Urlaub machen auf schönere Art
Die Wohnmobil- und Caravanwelt
Wer die Geschichte des Wohnwagenbaus nachvollziehen möchte, ist im schwäbischen Städtchen Bad Waldsee richtig. Im dortigen Erwin Hymer Museum präsentieren sich Raritäten und Meilensteine des Wohnwagen- und Reisemobilbaus, die ob ihrer teilweise pfiffigen Raffinessen jeden Besucher zum Staunen bringen.
Reisemobile und Caravans sind beliebte Alternativen zum Hotel, da damit Reisende ihren Urlaub individuell gestalten und problemlos Sehenswürdigkeiten abseits der Touristenhochburgen aufsuchen können. Das Erwin Hymer Museum ist diesbezüglich ein Dorado für Individualisten, die gerne abseits touristischer Menschenströme die Welt bereisen oder dies gerne in Angriff nehmen möchten. Hier können sie sehen, mit welch ungebrochenem Elan Tüftler daran arbeiten, diesen Wunsch mit möglichst viel Komfort zu versehen. Vom Zelt auf Rädern bis zum meterlangen US-Homecar reicht die Palette, Interessenten das individuelle Reisen schmackhaft zu machen. Hier gibt es zündende Ideen zu sehen, die einen Wohnwagen zu einem universell verwendbaren Stück Ingenieurskunst machen.
Obwohl es in England schon sehr früh eine Kultur des Reisens mit einem eigenen „Dach über dem Kopf“ gab, ist in Deutschland erst im Jahr 1931 der Startschuss für das Caravaning gegeben worden. Ursache dafür war die Liebe eines Peitschenfabrikanten aus Isny im Allgäu zur Landschaftsmalerin Fridel Edelmann. Sein Name: Arist Dethleffs, der beruflich viel unterwegs war, was seiner Verlobten ob des häufigen Alleinseins nicht behagte. Im besagten Jahr setzte er ihren Wunsch nach mehr Zweisamkeit in Form eines „Wohnautos“ um, das er selbst konstruierte und baute.
Der erste Caravan Deutschlands war sein Hochzeitsgeschenk an seine Frau.Nachdem Arist Dethleffs positive Erfahrungen mit seinem Wohnauto gemacht hatte, beschloss er, sich mit dem Thema ›Caravaning‹ auch geschäftlich zu befassen. Das Ergebnis kann im Erwin Hymer Museum bestaunt werden: Das dort ausgestellte Modell ›Tourist‹ stammt von 1939 und bot Schlafplätze für drei Personen. Dank eines Hubdachs konnte sogar Stehhöhe erreicht werden. Die Besitzer des im Museum ausgestellten Modells waren wohl damit überaus zufrieden, da sie ihr Exemplar über 30 Jahre nutzten und erst 1973 gegen einen neuen Dethleffs-Wohnwagen in Zahlung gaben.
Raus aus dem Alltag
Bereits einige Jahre früher sprangen andere Hersteller auf den Boom auf und produzierten in Deutschland Caravans. Darunter war beispielsweise das Unternehmen ›Sportberger‹, das in den 1930er Jahren die ›Karawane S 39‹ für 1.980 Reichmark anbot. Nicht selten holten die Kunden ihren Wohnwagen selbst im Sportberger-Werk ab und verbrachten die erste Nacht auf dem werkseigenen Campingplatz. Der Journalist Theo Rockenfeller machte 1938 mit einer Karawane sogar eine Reise durch die Libysche Wüste, ehe der 2. Weltkrieg die Erfolgsgeschichte der Karawane abrupt beendetet. Die wenigen noch gebauten Exemplare wurden komplett für militärische Zwecke eingesetzt.
Doch bereits ein Jahr nach dem Krieg konnte die Produktion wieder aufgenommen und zunächst das das Modell ›G2‹ produziert werden. Dies war eine Mischform aus Nutz- und Wohnanhänger, mit dem man unter der Woche Waren transportieren und am Wochenende in der Natur übernachten konnte. Insbesondere Geschäftsreisende schätzten den Anhänger, der ihnen ob der zerbombten Städte stets zuverlässig ein Dach über dem Kopf sicherte.
Flugzeuge als Vorbild
Interessant ist, dass Nachkriegswohnwagen in Deutschland sich stark an Flügelkonstruktionen anlehnten. Hier hat man es, wie beim Nachkriegs-Automobilbau, mit dem Phänomen zu tun, dass deren Konstrukteure aus dem Flugzeugbau kamen, der nach dem Krieg in Deutschland verboten war. 1953 waren die Fahrwerke der Wohnwagen bereits so ausgereift, dass das Unternehmen Dethleffs für das Modell ›Globetrotter‹ sogar damit warb, dass man diese Modell unbesorgt dem wildesten Fahrer anvertrauen könne, der damit problemlos mit 130 km/h über die Autobahn jagen könne. Zum Glück waren damals nur wenige Fahrzeuge überhaupt in der Lage, solche Spitzengeschwindigkeiten zu erreichen.
Etwas ganz Besonderes in der Ausstellung ist das 1938 von Schweikert gebaute Modell ›Kleiner Strolch‹. Mit einem solchen Modell überwand das Ehepaar Seitz auf dem Weg nach Italien das Stilfser Joch. Eine für damalige Verhältnisse beachtenswerte Leistung, die im Museum sogar per Video verfolgt werden kann, da damals dieses Ereignis von mitfahrenden Freunden auf Zelluloid festgehalten wurde.
Ein Hingucker besonderer Art ist der 1932 in England gebaute ›Car Cruiser‹. Wie alle Modelle der damaligen Zeit war dieser Wohnwagen hervorragend ausgestattet. Er besaß unter anderem Wasserkanister, Teekannen, Porzellanteller sowie Eierbecher. Die Produktion dieses Modells begann bereits 1925 und endete erst 1952. Natürlich wird im Museum auch die Geschichte der Hymermobile umfassend erzählt. Wenig bekannt dürfte sein, dass der junge Erwin Hymer als Ingenieur bei Dornier beschäftigt war und in Spanien am ersten deutschen Nachkriegsflugzeug ›DO27‹ mitarbeitete. Auch am Dornier-Kleinstwagen ›Delta‹ arbeitete er mit. Dieses Model wurde später von Zündapp erworben und unter dem Namen ›Janus‹ vermarktet.
Das besondere technische Talent des Erwin Hymer zeigte sich schon sehr früh: In der Ausstellung kann man das von ihm aus Schrott zusammengebaute „Motorrädle“ bewundern, auf dem auch so manch hübsches Mädel gesichtet wurde. Zum Wohnwagenbau kam Hymer mehr durch Zufall, da sich 1956 der Flugzeugingenieur Erich Bachem an ihn wandte, für ihn einen Wohnwagen zu bauen, den er privat nutzen wollte. Dies war der Startschuss für die Eriba-Touring-Wohnwagen.
1961 hat Hymer ein neues Projekt im Auge: Auf der Basis des Kastenwagens ›B 611‹ von Borgward sollte sein erstes Reisemobil entstehen. Pech nur, dass, kaum nachdem drei Exemplare gebaut waren, die Borgward-Werke Pleite gingen. Ein Exemplar aus dieser Zeit ist übrigens im Museum zu sehen. Zehn Jahre vergehen, ehe Erwin Hymer in Sachen Reisemobil einen neuen Anlauf wagt. Diesmal auf der Fahrgestell-Basis eines Mercedes-Transporters. Das Modell ›Hymermobil 550‹ wird zum Erfolg und der Begriff ›Hymermobil‹ zum bis heute anhaltenden Inbegriff für mobiles Reisen auf höchstem Niveau.
Luxus auf Rädern
Bereits 1959 gab es jedoch bereits ein Reisemobil zu kaufen, das durchaus von Hymer stammen könnte: Das ›Reisemobil de Luxe‹ der Mindener Karosseriefabrik. Das im Museum stehende Schmuckstück besitzt einen 100 PS starken V8-Motor aus dem BMW 502 und konnte für die damals astronomische Summe von 42 500 DM erworben werden. Kein Wunder, dass lediglich 12 Stück gebaut wurden und heute nur mehr geschätzte sieben Stück existieren. Von diesen wiederum ist lediglich das im Erwin Hymer Museum stehende Exemplar fahrbereit und wird von seinem Eigentümer gerne für gelegentliche Urlaubsfahrten genutzt.
In Sachen Wohnwagen haben Entwickler sich viele Kuriositäten ausgedacht, um das rollende Heim möglichst vielseitig verwendbar zu machen. Vom Modell ›Falter IV‹ beispielsweise konnte das Dach abgenommen und als Ruderboot genutzt werden. Das Modell ›Knospe K‹ von Austermann konnte per Handkurbel in der Breite zusammengefaltet werden, sodass es einen geringen Luftwiderstand und auch ohne zusätzlichen Spiegel eine gute Sicht nach hinten bot. Ähnlich das ›Fawoboo 64‹ von Hartmann: Es konnte sowohl zusammengefaltet, als auch das Dach als Boot verwendet werden, das sogar mit einem Außenbordmotor bestückbar war.
Wer keine Lust hatte, das Caravandach abzunehmen, um auf große Fahrt zu gehen, der griff zur ›Suleica Rallye 70‹ von Schäfer. Dieses Modell war nicht nur winterfest und tropentauglich, sondern in der Variante ›F 430 S‹ sogar schwimmfähig und ebenfalls mit einem Außenbordmotor bestückbar. Das Unternehmen Schäfer liebte das besondere Design und baute Reisemobile, die wahre Augenweiden waren und unter dem Namen ›Orion‹ vermarktet wurden. Die sehr komfortablen und futuristisch anmutenden Reisemobile wurden aus glasfaserverstärktem Polyester hergestellt und waren dadurch leicht, stabil und verrottungsfest. Leider wurden sie nur bis 1986 gebaut. Rollende Kunstwerke sind auch die amerikanischen Airstream-Wohnwagen, deren Design bereits Anfang der 1930er Jahre entworfen wurde. Backofen und Badewanne waren für Amerikaner kein Luxus, da diese Wohnwagen vornehmlich dazu dienten, dorthin zu fahren, wo es gerade Arbeit gab.
Möglicherweise ist das Erwin Hymer Museum jedoch gar kein Museum, das Vergangenes zeigt? Wer die Meldungen zum fahrerlosen Kraftfahrzeug aufmerksam vernimmt, an dem weltweit unterschiedlichste Unternehmen arbeiten, sieht Reisemobile und Caravans mit völlig anderen Augen. Mit ziemlicher Sicherheit werden Kraftfahrzeuge, wie sie derzeit das Straßenbild beherrschen, von neuartigen Kraftfahrzeugen verdrängt, die ohne Lenkrad und Fahrersitz auskommen. Das künftige Auto wird mehr einem rollenden Büro ähneln, das mit Kleiderschrank, Bett, Tisch und Stuhl ausgestattet sein wird und seinen Besitzer sicher und komfortabel zu seinem Arbeitsplatz bringt. Wettrennen auf der Autobahn, Strafzettel durch zu schnelles fahren und unnötige Unfalltote werden Geschichte werden. Wetten dass?
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Mehr Informationen:
Erwin Hymer Museum | |
Robert-Bosch-Str. 7 | |
88339 Bad Waldsee | |
Tel.: +49 7524 976676-00 | |
Fax: +49 7524 976676-1 | |
E-Mail: info@erwin-hymer-museum.de | |
www.erwin-hymer-museum.de |
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