Zu ›Industrie 4.0‹ muss sich ›Schule 4.0‹ gesellen
Die Schulqualität entscheidet über unsere Zukunft
Deutschland ist relativ arm an Bodenschätzen. Der Wohlstand gründet sich daher hauptsächlich auf die gute Ausbildung der hier lebenden Menschen. Diese kommen dadurch in die Lage, importierte Rohstoffe zu exzellenten Maschinen, Kraftwerken und Autos zu veredeln. Ein hochleistungsfähiges Schulsystem ist daher für Industrienationen Pflicht. Leider sind politische Entscheidungen getroffen worden, die dem Schulsystem und daher den nachfolgenden Generationen extrem schaden. Die Folgen werden fatal sein.
Unter dem Schlagwort ›Industrie 4.0‹ haben sich Deutschlands Unternehmen aufgemacht, neue Wege in Sachen ›effizientere Fertigung‹ zu beschreiten. Der Schritt ist überfällig, kommt jedoch gerade noch rechtzeitig. Sich nur auf das Renommee bisheriger Produkte zu verlassen, ist in einer schnelllebigen, technischen Welt tödlich.
Das Unternehmen Deckel, ein ehemaliges Schwergewicht im Bau hochwertiger Fräsmaschinen, hat beispielsweise den Trend zur CNC-Steuerung verschlafen und ist daher heute Geschichte.
Maho hingegen hat sich dieser Technik von Anfang an mit Haut und Haar verschrieben und so seinen kometenhaften Aufstieg ermöglicht. Allerdings nutzt es nichts, seiner Zeit zu weit voraus zu sein, wie Maho leidvoll mit seinem CIM-Engagement erfahren musste. Die Komplexität einer mannlosen Fertigung wurde schlicht unterschätzt, weshalb CIM schließlich wieder begraben wurde.
Zu viele Bausteine waren damals nicht CIM-tauglich, was sich mit Industrie 4.0 nun ändert. Ob Werkstück, Spannmittel, Steuerung oder Leitrechner – jedes am Fertigungsprozess beteiligte Objekt wird künftig in der Lage sein, in dieser Umgebung seinen Part selbstbestimmt zu spielen: Der ankommende Rohling sagt der jeweiligen Maschine, was an ihm zu machen ist, woraufhin diese sich selbst mit den passenden Werkzeugen bestückt. Dies geht so lange weiter, bis am Ende der Kette das fertige Werkstück von einem Roboter verpackt und ins Lager gebracht wird.
In diesem Kontext wird der aufstrebende 3D-Druck eine überragende Rolle spielen, der Mensch jedoch immer öfters nur mehr für Wartungs- und Einstellarbeiten gebraucht. Durch weniger Beschäftigte sinken die Personalkosten in den einzelnen Unternehmen. Dennoch ist nicht mit einer Abnahme der Arbeitsplätze zu rechnen. Eher wird das Gegenteil der Fall sein: Durch Industrie 4.0 wird dieser Nachteil bei Weitem durch neue Arbeitsplätze beziehungsweise neue Unternehmen mehr als ausgeglichen. Diese werden mit völlig neuen Dienstleistungen und Produktionskonzepten für Leben auf dem Markt sorgen.
In der Konsequenz bedeutet dies, dass die kommenden Facharbeiter- und Führungsgenerationen eine noch intensivere Ausbildung genießen müssen, um geringerer Unternehmenspersonalstärke sowie anspruchsvollerer Technik gerecht zu werden. Diesbezüglich sieht es in Deutschland jedoch wenig erfreulich aus. Schmerzlich muss man zur Kenntnis nehmen, dass junge Leute immer weniger in der Lage sind, einfache technische Berechnungen anzustellen oder erarbeitete Lösungen auf eine neue Aufgabe zu übertragen. Ist der Handy-Generation das handwerkliche Geschick sowie die Lust am selbstständigen Denken verloren gegangen?
Die Gründe sind vielschichtig und sicher auch in der Schule zu suchen. Teilweise schlechte und veraltete Ausstattung, fehlendes Personal und inhomogene Klassen ziehen das Niveau nach unten. Zu allem Überfluss wird nun schon wieder überlegt, an grundlegenden Bausteinen unseres Schulwesens zu hämmern, was wohl nicht dazu führen wird, dass unser Nachwuchs dadurch besser auf das Leben in einem hoch technisierten Land vorbereitet wird.
Es wird wohl eher alles schlimmer. In großer Zahl fehlen heute schon Lehrkräfte, weshalb der Unterrichtsausfall zur Regel in Deutschland wurde, was ein handfester Skandal ist. In der Summe werden durch den fehlenden Unterricht immer mehr junge Leute nicht in der Lage sein, den Ansprüchen der Industrie zu genügen.
Deutschland hat einen steigenden Bedarf an fitten Schulabsolventen, die in der Lage sind, die künftigen Verkaufsschlager unserer Industrie zu entwickeln, zu produzieren und zu vermarkten. Höchste Zeit, dieses Problem mit der nötigen Ernsthaftigkeit anzugehen, da sonst nicht nur ›Industrie 4.0‹, sondern durch die abnehmende Konkurrenzfähigkeit auch unser Land scheitern wird.
Wer nun denkt, dass dies wohl ein wenig übertrieben ist, sei daran erinnert, dass nur reiche Volkswirtschaften in der Lage sind, ein hoch entwickeltes Sozialsystem zu unterhalten. Bricht dieses zusammen, ist es nur mehr ein kleiner Schritt zu einem Dritte-Welt-Land.
Dieses Szenario hat Europa mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches erlebt. Am Ende befanden sich die Menschen im Mittelalter, das über viele Jahrhunderte meilenweit von den in der Antike bereits gemachten Errungenschaften entfernt war.
Höchste Zeit also, Deutschland in Sachen ›Schule‹ wieder zu stabilisieren!
Herzlichst
W. Fottner
Chefredakteur ›Welt der Fertigung‹
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