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Ein tolles Leben für die Technik

Wenn schöne Träume wahr werden

Dass es sich lohnt, gegen den Strom zu schwimmen und ­eigene Idee mit großem Ehrgeiz zu verfolgen, erläutert Arnold Wagner, Erfinder, Unternehmer und ehemaliger Jumbo-Pilot.

Sehr geehrter Herr Wagner, ihr Leben stellt sich als ausgesprochen vielseitig dar. Sie waren Pilot und sind heute Unternehmer sowie Erfinder. Wie ist es dazu gekommen?

Arnold Wagner:
Anfangs bin ich ausbildungsmässig und beruflich meiner „Faszination-Technik“ quasi nachgestiegen. Die Vielseitigkeit heutiger Technik eröffnet dem Technik-Freak eine unübersehbare Welt von Betätigungs- und Lebensmöglichkeiten. Fast überall kann man neue Projekte kreieren. Da laut Solschenizyn die Ursache jeder schöpferischen Tat in der Unzufriedenheit mit der herrschenden Lage begründet ist, startete mein Unzufriedenheits-Weg daher bei den Bücker- sowie Zlin-Schwarten, die mich im Kunstflug ärgerten und die ich dann mit dem ›Acrostar‹ beseitigte. Gegen ineffiziente Fahrzeuge wehrte ich mich mit dem Eco-Kraftei, gegen überkomplexe Motoren mit dem Kugelmotor. Von ­Einem zum Nächsten graste ich viele Betätigungsfelder ab, auf welchen mein vielseitiges Leben sich schlussendlich abspielen sollte.

In Ihrem Buch ›Acrostar, Krafteier + Kugelmotoren‹ heben Sie hervor, dass Ihre Lehrer eine wichtige Rolle für Ihr späteres Leben spielten. Welche wichtigen Weichen wurden damals gestellt?

Wagner:
Mit einer guten kommunikatorischen und dann technologischen Ausbildung kam ich schnell in den Maschinenbau (Saurer), dann in die Fliegerei (Flugwaffe, Swissair). Meine guten Lehrer ebneten mir daher den (für mich leichten) Weg durch strengste Prüfungen. Die Sprachen erschlossen mir die Welt.

Der Glaube ist für viele Schweizer von höchster Wichtigkeit. Sie hingegen haben sich bereits in jungen Jahren davon losgesagt. Inwiefern hat diese Entscheidung sich positiv auf Ihr kommendes Leben ausgewirkt?

Wagner:
Aus einer superfrommen, evangelischen Familienhierarchie mit nahezu diktatorischer Repression stammend, ging mir bald die geistige Atemluft aus. Dogmen und Gesetze hinterfragend wurden etwa der „Einbahnkanal Gebet“ und die Unfassbarkeit des angeblich Allmächtigen immer unverträglicher mit meinem logisch-mathematisch geschulten Verstand. Die Wandlung zum Agnostiker gab mir umfassende geistige Freiheiten für mein vielseitiges, scheuklappenfreies, als Toll empfundenes Leben.

Sie sind bereits sehr früh zur Fliegerei gekommen. Was bereitete den Weg dazu?

Wagner:
Nach dem Krieg gab es durch die Düsenflugzeuge, Helikopter und so weiter eine große Begeisterung für die Fliegerei, die auch mich erfasste. Die Schweiz hatte ein Gratis-Ausbildungsprogramm ab 17 Jahren für Flugwaffe und Swissair. Die sehr strengen Prüfungen und Selektionen überstand ich dank guten Lehrern und hoher Motivation. Bald habe ich sehr gut verdient, wurde Flieger-Oberleutnant und DC-9-Captain mit 28 Jahren.

Als Pilot der Schweizer Flugwaffe erhielten Sie einmal zehn Tage scharfen Arrest. Was hatten Sie angestellt?

Wagner:
Anfangs der 70er-Jahre wurde die übergroße CH-Flugwaffe abgebaut. Wir Milizpiloten hatten zu wenig Flugzeuge in den Trainingskursen. Man musste sich mit Geländetürks, Infanterie-Übungen, Truppenordnung und anderem Mist beschäftigen. Aus Protest machten wir zum Beispiel Pistolen-Wildwest-schießen – aus uralten Chevys feuernd – mit Mannschaften am Schießstand vorbeirasend et cetera. Die Übung mit zehn Tagen scharfem Arrest kann auf Wunsch inklusive Strafbefehl in meinem Buch auf Seite 30 bis 34 nachgelesen werden.

Neben einem Abschluss als Maschinenbau-Ingenieur haben Sie auch einen Berufspilotenschein erworben. Derartige Abschlüsse deuten auf ein großes Technik-Talent hin. Wer oder was hat bei Ihnen dieses Talent geweckt?

Wagner:
Die großen Anforderungen haben sich etwa nach der Pilotenausbildung in der Flugwaffe und dem Masch.-Ing.-Studium ziemlich abgeflacht. Sowohl in Flugwaffe als auch bei Swissair kam ich mir bald unterfordert vor. Beim Übergang zum Jet gab es eine sprunghafte Zunahme der Pilotenbestände und kräftigen Zug im Beförderungs-Kamin. Massive Saläranstiege erlaubten mir, mein vermutetes Technik-Talent bald auch außerhalb der Swissair umzusetzen.

Sie brachten es bei der Swissair bis zum Captain der Boeing 747, haben an vielen Kunstflug-Meisterschaften mitgemacht und sogar ein eigenes Kunstflugzeug – den ›Acrostar‹ sowie den Hängegleiter ›Dracula‹ entwickelt. Wie schafft man es, Projekte, die sich immer zeitlich überschnitten, unter einen Hut zu bringen?

Wagner:
Wie erwähnt, war damals der Leistungsdruck für Piloten eher gering. Mit meinem sehr guten Gedächtnis kannte ich nach ein paar Flügen die Routen und Landeplätze und benötigte fast keine Vorbereitung auf die (von mir nicht) gefürchteten Checks. 1962 startete ich bereits meinen Wettkampf-Kunstflug, wurde fünffacher Schweizer-Kunstflugmeister 1963, 65, 68, 69 und 70. Schon im Sommer 1968 begann ich mit der Acrostar-Konstruktion, wurde ab 1969 damit ›Typenchef Acrostar‹ bei der Wolf Hirth GmbH in Nabern, wo wir von 1969 bis 1973 neun Acrostar-Maschinen bauten. Während der Ölkrise 1973 übernahm ich ab 1974 bis 1980 die Technische Betriebsleitung bei WHN, gleichzeitig mit 100 Prozent Flugeinsatz bei der Swissair, Milizdienst in der Flugwaffe sowie einer teilzeitlichen Beamtung beim BFU (Büro Flugunfall-Untersuchungen). Unter meinem Hut gab es offenbar genug Platz für viele Projekte.

Die Wassereinspritzung wird bei Motoren für Propellerflugzeuge zur Leistungssteigerung verwendet. Wäre dies auch für Automotoren möglich, um Benzin zu sparen beziehungsweise sauberere Abgase zu erzeugen?

Wagner:
Diese Wassereinspritzung bei der Convair-Metropolitan habe ich 1974 bis 1976 als Swissair-Pilot selbst erlebt und bedient. Die Motorleistung des Pratt & Whitney-R2800-Double-Wasp-Sternmotors konnte damit von rund 2 200 auf 2 500 HP gesteigert werden bei gleichzeitiger Spritreduktion um 35 Prozent. Über 2 000 HP musste das 108-135-Oktan-Benzin weit über Lambda = 1 angereichert werden, um die Verbrennungstemperatur zu senken und damit Detonationen und Motorzerstörung zu verhindern.

Mit der zuschaltbaren Wassereinspritzung wurde das Gemisch auf Lambda = 1 geregelt und durch Wasserverdampfung die Verbrennungstemperatur unter der Klopfgrenze gehalten. Das komplexe Motormanagement und die schrecklichen Probleme bei Start mit Wasserausfall führten zu sehr tiefen TBO-Zeiten (=Time-Between-Overhaul) von nur 1 500 Stunden. Man ist heute froh, dass dieser Spuk durch das Jet-Triebwerk beendet wurde. Bei kleinvolumigen Automotoren, die an sich schon gegen die Effizienz der Elektromobilität ankämpfen, würde der Zusatzaufwand Wassereinspritzung das Preisproblem vergrößern, ohne dass besseres Verbrauchs- beziehungsweise Abgas-Verhalten erzielt würden. Also de mortuis nil nisi bene.

Vielfach wird vermutet, dass die Türme des World Trade Centers am 11.9.2001 gesprengt wurden. Was sagen Sie als Pilot und Kon­strukteur dazu?

Wagner:
Nun, derartige Dummheiten gab es schon immer. Die Mondlandung 1969 soll ja auch nur als USA-Bluffer-Show in den Badlands gefilmt worden sein. Dazu eine eigene Beobachtung: Im November 1969 verfolgten wir im Cockpit unseres Coronado-Fluges ATH-ZRH die Reportage über den Apollo-12-Start. Genau als das Control-Center die Beschleunigung aus der Erdumlaufbahn durch Apollo-12 ankündigte, sahen wir am Westhimmel ein starkes Licht angehen, das während der vorausgesagten 2 Minuten 55 Sekunden sehr hell leuchtete und dann schlagartig erlosch. Da ich somit Apollo selbst fliegen gesehen habe, bin ich sicher, dass Neil Armstrong & Co. damals den Mond betreten haben.

Als Teilnehmer an Kunstflugwettbewerben konnten Sie 1966 in die Sowjetunion fliegen und haben damals ein Entwicklungsland vorgefunden, das im Westen als waffenstarendes „Reich des Bösen“ dargestellt wurde. Sehen Sie heute im Fall Russlands ähnliche Propaganda-Muster, die zum Ziel haben, die Existenz der Nato zu sichern?

Wagner:
Der Osten hat damals mit dem „Klassenfeind“ die Bedrohung mindestens gegengleich so stark aufgeblasen wie der „Voice-of-America-Transmitter“ ›Tanger‹ auf der westlichen Seite. Natürlich übertreiben die Militaristen überall zur Sicherung Ihrer Rüstungs-Kredite. Das relativiert sich jedoch über die kontrollierbaren Budgets der Staaten. Heute basiert die Existenz der NATO nicht auf Propaganda-Mustern, sondern auf den Kräfteverhältnissen der Vertragsstaaten zum geschwächten Russland und zu neuen „Schurkenstaaten“ wie Nord-Korea und Iran.

Sie beklagten als Pilot die Einhaltung und Verinnerlichung irrelevanter Vorschriftendetails. Ihr Ziel war stets der Flug ohne Schreibereien. Derartige Auswüchse haben in der Industrie mit der DIN 9001 und ähnlichen Normen ebenso überhandgenommen. Zu allem Überfluss muss die Einhaltung in regelmäßigen Abständen alle paar Jahre teuer von Dritten bestätigt werden. Die betroffenen Unternehmen murren zwar darüber, schlucken ihren Ärger jedoch herunter. Ein Fehler?

Wagner:
Da das technische Wissen der Menschheit sich alle drei Jahre verdoppelt, gibt es heute den „Uomo Universale“ Leonardo da Vinci, der alles wusste und alles konnte, nicht mehr. Der ungeheure Wissensanstieg wird heute von der Bürokratie als Verwaltungsauftrag zur Verhinderung von Missbrauch beschlagnahmt. Die Druckerpressen der Verwaltungen, Hochschulen und Organisationen laufen Tag und Nacht auf Höchstdrehzahl. Der Output kann nicht mehr gelesen, verdaut und umgesetzt werden. Damit werden Papiervorschriften, Handbücher, Reglemente et cetera langsam aber sicher bedeutungslos.

Bei der Swissair schlug ich einmal vor, den zu gut bezahlten Handbuchschreibern Löscher entgegen zu setzen, die pro gelöschte Handbuchzeile mit fünf Franken entschädigt würden. Außer der Vorladung zu einem ernsten Gespräch ins Chefpilotenbüro ist weiter nichts passiert.


Nach der Fliegerei und der Entwicklung des Kunstflugzeugs ›Acrostar‹ haben Sie sich mit Erfolg der Entwicklung eines völlig neuartigen, geschlossenen Motorrades gewidmet. Die Straßenzulassung scheiterte mehrmals fast am Unvermögen der Behörden. Was ist damals geschehen?

Wagner:
Diese lange Geschichte begann bereits 1974 in meiner Hirth-Zeit. Zwischen meinen Arbeitseinsätzen bei Swissair und dem Job als Technischer Leiter bei WHN pendelte ich ein bis zwei Mal pro Woche zwischen Nabern und Winterthur, meist im PKW hin und her, bis zu 80 000 km pro Jahr. Diese Fahrerei in einer Tonne Blech schien mir wenig sinnvoll. Meine neue BMW-R90S war wegen des Klimas in Mitteleuropa für mehr als 80 Prozent der Fahrten unbrauchbar. Ein Fahrzeug, das Fahrspaß, Beweglichkeit, geringen Verkehrsflächenbedarf und Betriebsaufwand des Motorrads mit dem praktischen Gebrauchswert des Automobils kombinieren würde, dieser Traum und sein erster Verwirklichungs-Versuch kann auf den Seiten 138 bis 149 meines Buches bis zum erfolglosen Ende nachgelesen werden.

Nach meinem Abschied von WHN startete ich 1980 in meiner Schweizer Firma Peraves AG den zweiten, diesmal erfolgreichen Versuch. Das erste moderne Kabinenmotorrad, mein ›Peraves W-18R100 OEMIL Werk Nr. 5001‹ mit 1 000 ccm BMW-R100-Boxermotor wurde in der Nacht vom 23. auf den 24.06.1982 zu einem BMW-Lehrgang auf den Nürburgring gebracht und der Weltpresse mit geradezu beängstigender Wirkung vorgestellt. Dies kam auch den Behörden zu Ohren. Der Kanton Zürich hatte mir für Fahrversuche mit ungeprüften Fahrzeugen ein U-Schild für Motorräder ausgestellt.

Am 02.11.1983 besuchte ich die Typenprüfstelle. Ing. Hans Roth, deren Chef, empfing mich mit den Worten: »Herr Wagner, wir kennen Sie. Wären Sie früher gekommen, hätten Sie sich viel Zeit und Aufwand ersparen können, denn SOWAS geht in der Schweiz natürlich NICHT!« Daraus ergaben sich jahrelange Zulassungskämpfe, die in der Schweiz bis zur erteilten CH-Typenprüfung am 07. September 1987, also fast vier Jahren dauerten. Auch in Deutschland ging es vom August 1988 bis Juli 1991, also nochmals drei Jahre.

Sie entwickelten im Laufe der Zeit mehrere Varianten von vollverkleideten Motorrädern. Worin unterscheiden sich diese?

Wagner:
Das Fahrzeugkonzept mit selbsttragendem Monocoque in Segelflug-Kunststoffbauweise patentierte ich 1982 und es blieb immer gleich. Drei Karosserien entwickelten wir, zuerst 1983 für das ›Ecomobile‹ mit 93 gebauten Fahrzeugen. Dies endet 2005, als in der Nacht zum 15.02.2005 unser Bohemia-Mobil-Zulieferer unversichert abbrannte. Mit dabei war auch das fast fertige Neufahrzeug ›Super-ECO 5088‹, das ich gottseidank bereits versichert hatte. Da auch Formwerkzeuge verbrannt waren, entschlossen wir uns zum Neubeginn.

Die Monotracer-Karosse entstand aus einem Dummy, der unter Einhaltung meiner Vorgaben für Neigungs- und Boden-Freiheit, Zuspitzung, Schlankheitsgrad, Stützwerk, Türform mit A- und B-Säulen und Scheibenflächen et cetera von Tobi Wülser geschnitzt, geschliffen, lackiert und poliert wurde. Bereits am 05.08.2006 fuhr der scheibenlose und unlackierte Monotracer-Prototyp erstmals auf dem Masaryk-Circuit in Brno Fahrtests. Die Monotracer-Karosse wurde für den Bau von 60 Fahrzeugen mit den Werk-Nr. 7001 bis 7060 verwendet, wobei 12 Fahrzeuge mit Elektro- sowie 48 mit BMW K12-Antrieb entstanden.

Schließlich stellten wir 2013 bis 2014 Formwerkzeuge für die DB-Karossen (Dicke Bertha) her, die für bessere Platzverhältnisse 120 mm breiter sind und eine vollautomatische, elektrische Türbetätigung haben. Bisher wurden damit fünf MRI-K12-Maschinen VIN 6060 bis 6064 hergestellt und vier elektrische MRE-130kW-Modelle sind im Bau. Total sind also inklusive W-18R100-5001, Super-Turbo-Mono-W20-6001 und zwei Zerotracer bisher 163 Kabinenmotorräder meines Konzepts entstanden beziehungsweise noch im Bau.

Als Antrieb verwendeten Sie Motoren von BMW. In Ihrem Buch ist zu lesen, dass es bei deren Beschaffung Probleme gab. Was war los?

Wagner:
Mit dem OEMIL-W-18R100-Boxer Prototyp nahm ich 1982 am Internationalen BMW-Fahrlehrgang auf dem Nürburgring teil und traf dort den „Motorradpapst“ Ing. Helmut W. Bönsch, ex-BMW-Direktor und FIM-Präsident. Dieser besichtigte das noch quasi handgeschnitzte Prototypenmodell und war beeindruckt. Zwar sagte er zu mir: »Herr Wagner, warum machen Sie mit Ihren erstaunlichen Fähigkeiten nicht etwas Serien-Näheres«? Auf meine Antwort, dass ich tatsächlich eine Kleinserie produzieren möchte, schüttelte er den Kopf und sagte, dass ich dazu aber einen „Großen“ benötigen würde. Meine Antwort: »Deswegen bin ich hier« mündete in ein zweistündiges Gespräch am Schlussabend.

Ex-Direktor Bönsch verschaffte mir daraufhin eine Audienz beim BMW-Personalchef Dr. Eberhard C. Sarfert. Im obersten Stock des „Vierzylinders“ in München am 18. Januar 1983 schloss Dr. Sarfert mit mir einen Entwicklungsvertrag ab, der uns kostenlose BMW-Teile für 1,5 Prototypen zusicherte sowie Unterstützung bei der Fertig­entwicklung und eine Preisvereinbarung für Teilesätze zu günstigen Konditionen nach Produktionsaufnahme enthielt.

Zwei Monate später kam noch ein weiteres BMW-Geschenk dazu: Anstelle des R100-Boxers wurde mir der neue K100-Vierzylinder angeboten, der sich als idealer Antrieb für meine Kabinenmotorräder erweisen sollte. Zur wechselhaften Geschichte der späteren Motorenlieferungen sei gesagt, dass die Probleme meist mit der damals noch existentiell bedrohten BMW-Sparte ›Motorrad‹ und deren dauernd wechselnden Chefs zu tun hatten, aber schlussendlich für beide Seiten akzeptable Konditionen resultierten.

Mit dem Kugelmotor haben Sie eine weitere Innovation in Angriff genommen. Was ist das Besondere an dessen Technik?

Wagner:
Das ist der Durchbruch zur dreidimensionalen Bewegungstechnik. Die 2-D-Hub-Schwenkbewegung des Pleuels herkömmlicher Verbrennungsmotoren wird durch 3-D-Synoidengesteuerte Kolbenverschwenkungen auf einer Kugel-Innenfläche mit gleichzeitiger Rotation um die Mittelachse ersetzt.

Um solche Projekte zu stemmen, sind in der Regel wegen der hohen Entwicklungskosten extern beschaffte Gelder nötig. Sie haben mit Banken jedoch nicht immer Glück gehabt. Was ist passiert?

Wagner:
Die Kugelmotorentwicklung hat insgesamt etwas über sechs Millionen Euro gekostet inklusive rund 500 000 Euro Patentkosten. Davon stammten zwei Millionen von meiner Swissair-Pensionskasse und vier Millionen von zwei Freunden. Von Banken bekam ich kein Geld. Sie spielten mir aber dadurch übel mit, dass sie mein Fabrikationsgebäude bis zum Erstellungswert von 1,2 Millionen belehnten. Als 1993 bis 1994 die Immobilienpreise absackten, wollte die Bank plötzlich mehrere 100 000 Euro innerhalb von 30 Tagen zurück, nachdem vorher die Hypothek immer verlängert worden war. Wie man in solchen Lagen der Bank erfolgreich die Stirne bieten kann, ist im Buch auf den Seiten 230 bis 231 beschrieben.

Der Kugelmotor wartete mit vielen konstruktiven Hürden auf, diesen zum Laufen zu bringen. Was war für Sie eine besondere Herausforderung?

Wagner:
Als ich das Grundkonzept des Berry-Motors von 1963 erstmals sah, war mir sofort klar, dass ein solches Konzept nur mit 3D-CAD zu realisieren wäre. Als mir klar wurde, wie die Kolbensteuerungen in der Kugel funktionieren müssen – nämlich mittels zweier Sinoiden mit 180 Grad Periodendauer und 40 mm Amplitude, welche vom Zentrum aus auf das Innen-Kugelgehäuse per Polstrahl aufgezeichnet werden – und dass entlang dieser Sinoiden mit halbkreisförmigen Schnittflächen die Führungsnuten für die kraftübertragenden Keramikkugeln auszufräsen sind, konnte ich ein halbes Jahr lang nicht mehr gut schlafen. Nachdem ich vom Zeichnungsbrett zum Creo-Pro-Engineer-CAD graduiert hatte, litt ich ein halbes Jahr auch tagsüber am Computer, aber als damals 63-jähriger bekam ich dann die Sache in den Griff und konnte nun die neuen, erstaunlichen Möglichkeiten voll ausnützen.

Wann konnten Sie den Motor erstmals in Betrieb setzen?

Wagner:
Am Sylvester, 31.12.2004 um 14:15 Uhr gelang nach einer erfolglosen Versuchswoche überraschend die erste Zündung mit einem Staccato von Knallern und einem Brand in der Ölwanne.

Für welche Zwecke beziehungsweise Fahrzeuge wäre der Kugelmotor besonders geeignet?

Wagner:
Wegen seiner Hauptvorteile, nämlich kompakten Ausmaßen beziehungsweise geringem Volumen und Gewicht sowie vollständig ausgeglichenen Massenkräften und -momenten mit turbinenartigem Lauf bis in höchste Drehzahlen ist meine Kugel bestens geeignet für Motorräder und Kleinwagen.

Konnte der Kugelmotor bereits in einem Fahrzeug praktisch erprobt werden?

Wagner:
Yamaha stellte mir 2005 zwei YP400-Roller zur Verfügung, wobei ich einen davon mit der Kugel ausrüstete. Nachdem ich den Kugelroller nach Tschechien zur Firma Blata in deren Motoren-Prüfstandsraum verlegt hatte, konnte ich dort Prüfläufe absolvieren. In der Schweiz machten wir am 02.03.2016 den zweiten, gelungenen Fahrversuch. Mit 60 bis 80km/h fuhr ich dabei die Elsauerstrasse bis Rümikon und dann zurück über Wiesendangen Richtung Bertschikon. An der Steigung zur Autobahneinfahrt gab es einen Knall und die Kugel stellte abrupt ab. Der Spline der Umlauf-Schwenkachse war abgebrochen und die Versuche wurden eingestellt, da eine neue Achse rund 10 000 CHF kostet.

Wie war das damalige Fahrverhalten und welcher Spritverbrauch wurde dabei gemessen?

Wagner:
Das Fahrverhalten unterschied sich nicht wesentlich vom YP400 mit Einzylinder-Viertaktmotor. Verbrauchsmessungen machten wir viele auf dem Blata-Prüfstand. Wegen des noch zu hohen Drehwiderstands durch zu genaue Passungen und hohen Dichtleisten-Anpressungen waren die Werte rund 20 bis 30 Prozent höher als beim herkömmlichen Benziner. Mit der Fertigentwicklung sind aber konkurrenzfähige Verbrauchswerte zum Ottomotor durchaus realisierbar.

Sie sind jetzt in einem Alter, in dem sich andere Unternehmer schon lange zur Ruhe gesetzt haben. Was denken Sie, wenn Sie Ihr Leben Revue passieren lassen? Würden Sie alles wieder so machen?

Wagner:
Mein Glück ist, dass ich schon früh meine innere Autonomie erreicht habe und somit immer alles machen konnte, was mich am meisten interessierte. Keinen Tag, ja keine Stunde habe ich je verschlafen, was in der Summe das Beste aller Leben ergibt. Jawohl, No Regrets und weiter so.

Sehr geehrter Herr Wagner, vielen Dank für das Interview!

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