Der Schlüssel zum eigenen Glück
Beruflich und privat durchstarten
Bestseller-Autor Martin Wehrle zeigt in seinen Büchern Wege auf, sich zur selbstsicheren Person zu entwickeln. Dabei schöpft er aus seinen Erlebnissen als Heranwachsender, Journalist, Unternehmensberater und Karrierecoach.
Bestseller-Autor Martin Wehrle
© André Heeger
Sehr geehrter Herr Wehrle, immer mehr Menschen leiden unter dem Burn-out-Syndrom. Die Wartezimmer von Psychologen sind voll, Termine rar. Wie kommt dieser Trend zustande?
Martin Wehrle: Die Arbeit hat sich wie ein Trojanisches Pferd ins Privatleben der Menschen geschmuggelt, wir kennen keinen Feierabend mehr. Früher war die Arbeit beendet, wenn einer nach Hause ging. Heute verfolgen ihn die Arbeiten auf seinem Laptop und seinem Smartphone, manchmal sogar bis ins Schlafzimmer und bis an den fernsten Urlaubsstrand. Wir können nicht mehr abschalten, sind rund um die Uhr gefordert. Und viele Unternehmen haben ihren Personalbestand gekürzt, immer weniger Menschen müssen immer mehr Arbeit schultern. Kein Wunder, dass da viele zusammenbrechen. Zumal wir mittlerweile an uns selbst auch den Anspruch haben, alles zu schaffen. Aber Menschen sind keine Maschinen.
Was müssen die betroffenen Menschen tun, damit sie wieder Tritt fassen können?
Wehrle: In meinem Buch ›Sei einzig, nicht artig!‹ zeige ich auf, wie wichtig es ist, wieder ans Steuerrad des eigenen Lebens zu treten. Es ist falsch, dass wir es immer den anderen recht machen wollen, den Kollegen, dem Chef, der Firma – wichtiger ist, dass wir wieder auf unsere eigenen Bedürfnisse hören: Was will ich – und was nicht? Und wo liegt meine persönliche Belastungsgrenze? Darum beschreibe ich in meinem Buch 22 Strategien zum Nein-Sagen. Zum Beispiel sollte man nicht sofort ›Ja‹ sagen, wenn der Chef um Überstunden bittet. Gewinnen Sie Zeit, indem Sie sagen: »Ich komme gleich auf Sie zurück.« Und nun sammeln Sie sich innerlich und stellen sich auf für ein klares ›Nein‹ ein – statt reflexartig ›Ja‹ zu sagen. Wer ›Nein‹ zu überzogenen Forderungen anderer sagt, sagt gleichzeitig ›Ja‹ zu sich selbst.
Sie schreiben in diesem Buch, dass nur 15 Prozent aller Deutschen von Momenten berichten können, an denen sie wirklich glücklich waren. Verkümmert bei Menschen, die in Industrienationen wohnen, die Gabe, sich auch über Kleinigkeiten zu freuen?
Wehrle: Wir haben die Glücksmaßstäbe der Medien und der Werbung übernommen. Reich ist nur, wer ein paar Millionen auf dem Konto und eine Villa im Grünen hat. Erfolgreich ist nur, wer ganz oben in der Hierarchie auf einem Chefsesselt thront und abends in Goldtalern badet. Dabei hat wahres Glück nichts mit materiellem, sondern nur mit innerem Reichtum zu tun. Wer zum Beispiel eine Arbeit und Kollegen hat, auf die er sich jeden Tag freuen kann, ist glücklicher als so mancher Top-Manager, dessen Gehalt nur ein Schmerzensgeld ist. Schön sind alle Momente, in denen wir ganz lebendig sind – sei es ein Spaziergang im Wald, ein Tag mit der Familie oder der Anblick eines Sonnenuntergangs. Aber um das zu genießen, braucht es Bewusstsein.
Der Fokus von immer mehr Menschen ist auf das Geldverdienen gerichtet. Kinder werden nicht selten als Hindernis zum erfüllten Leben gesehen. Die Rente hingegen als Schwelle zum Glück, in der man seine Belohnung für das strebsame Leben in Form eines ungezwungenen, sorglosen Ruhestandes abholen kann. Was antworten Sie denjenigen Menschen mit dieser Lebenseinstellung?
Wehrle: Ich frage: »Woher wissen Sie eigentlich, dass Sie Ihre Rente erreichen werden?« So mancher, der sich darauf gefreut hat, ist ein paar Wochen davor gestorben. Wer es ernst mit seinem Glück meint, sollte eine Übung aus meinem Buch probieren – sich jeden Tag morgens fragen, ob er seine Zeit genauso verbringen würde, wenn dies der letzte Tag seines Lebens wäre. Wer mehrere Tage nacheinander ›Nein‹ sagt, macht etwas verkehrt. Offenbar lebt er zwar – aber nicht sein Leben, sondern das Leben der anderen, gesteuert von äußeren Zwängen. Aber natürlich muss man auch wissen: Glück ist ein Zustand, den man vor allem im Rückspiegel erkennt. Wer glücklich ist, denkt nicht über sein Glück nach, sondern lässt sich einfach darin treiben wie in einem Strom. Glückliche Menschen reden oft erstaunlich wenig über ihr Glück. Wer es dagegen jagt wie eine seltene Tierart, dem läuft es selten vor die Flinte.
Wie Sie erwähnten, ist im Berufsleben zu beobachten, dass der pünktliche Feierabend zur Ausnahme wird. Zusätzlich werden Stellen abgebaut und immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt. Kritisch, wenn das eigene Arbeitsmanagement für diese Fälle schlecht durchdacht ist. Was raten Sie den Beschäftigten?
Wehrle: Als Karriereberater sehe ich immer wieder, dass einzelne Arbeitnehmer pünktlich Feierabend machen und dennoch respektiert werden – sogar in Betrieben, die als Tretmühlen bekannt sind. Heimlich haben Chefs Respekt vor Mitarbeitern, die gute Arbeit leisten, aber auch Grenzen ziehen bei ihren Arbeitszeiten und sonst. Wer Schwierigkeiten hat, den Schalter umzulegen, könne zum Beispiel in eine Fahrgemeinschaft einsteigen – dann muss er jeden Tag um eine bestimmte Zeit gehen. Und bald wird er merken: Die anderen respektieren das! Manchmal muss einer in einem Großraumbüro den Anfang machen, und dann wagen es auch die anderen, früher zu gehen. Es ist eine lächerliche Praxis, dass oft keine als Erster gehen will – und deshalb leiden alle zusammen.
Oft wird auch am Wochenende nicht abgeschaltet. Man ist per Handy jederzeit erreichbar und erledigt gar Liegengebliebenes zuhause. Eine sinnvolle Angewohnheit?
Wehrle: Ich glaube, ein Fluss braucht Ufer, sonst überschwemmt er die Landschaft. Und auch ein Arbeitsleben braucht Grenzen. Es liegt an jedem einzelnen, diese Grenzen zu verteidigen. Die erste und wichtigste Maßnahme: grundsätzlich nach Feierabend keine Dienstmails mehr abrufen und keine Dienstanrufe mehr annehmen. Denn wenn Sie erst mal damit anfangen, geht jeder davon aus, dass Sie 24 Stunden verfügbar sind. Es ist im Sinne des Arbeitsgebers, sich Erholungszeiten zu nehmen. Denn ein Burnout ist teuer – auch für die Firmen.
Sie erwähnen im Buch, dass manche Angestellte bei der Vergabe interessanter Projekte aus einem ganz bestimmten Grund nicht zum Zug kommen, obwohl sie sich immer für ihre Firma eingesetzt haben. Was haben diese falsch gemacht?
Wehrle: Man bekommt im Leben meist, was man fordert. Und oft setzen sich bei der Vergabe von Projekten die Lautesten durch, die Trommler und Selbstverkäufer. Wer bescheiden im Hintergrund steht und sich mehr um seine Arbeit als um seine Selbst-PR kümmert, kommt oft unter die Räder. Hier ist es wichtig, die eigenen Erfolge zu kommunizieren und auch Ansprüche anzumelden – das gilt übrigens auch für Gehaltserhöhungen und Beförderungen.
In Schulen und Weiterbildungseinrichtungen wird nicht selten an der Erosion von Kreativität und Individualität gearbeitet. Ein Sargnagel für Industrienationen?Wehrle: Ja, denn andere Länder können viel billiger produzieren. Unser Trumpf ist die Kreativität. Wir brauchen Schulen, in denen die Schüler nicht fürs Träumen gerügt, sondern gelobt werden; Schulen, die sich nicht aufs Abfragen von altem, sondern aufs Erzeugen von neuem Wissen konzentrieren. Viele Schüler bringen große Potenziale mit, gerade mit Blick auf die neuen Medien. Hier ließen sich viele Schätze heben.
Sie schreiben in Ihrem Buch unter anderem davon, dass der Ausbruch in ein selbstbestimmtes Leben auch deswegen so schwer fällt, weil in uns ein Programm aus Urzeiten abläuft, das zur damaligen Zeit für das Überleben notwendig war. Das Mitlaufen mit der Masse bewahrte vor Raubtieren, Feinden und Buschbränden. Heute ist dieses Verhalten nicht mehr nötig, teils sogar schädlich. Wie kann man das Gen-Programm abschalten?
Wehrle: Indem man sich bewusst macht: Wer eine graue Maus unter grauen Mäusen ist, fällt zwar nicht negativ auf – aber auch nicht positiv! Erfolgreiches Arbeiten und auch erfolgreiches Leben setzt voraus, dass man seinen eigenen Weg geht und sich von anderen abhebt. Wer echt ist und zu sich steht, kann viel mehr Kräfte aktivieren, als wenn er sich nur verstellt. Es ist wie im Märchen: Natürlich schneidet ein kleiner Schwan schlecht ab, wenn er sich unter jungen Entlein bewegt. Er fühlt sich hässlich – aber nur deshalb, weil er sich der falschen Gruppe zugesellt hat. Ohnehin ist es ein Glücksrezept, sich weniger mit anderen zu vergleichen und mehr aufs eigene Gefühl zu verlassen.
Hunderttausende Frauen mit bester Bildung bleiben ohne Partner, weil sich diese einen vermögenden, gut aussehenden Prinzen zum Mann wünschen. Ist es übertrieben zu mutmaßen, dass diese Entwicklung ebenfalls der Unfähigkeit geschuldet ist, die eigenen Wünsche als Frau zu erfüllen,wenn der Traummann vorüberzieht, jedoch nicht mit praller Brieftasche, dafür mit viel Herz aufwarten kann?
Wehrle: Ich glaube, dass die Partnerwahl mittlerweile sehr von materiellen Einflüssen geprägt ist, bei Männern genauso wie bei Frauen. Früher hat der Chefarzt noch die Krankenschwester geheiratet, heute sollte es schon eine andere Chefärztin sein. Viele Frauen bringen akademische Abschlüsse mit und sind beruflich erfolgreich – dasselbe erwarten sie von potenziellen Partnern. Aber wie definieren wir „Erfolg“? Immer über Geld, immer über Ansehen. Dabei ist es viel wichtig, ob ein potenzieller Partner ein großes Herz hat und zu mir passt. Davon ist in der Produktwerbung nie die Rede, denn Herzen werden noch nicht im Supermarkt verkauft. Die besondere Kunst besteht darin, wieder auf die innere Stimme zu hören. Das eigene Bauchgefühl ist ein perfekter Ratgeber: Wir spüren ganz genau, welcher Partner uns guttut und welcher nicht.
Sie warnen vor dem naiven Glauben, dass ein starker Wille genügt, um seine angetrebten Ziele zu erreichen. Was fehlt noch, damit das gesetzte Ziel erreicht werden kann? Oder bleiben vielmehr manche Ziele unerreichbar?
Wehrle: Ich glaube, wir müssen zwischen Zielen und Träumen unterscheiden. Zum Beispiel ist es legitim, davon zu Träumen, ein Popstar, ein Schauspieler oder ein Bestseller-Autor zu sein. Aber wer sich ein solches Ziel setzt, überfordert sich zwangsläufig. Man kann zwar professionelle Musik machen, aber ob man ein Popstar wird, hängt von vielen Faktoren ab, die man selbst nicht beeinflussen kann. Wer sich ein Ziel setzt, sollte immer in der Lage sein, es aus eigener Kraft zu erreichen, und zwar ohne dass er sich überfordert. Oft sind kleine Ziele mehr wert als große. Und ich bin sicher, dass mancher Förster im Wald ein glücklicheres Arbeitsleben genießt als so mancher Top-Manager, der sich täglich verbiegt, oder so mancher Weltstar, der sein Leben nur unter einer hohen Drogendosis erträgt.
Sie stellen klar, dass niemand verantwortlich ist, wenn sich das persönliche Glück nicht einstellt. Viele Menschen können jedoch nicht damit leben, dass sie keinen Fortschritt bezüglich ihrer Situation erzielen. Sie ziehen sich von der Gesellschaft zurück oder legen sogar Hand an sich selbst an. Was sagen Sie diesem Personenkreis?
Wehrle: Ich wünsche diesen Menschen, dass Sie auch auf dem zweiten Auge schärfer sehen. Das erste Auge schaut immer: Was fehlt mir? Was kann ich nicht? Was hätte ich noch gern? Aber das zweite Auge könnte schauen: Was habe ich schon alles? Was kann ich schon? Was brauche ich für mein Glück gar nicht mehr? Das Problem besteht selten in den Fakten – aber oft in unserer Wahrnehmung. Zwei Menschen können in exakt derselben Situation leben, einer damit glücklich, der andere unglücklich. Wahrnehmung lässt sich steuern, und der Kompass sind unsere Werte: Worauf will ich mich konzentrieren, auf mein Glück oder auf mein Unglück? Alles, worauf ich mich konzentriere, wird verstärkt.
Oft wird die schlechte Kindheit als Ursache für alles Unbill verantwortlich gemacht, das einem widerfährt. Darf man sich als erwachsener, unabhängiger, selbst denkender Mensch hinter dieser Mauer verstecken?
Wehrle: Nein, denn ein erwachsener Mensch ist für sich selbst verantwortlich, für sein Denken, für sein Fühlen und für sein Handeln. Gerade eine schwierige Kindheit kann ein Ansporn sein, die Selbstbestimmung im eigenen Leben zu nutzen – und sich selbst Wünsche zu erfüllen, die früher offengeblieben sind. Natürlich weiß ich, welche Macht die alten Sätze der Erziehung haben. Wer oft genug gehört hat, er sei zu nichts zu gebrauchen, glaubt es am Ende selbst. Dann macht er sich noch als Erwachsener Mensch ständig Vorwürfe und führt Dialoge, in denen er sich beschimpft. Aber wer sich solche inneren Vorgänge bewusstmacht, kann sie unterbrechen. Eine einfache Frage hilft: Wie will ich mit mir umgehen? Will ich mich mit derselben Höflichkeit und demselben Respekt behandeln, den ich auch anderen angedeihen lassen? Oder ist es in Ordnung, dass ich viel schlechter mit mir umgehe? Dieser Ansatz weist den Weg zu einem konstruktiven Umgang mit sich selbst.
In Ihrem Buch warnen Sie vor Schwarmintelligenz, die Sie vielmehr als Schwarmdummheit betiteln. Sie sind der Meinung, dass derjenige, der selbst denkt und für sich handelt, stärkere Trümpfe in der Hand hat. Haben Sie Beispiele dazu aus Ihrem Erfahrungsfundus, wo dies zutreffend war?
Wehrle: Ich habe schon oft erlebt, dass junge Menschen aus einem Abiturjahrgang zu auffallend großen Teilen dasselbe Studium gewählt haben, etwa Pädagogik. Aber diejenigen, die sich nur angeschlossen haben, werden mit dem Fach nicht glücklich. Die Noten stimmen nicht, das Glücksgefühl bleibt aus, sie leben in einem falschen Film. Aber was passiert, wenn ein solcher Mensch auf sein Herz hört und seinen eigenen Weg geht, zum Beispiel ein Kunststudium? Auf einmal platzt er Knoten, er ist wirklich lebendig und bringt gute Leistungen. Es ist wie beim Fußball: Wer Talent als Torwart hat, muss deshalb noch lange kein guter Stürmer sein. Aber was, wenn er von Jugend an Feldspieler wird, nur weil eben die meisten Fußballer als Feldspieler agieren? Dann wird er Durchschnitt bleiben, statt sein wahres Talent zu entfalten. Für jeden von uns gibt es auf dem Platz des Lebens nur eine Position, auf der er sein ganzes Potenzial entfalten kann. Die Aufgabe besteht darin, diese Position zu finden oder sich ihr zumindest anzunähern.
Wohl nur wenige Menschen üben ihren Traumjob aus. Viele fühlen sich in ihrem Beruf nicht wohl und machen ihre Arbeit nur deswegen, damit der Lohn gesichert ist. Dies ist fatal für diejenigen Unternehmen, in denen unglückliche Menschen beschäftigt sind. Haben Sie Tipps, wie sich die Situation für diese Menschen verbessern lässt?
Wehrle: In jedem Beruf gibt es Tätigkeiten, die einen Menschen erfüllen, und andere, die ihn abstoßen. Das einfachste Rezept: mehr von dem tun, was Spaß macht, und weniger von dem, was die gute Laune bremst. Manchmal lässt sich die Arbeit entsprechend aufteilen, denn die Vorlieben unterscheiden sich. Aber wenn jemand merkt, dass er sich in den falschen Beruf verlaufen hat, sollte er eine Wende einlegen – sogar dann, wenn er 40 oder 50 Jahre alt ist; denn vor ihm liegen dann noch 20 bis 30 Berufsjahre, das lohnt sich. Jeder Tag, an dem ein Mensch unglücklich ist, ist ein verlorener Tag. Und es stimmt mich sehr bedenklich, dass nach einer Studie der Unternehmensberatung Gallup von zehn Mitarbeitern in Deutschland nur einer richtig motiviert ist. Aber liegt das nur an den Unternehmen? Sind Chefs wirklich für die Motivation zuständig? Ich glaube, es ist günstiger, wenn jeder Arbeitnehmer dafür auch einen Teil der Verantwortung selbst übernimmt.
In ihrem Buch steht ein wunderbares Beispiel, wo zwei Mitarbeiter den gleichen Job im Telefonservice ausüben. Während der eine sich nur als ewiger Prügelknabe missbraucht sieht, macht seiner Kollegin der Job richtig Spaß. Wodurch kommt der Unterschied zustande?
Wehrle: Das liegt an der inneren Haltung. Der eine ist der Überzeugung, den reklamierenden Kunden einen Gefallen zu tun und ihr Leben zu verbessern – er sieht einen Sinn in seiner Arbeit. Der andere dagegen betrachtet sich als Prügelknabe, der für Fehler geradesteht, die andere verursachen. Mit dieser Haltung muss er geradezu leiden. Das ist ja gerade die große Chance: Wir können uns für eine Haltung entscheiden. Die eine Haltung ermöglicht Glück, die andere versagt es. Oft lassen wir uns von Botschaften der Kindheit leiten und sprechen uns selbst das Recht auf Glück ab, Motto: Hauptsache, ich mache es den anderen recht! Ich schlage vor: Machen Sie es sich selber recht! Dann werden Sie glücklich, und das ist sozial – denn Glück strahlt immer auf andere ab.
Wir haben es also selbst im Griff, einen ungeliebten Job zum Traumberuf umzugestalten?
Wehrle: Was unsere Haltung angeht: ja. Was die Arbeitsumstände und die Aufgabe angeht: nur bedingt. Aber die Haltung ist immer wichtiger als die Tätigkeit an sich. Nehmen Sie das Extrembergsteigen: Einige Menschen finden Spaß daran, sich körperliche Qualen anzutun, die für andere die reinste Folter wären. Ob Folter oder Vergnügen, hängt von unserer Sichtweise ab. Zum Beispiel kenne ich Busfahrer, die mit ihrem Beruf extrem zufrieden sind, sie sagen: »Ich bin unabhängig, mir sitzt kein Chef im Nacken, und jeden Tag habe ich mit Menschen zu tun!« Für sie ist Busfahrer ein Traumjob. Wer sich dagegen als Sklave strenger Fahrpläne und als Opfer des täglichen Staus definiert, wird im selben Beruf garantiert unglücklich.
Was halten Sie von dem Begriff ›Personalentwicklung‹? Kann man davon ausgehen, dass Unternehmen mit dieser Abteilung planvoll ihr Personal gezielt weiterbilden und für eine weitere Karriere im Unternehmen vorbereiten? Wie ist Ihre Erfahrung dazu?
Wehrle: Ich glaube, wer einen Menschen nur als „Personal“ betrachtet, kann ihn nicht entwickeln, höchstens verbiegen. Ein Mensch kann sich nur in seiner Ganzheit entwickeln, als Persönlichkeit. Firmen, die ganzheitlich in diesem Sinne denken, bringen Ihre Mitarbeiter weiter. Denn gerade Echtheit zeichnet gut Mitarbeiter aus: Sie setzen sich im Job keine Maske auf und müssen sich nicht verstellen – sie stehen als ganze Persönlichkeiten für ihre Aufgabe und ihre Firma ein. Das merken alle, die mit ihnen zu tun haben, die Geschäftspartner genauso wie die Kunden.
Ist der Herdentrieb dabei, junge Menschen beruflich ins Unglück zu stürzen? Obwohl das Talent eher in den Händen verborgen liegt, beginnen immer mehr Menschen ein Studium. Sie folgen dem Lockruf der Politik, die dafür die Eignungsanforderungen für Abitur und Studium senkt. Handwerksunternehmen hingegen finden keine geeigneten Bewerber für ihre Ausbildungs- und Arbeitsplätze mehr. Ein grober Unfug der politisch Verantwortlichen?
Wehrle: Ich ärgere mich sehr darüber, dass die handwerklichen Berufe mittlerweile als Jobs zweiter Klasse gelten. Wer ein Auto repariert, ein Haus baut oder einen Tisch zimmert, hat der Gesellschaft einen mindestens so wichtigen Dienst erwiesen wie ein Unternehmensberater oder ein Ingenieur. Dasselbe gilt für die Berufe der Kranken- und Altenpflege. Hier sollten wir andere Signale setzen, einerseits was die Wertschätzung durch die Gesellschaft angeht – andererseits was die Bezahlung betrifft. Warum verdienen Abgeordnete für Ihren Dienst am Volk eigentlich ein Vielfaches von dem, was eine Krankenschwester bekommt, die auch den Menschen dient?
Wer in einer Selbstständigkeit seine berufliche Erfüllung sieht, wird oft von seinem Umfeld entmutigt. Was raten Sie diesem Personenkreis?
Wehrle: Mach dein Ding! Denn in Wirklichkeit spiegeln diese negativen Prognosen ja die Furcht der Absender: Wenn ein anderer als Unternehmer durchstarten würde, wäre das für ihr Selbstbild äußerst ungünstig – denn bislang reden sie sich ein, zu ihren oft unbefriedigenden Tätigkeiten gäbe es keine Alternative. Botschaften sagen immer mehr über den Sprechenden als über den Angesprochenen aus. Wir haben nur dieses eine Leben, es ist kurz genug. Und wer Lust hat, selbständig zu arbeiten, sollte sich nicht davon abhalten lassen. So mancher Unternehmer fand erst heraus, dass er einer war, als er es versucht hat!
Zusammengenommen ist also das intensive Einüben der Aussprache des Wortes ›Nein‹ der Schlüssel zu mehr privatem und beruflichen Glück?
Wehrle: Es ist ein ›Ja‹, das Menschen zu sich selbst sagen, zu ihren Bedürfnissen und ihrem Recht auf ein glückliches Leben. Und aus diesem ›Ja‹ resultiert eine Abgrenzung – und die lässt sich nur durch ein klares ›Nein‹ gewährleisten. Insofern ist ein ›Nein‹ ein Schwert, mit dem man das eigene Glück verteidigt. Immer wieder werden andere versuchen, diesen Bannkreis zu durchbrechen: Der Chef verlangt nach Überstunden; Bekannte laden zu unattraktiven Partys ein; Nachbarn bitten um einen Gefallen, der einem selbst nicht gefällt. In solchen Fällen kommt es darauf an, das Nein-Schwert gekonnt zu führen.
Herr Wehrle, vielen Dank für das Interview.
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