Der digitale Irrweg des Fiskus
Finanzverwaltung nach Orwellscher Art
Hinsichtlich einer digitalen Verwaltung ist Deutschland schlecht bis sehr schlecht aufgestellt. Länder, wie etwa Dänemark, Finnland oder Estland sind hier schon wesentlich weiter. In Estland lautet das Prinzip „Digital first“, um Zeit und Kosten zu sparen. Von den digitalen Möglichkeiten der genannten Länder ist Deutschland meilenweit entfernt. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Die Digitalisierung der Finanzbuchhaltung, da hier massive Vorteile für den Fiskus winken.
Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass die Digitalisierung der Industrie aktuell umfassend vonseiten des Staates sowie der EU eingefordert wird. So wird es beispielsweise für Firmen höchste Zeit, in die volldigitale Buchhaltung einzusteigen, will man auch künftig Aufträge von Behörden erhalten. Das Erstellen einer sogenannte X-Rechnung ist Voraussetzung dazu. Dieses Format ist an das PDF-Format angelehnt, geht jedoch in seinen Möglichkeiten weit darüber hinaus.
Unternehmen, die zur digitalen Welt umschwenken, müssen strenge Auflagen einhalten. So sind etwa Voraussetzungen zu schaffen, E-Mails – die den Geschäftsprozess betreffen – digital zu speichern und revisionssicher vorzuhalten, sodass diese jederzeit eingesehen werden können. Es genügt nicht, ausgedruckte E-Mails zu archivieren. Digital zu arbeiten bedeute auch, die Strukturen anzupassen. So sollte beispielsweise ein eigener Mail-Account angelegt werden, der ausschließlich für Eingangsrechnungen genutzt wird.
Warum Unternehmen mit sanfter Gewalt dazu gebracht werden sollen, ihre Buchhaltung voll digital zu führen, ist der Tatsache geschuldet, dass diese dadurch von den Finanzämtern automatisiert geprüft werden können, mithin vollständig gläsern werden. So wird künftig der Betriebsprüfer einen Datenträger im Format ›GDPdu‹ anfordern und diesen mit dem Programm ›IDEA‹ prüfen. Diese Software ist in der Lage, die Verteilung von Ziffern und Buchstaben in einem Datenbestand zu prüfen. Wird festgestellt, dass diese von den statistisch zu erwartenden Mittelwerten abweichen, wird der Prüfer hier näher hinsehen, da eine Manipulation vermutet wird.
Im Gegensatz zum manuellen beziehungsweise analogen Zugriff auf die Firmendaten erhält der Fiskus auf diese Weise einen wesentlich tieferen Einblick in die Unternehmen, da die Daten teilweise bis auf Kontenebene digital übergeben werden. Auf diese Weise kann der Staat Personal einsparen, da die Betriebsprüfung an Bedeutung verlieren wird, solange die Buchhaltung alles richtig macht und in der automatisierten Prüfung keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Eine Möglichkeit, die enge digitale „Partnerschaft“ mit den Finanzbehörden abzulehnen, existiert nicht.
Die Technik darf bei dieser engen Zusammenarbeit nicht mehr ausfallen. Die Pflicht dazu, dies zu gewährleisten, wurde in der DSGVO eingearbeitet, sodass gewaltige Strafen auf diejenigen Unternehmen warten, die hier „nicht genug getan haben“. Dieser Vorwurf ist sehr dehnbar, da es immer Ausfälle geben wird, selbst wenn bestmögliche Vorsorge getroffen wurde. Vor allem Cloud-Lösungen sollte mit großer Skepsis betrachtet werden, da hier zu viele Unwägbarkeiten lauern, die einer hohen Datensicherheit abträglich sind.
Nachdem das Bankgeheimnis geschliffen wurde und die digitale Buchhaltung voranschreitet, wird der Staat ein nie dagewesenes Maß an Kontrolle bekommen. Mühelos kann ermittelt werden, an welcher Steuerschraube noch gefahrlos gedreht werden kann, ehe sich ein Widerstand bei Unternehmen oder Bürgern einstellt. Es bedarf dringend einer Korrektur dieses Weges. Schließlich soll es nicht Ziel des Staates sein, maximalen Profit aus seinen Bürgern und Unternehmen herauszupressen.
Herzlichst
W. Fottner
Chefredakteur ›Welt der Fertigung‹
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