (IHKs). Sie vertreten die Interessen der gewerblichen Unternehmen in der Industrie, im Handel und in den Dienstleistungs-Branchen. Sie decken mithin einen Großteil der deutschen Wirtschaft ab. Fast die Hälfte der Senior-Unternehmer, die sich im Jahr 2017 von den IHKs beraten ließen, hatten noch keinen passenden Nachfolger in Sicht. Von den potentiellen Nachfolgern hatten sogar 70 Prozent noch nicht den passenden Chefsessel gefunden. Das sind Rekorde in der seit 2007 geführten Statistik. Insgesamt nahmen über 23.000 Alt-Eigentümer und Nachfolgeinteressenten an IHK-Nachfolgetagen, -Seminaren und Beratungen teil, ein deutliches Plus von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr
Wie bei kaum einer anderen unternehmerischen Herausforderung spielen bei der Unternehmensnachfolge Emotionen eine wichtige Rolle. 36 Prozent der Alt-Inhaber haben Schwierigkeiten, von ihrem Lebenswerk „loszulassen“. 42 Prozent fordern einen überhöhten Kaufpreis – oft rechnen sie die über lange Jahre geleisteten auch persönlichen Mühen mit ein. Und: 76 Prozent kümmern sich zu spät um die Nachfolge. Die Herausforderung einer erfolgreichen Unternehmensübergabe landet gerade bei guter Auftragslage und dichtem Tagesgeschäft viel zu oft auf der „langen Bank“.
Eine besondere Situation sehen die IHKs in der Industrie. 19 Prozent der Senior-Unternehmer möchten einen Industrie-Betrieb in neue Hände geben. Auf der anderen Seite interessiert sich auf Seiten der Nachfolger ein fast doppelt so hoher Anteil – 36 Prozent – für ein Industrieunternehmen. Die Industrie ist also attraktiv für viele Nachfolge-Interessierte. Schließlich sind hier viele Hidden-Champions beheimatet, die sich durch Innovation und Kundennähe über Jahre Top-Positionen auf den Weltmärkten erarbeitet haben.
Doch das Zusammenfinden der „richtigen“ Partner gestaltet sich in vielen Fällen schwierig. Oft sind vom Nachfolger hohe Kaufpreise zu stemmen. Zudem sind gerade in technischen Branchen die Anforderungen an das fachliche Know-how zukünftiger Unternehmenslenker hoch. Häufig hinterfragen Interessenten die Unternehmensübernahme, wenn Fachkräfte für die anstehenden Herausforderungen nur schwer zu gewinnen sind. In kleineren Betrieben kommt bisweilen die Abhängigkeit von Großkunden als besondere Herausforderung hinzu.
Ein neuralgisches Thema ist häufig die Digitalisierung. Die Erfahrungen aus der IHK-Beratung zeigen, dass viele Senior-Unternehmer Digitalisierungsprojekte bis zu einer Nachfolgelösung erst einmal zurückstellen. Dieser Nachfolge-Attentismus droht, den Generationenübergang zusätzlich zu erschweren – gerade in Zeiten immer schnellerer Innovationszyklen. Der Unternehmenswert droht zu sinken. Die Herausforderungen gehen weit über technische Abläufe hinaus. Sie betreffen die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern, die Kommunikation mit Kunden und das gesamte Wettbewerbsumfeld.
Treiber disruptiver Entwicklungen sind etwa das Internet der Dinge, Robotertechnologie, 3D-Druck, künstliche Intelligenz, Plattformen und Blockchain-Technologie. Doch hieraus können auch ganz neue Möglichkeiten und Geschäftsmodelle entstehen. Gerade der Generationenübergang bietet die Chance für ein Change-Management, das von Alt-Eigentümer, Belegschaft und Nachfolger gemeinsam angetrieben wird. Gefragt ist digitales Denken, auch bei der Unternehmensnachfolge.
Vor diesem Hintergrund sollte die Politik alles tun, Betriebe von Hemmnissen zu entlasten, die eine Nachfolgelösung erschweren. Dringender Handlungsbedarf besteht hier vor allem bei der Erbschaftsteuer. So berichten 25 Prozent der potenziellen Nachfolger in der IHK-Beratung, dass die andauernde Unsicherheit bei der Anwendung des neuen Erbschaftsteuerrechts die familieninterne Nachfolge erschwere. Das Gesetz wurde zwar bereits vor zwei Jahren beschlossen, doch die Umsetzung mittels entsprechender Verwaltungsvorschriften ist noch immer in Arbeit. Der DIHK hat hierzu gerade gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden der gewerblichen Wirtschaft Vorschläge vorgelegt. Die Politik sollte dringend dafür sorgen, dass das Gesetz einfach und mittelstandsfreundlich umgesetzt wird.
Ein weiteres wichtiges Aktionsfeld für die Politik ist der Bürokratieabbau. 18 Prozent der von den IHKs beratenen Senior-Unternehmer würden sich heutzutage nicht mehr selbstständig machen, vor allem auch wegen zunehmender Bürokratie. Die Belastungen haben aus Sicht des Mittelstandes überhandgenommen. In den Beratungen fallen sehr häufig die Stichworte DSGVO, Steuerformulare, Doppelmeldungen für amtliche Statistiken, komplizierte Genehmigungsverfahren. Es ist dringend spürbarer Abbau erforderlich. Die Politik sollte deshalb endlich ein seit langem angekündigtes wirksames drittes Bürokratieentlastungsgesetz umsetzen. Die IHK-Organisation hat hierfür bereits eine Liste mit 35 konkreten Maßnahmen vorgelegt.
Die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Unternehmen die Chancen der Digitalisierung ergreifen können, ist ein rasches Internet. Glasfaser- und 5G-Ausbau müssen vor allem auch den Unternehmen in ländlichen Gebieten das für Unternehmensanwendungen notwendige schnelle Internet bereitstellen. Den im Koalitionsvertrag angekündigten flächendeckenden Ausbau muss die Politik daher zügig angehen.
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