Das Fahrzeugmuseum Marxzell
Ein Kabinett für echte Raritäten
Eine überquellende Vielzahl an Fahrzeugen im größtenteils unrestaurierten Originalzustand können Besucher im Fahrzeugmuseum Marxzell bewundern. Das Museum wartet mit Exponaten auf, die anderswo nur schwer zu finden sind.
Wer Museen herkömmlicher Art kennt, wird sich im Fahrzeugmuseum Marxzell verwundert die Augen reiben und zunächst denken, sich nicht in einem technischen Museum zu befinden. Der Grund ist das völlig andere Konzept, das die Museumstreiber verfolgen. Hier blitzen einem auf den rund 3 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche nicht auf Hochglanz polierte Exponate vergangener Zeiten entgegen, vielmehr präsentieren sich diese im jeweiligen Zustand der letzten Benutzung.
Dicht an dicht drängen sich Edelkarossen und teilen ihren Platz mit allerlei weiteren Unikaten, die ehemals der Landwirtschaft, Fortbewegung, Kommunikation, Unterhaltung oder Rettung dienten. Ob Feuerwehrautos, Traktoren, Hubschrauber, Sportwagen, Telefone, Röhrenradios, Schreibmaschinen, Spielzeug, Fahrräder oder Motorräder – in Marxzell gilt es, viel Zeit mitzubringen, will man all die zahlreichen Exponate bewusst wahrnehmen.
Wer nur oberflächlich durch das Museum geht, das zugleich ein Fahrzeug-, Technik-, Auto- und Heimatmuseum ist, läuft Gefahr, zahlreiche Highlights zu übersehen.
Seltene Hingucker
Kenner werden beispielsweise bewundernd vor dem historischen Superia-Motorrad stehenbleiben, mit dem im Jahre 1926 eine Weltrekordfahrt über 24 Stunden durchgeführt wurde. Auch eine Zündapp KS 500 von 1935 mit 16 PS wird interessierte Blicke auf sich ziehen. Ebenso wird dies beim Hecker-Motorrad von 1929 der Fall sein.
Ohne Übertreibung ist festzustellen, dass es schwer ist, eine zweite, derart große Sammlung seltener Zweiräder in Deutschland zu finden. Hier ist nicht nur das Motorrad ›Imme‹ zu sehen, das vom Ausnahme-Konstrukteur Norbert Riedel entwickelt wurde, sondern auch andere Zweirad-Meilensteine, wie etwa die ›Megola‹ aus den 1920er Jahren. Dieses Motorrad wurde mit einem Fünfzylinder-Umlaufmotor gebaut, der direkt in das Vorderrad eingebaut wurde. Es gab weder Schaltgetriebe noch Kupplung, weshalb dieses Motorrad nach jedem Halt angeschoben werden musste, um den Motor wieder zu starten. Kein Wunder, dass davon nur 2 000 Stück gebaut wurden.
Weitere Highlights sind eine 88 PS starke ›Mammut‹ von Münch aus dem Jahre 1968, eine ›Gold Wing‹ von Honda und die ›RE5‹ von Suzuki, einem Motorrad, das von einem Wankelmotor angetrieben wurde.Doch auch besondere Fahrzeuge mit vier Rädern sind hier zu finden. Darunter beispielsweise ein BMW AM 4 aus dem Jahre 1932, der damals in Eisenach produziert wurde. Aus dem Münchner Werk kommt ein BMW 319, das dort 1936 produziert wurde.
Sogar eine BMW Dixi aus dem Jahre 1932 können Besucher hier entdecken. Wenige Schritte weiter bleibt man bewundernd stehen, um den damals von Pferden gezogenen Original-Gullaschkanonenwagen der Schweizer Armee aus dem Jahre 1918 in Augenschein zu nehmen. Ein Stück Geschichte, das es in dem dort präsentierten, hochklassigen Erhaltungszustand deutschlandweit wohl kein zweites Mal gibt.
Exotische Lösungen
Die ausgestellten Traktoren vermitteln einen kleinen Einblick in die Anfänge der Landwirtschaftsmaschinen. Ein Fordson-Traktor von 1920 beispielsweise war derart konstruiert, mit Benzin zu starten, um dann nach dem Umschalten mit Petroleum weiterzulaufen, was den Betrieb günstiger gestaltete.
In der Zeit ohne ausreichenden Treibstoff wurden per Holzvergaser angetriebene Traktoren gebaut, dessen Technik – wie im Museum zu sehen – eine ausgeklügelte Logistik hinsichtlich Beschickung und Betrieb erforderte. Eine Zeit, die hoffentlich nie mehr wiederkehrt.
Mit dem Einspurauto von Mauser gibt es im Museum ein ganz besonderes Fahrzeug zu sehen. Dieses wurde vom Waffenproduzent Mauser nach dem 1. Weltkrieg gebaut und verfügt über eine Reibscheibenkupplung. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, sollte dieses Fahrzeug gezielt aufsuchen und einen Blick in den Motorraum werfen.
Ein ebenfalls ausgestellter Porsche 356 hat sicher schon zahlreiche Autofans ins Schwärmen gebracht. Ist dieses Fahrzeug heutzutage in gutem Zustand doch nahezu unbezahlbar. Und wer noch nicht wusste, dass Maserati auch Motorräder baute, wird im Museum aufgeklärt.
Nur wenige Blicke daneben erregt das Logo von ›Stoewer‹ die Aufmerksamkeit des Besuchers, ist dieser Name doch vielfach unbekannt. Dieses ehemalige Stettiner Unternehmen betätigte sich erfolgreich im Kraftfahrzeugbau und baute zudem Fahrräder, sowie Schreib- und Nähmaschinen. Das Fahrzeugdesign lässt erkennen, dass diese Fahrzeuge zur gehobenen Klasse gehörten. Leider wurden die Besitzer nach dem 2. Weltkrieg enteignet und die Fabrikanlagen in die UDSSR verlagert.
Auch ein Audi 920 von 1939 zieht die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Ebenso wie die zahlreichen Feuerwehrfahrzeuge, die sich präsentieren, als könnten sie sofort zum Einsatz aufbrechen. Es gibt sogar ein Motorrad zu sehen, dessen Beiwagen nicht für Mitfahrer gedacht ist. Vielmehr ist hier eine Wasserpumpe untergebracht, um auch in unwegsamen Gelände Wasser zur Flammenbekämpfung heranzupumpen. Mit einer Reihe historischer Schutzhelme wird diese Sammlung abgerundet.
Junge Technik
In unmittelbarer Nähe zur Feuerwehrabteilung finden Kenner eine Sammlung von Telefonen und Fernschreibern, die aufzeigen, dass E-Mail und Handy noch ausgesprochen junge Errungenschaften des modernen Lebens sind.
Eine absolute Rarität ist der „Silberfloh“, ein Fahrzeug, das im Jahre 1953 von der Elektromaschinenbau Fulda GmbH gebaut wurde und über eine Karosserie aus Aluminium verfügte. Kenner werden beim Betrachten der Exponate sicher nicht an den zahlreichen, an der Wand hängenden Werkzeugen vorübergehen, die dokumentieren, wie die Vorläufer heutiger Zangen, Schraubendreher und Hämmer ehemals aussahen. Sie werden sich auch gerne die vielen Autoradios ansehen, deren Käufer noch nichts von DAB und Sendersuchlauf wussten und sich teils in Geduld üben mussten, waren doch vielfach Röhren verbaut, die erst nach dem Aufheizen in der Lage waren, Musik aus dem Lautsprecher erklingen zu lassen.
Musik von der Walze
Musikfreunde werden einem Musikautomaten bewundernde Blicke zuwerfen, der von Cromer & Schrack im Jahre 1875 in Straßburg gefertigt wurde, das damals zum Deutschen Reich gehörte. Bei diesem Automaten wird eine mit Metallstiften versehene, sich drehende Walze dazu genutzt, unterschiedlich lange Metallbänder zum Schwingen und somit zum Klingen zu bringen. Über verschiedene Hebel werden weitere Musikinstrumente betätigt, sodass sich mit diesem Automaten recht umfangreiche und wohlklingende Musikstücke abspielen lassen.
Gleiches gilt für das Polyphon, das für diesen Zweck keine metallstiftbestückte Walze, sondern eine gelochte Metallscheibe nutzt. Die Werkzeuge zum Stanzen der Löcher waren derart konstruiert, dass beim Lochstanzen an der Unterseite ein kleiner Zahn stehenblieb. Mithilfe dieser Zähne wurden von der sich drehenden Metallscheibe die Lamellen des Stimmkamms zum Schwingen gebracht und somit ein Ton erzeugt. Wer die Musikinstrumente in Aktion erleben will, muss sich lediglich bei der Aufsicht melden, die diesem Wunsch gerne nachkommt.
Es überrascht angesichts der Vielzahl an Raritäten nicht, dass im Museum auch eine Sammlung von Phonographen zu sehen ist. Diese unterscheiden sich von einem Grammophon darin, dass sie keine Platte verwenden, sondern mit Walzen funktionieren, auf denen ein Staniolblatt aufgezogen ist. So manches Modell aus späterer Zeit war mit einer Schalldose ausgestattet, was sowohl eine Wiedergabe, als auch eine Aufnahme möglich machte.
Die Anfänge des Rades
Es schadet auch nicht, den Blick in die Höhe zu richten: Aufgehängt an einem Geländer, lassen sich sowohl ein Original-Hochrad aus dem Jahre 1870, sowie ein Laufrad von 1840 entdecken! Wer seinen Blick schweifen lässt, wird auch ein Jaray-Rad erblicken, das als Trethebelrad in die Geschichte eingegangen ist. Echte Raritäten, die alleine schon den Besuch des Museums lohnen.
Doch gibt es noch viel mehr zu entdecken: Zum Beispiel das ›Music-Center 50001‹ von Schaub-Lorenz aus dem Jahre 1965. Dieses wiegt dank einer umfangreichen Mechanik beachtliche 28 Kilogramm und war beziehungsweise ist in der Lage, nicht nur Radioprogramme auf UKW, Mittel-, Kurz- und Langwelle zu empfangen, sondern mithilfe dieser Mechanik ein Tonbandgerät mit 126 Spuren von jeweils 22 Minuten Spieldauer zu betreiben. Per Knopfdruck konnte der Besitzer zwischen den Spuren wechseln. Selbstverständlich wird auch diese Technik-Wunderwelt auf Wunsch in Betrieb genommen.
Eine runde Sache
Diese audiophile Rarität ist inmitten ungezählter Radios eingebettet. Der Besucher ist alleine hier gut beschäftigt, die zahlreichen Radios zu würdigen, die in der Zeit vom Beginn des Radiozeitalters bis Ende der 1970er Jahre gebaut wurden. Diese Radios bilden den Rahmen eines Kinos, in dem Filme aus der Zeit des Zelluloids mit einem Original-Projektor gezeigt werden. Eine ideale Gelegenheit, bei lustigen Filmen den Museumsbesuch abzurunden und nochmals Revue passieren zu lassen.
Mehr Informationen zum Fahrzeugmuseum Marxzell:
Fahrzeugmuseum Marxzell | |
Albtalstrasse 2 | |
76359 Marxzell | |
Tel.: 07248/6262 | |
E-Mail: Reichert-Marxzell@t-online.de | |
www.fahrzeugmuseum-marxzell.de |
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