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Die Geschichte höchster Glaskunst

Ein Top-Glasmuseum von Weltrang

Im südöstlichen Zipfel von Deutschland liegt das bayerische Städtchen Passau, das aus vielerlei Gründen einen Besuch wert ist. Hier gibt es unter anderem eine der größten Burganlagen Europas sowie einen Barock-Dom mit der größten Domorgel der Welt zu besichtigen. Ähnlichen Weltruhm besitzt auch die imposante Glassammlung im Glasmuseum Passau, in dem rund 15 000 Gläser aus der Zeit von 1650 bis 1950 zu bestaunen sind.

Glas ist ein Material, das seit Jahrtausenden die Menschen in ihren Bann zieht. Schon im alten Ägypten wurde Glas zu Gefäßen verarbeitet. Bemerkenswert ist, dass die stark gefärbten ägyptischen Glasgefäße konservierend wirkten, daher zur Aufbewahrung etwa von Ölen und Salben verwendet wurden. In späterer Zeit stellten die alten Römer aus diesem Material Fensterscheiben und Lampen her. Später übernahmen die Germanen die Kunst der Glasherstellung von den Römern, sodass sich im Laufe der Zeit die Kenntnis der Glasproduktion in immer mehr Länder verbreitete.

Waren am Anfang die Glasprodukte eher rustikal, wurde im Laufe der Zeit die Herstellung dünnwandiger und optisch raffinierterer Glasprodukte von den Glasbläsern zu immer neuen Höhepunkten getrieben. Besondere Fertigkeiten in der Glasherstellung konnten zunächst insbesondere in Venedig beziehungsweise Murano beobachtet werden. Die dort tätigen Glasbläser haben ab dem 15. Jahrhundert Gläser von ausgesuchter Schönheit produziert, die mühelos mit heutigen Spitzengläsern mithalten können.

Gläserne Kostbarkeiten

Derartige Glaskünstler waren und sind auch heute noch in Bayern, Böhmen, Österreich und Schlesien tätig, wie die rund 15.000 ausgestellten Gläser im Glasmuseum Passau überzeugend dokumentieren. Im weltweit größten Museum für Glas aus Europa sind zahlreiche Prunkgläser für die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts ebenso zu besichtigen wie Spitzengläser der europäischen Königshäuser.

Dieses Museum besitzt eine einzigartige Besonderheit: Es befindet sich im Gebäudekomplex des Hotels ›Wilder Mann‹, welches direkt am Rathausplatz von Passau steht. Besucher von Passau können demnach nicht nur das im Jahre 1985 von Neil Armstrong – dem ersten Menschen auf dem Mond – eröffnete Museum besuchen, sondern auch gleich ein Hotelzimmer für eine Übernachtung buchen. Durch die zentrale Lage sind optimale Voraussetzungen gegeben, Passau zu erkunden beziehungsweise in aller Ruhe das sehr weitläufige Glasmuseum zu besichtigen. Und dabei sollte großzügig Zeit eingeplant werden, denn die dort ausgestellten Gläser laden zum längeren Verweilen ein, sind diese doch teilweise mit besonderer Raffinesse hergestellt.

So gibt es hier beispielsweise eine Vase mit Kirschblüten aus der Glashütte Johann Lötz zu sehen, die im Jahre 1892 für die in Chicago im Jahre 1893 abgehaltene Weltausstellung produziert wurde. Mit dem Modell ›Sonnenuntergang‹ hatte das gleiche Unternehmen eine Vase für die Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 hergestellt, die in Überfangtechnik ausgeführt wurde. Auf diese Weise war es möglich, einen Farbverlauf zu realisieren, der einem Sonnenuntergang ähnelte.

Hohe Kunstfertigkeit

Ein Hochschnittpokal aus dem Jahre 1700 glänzt mit ­einer besonderen Technik, die Mitte des 15. Jahrhunderts von den Venetianern erfunden wurde: Hier wird grünstichiges Glas mit der Komplementärfarbe Rosa-Violett des Mangandioxids entfärbt. Das Ergebnis ist ein farbloses Glas mit einem leichten Grauton. Diese Technik des Entfärbens hatte große wirtschaftliche Bedeutung und konnte von den Venetianern rund 100 Jahre lang geheim gehalten werden.

Die in diese Gläser eingebrachten Tiefschnitte zeugen von der großen künstlerischen Qualität der in den Glashütten beschäftigten Fachleute. So gibt es beispielsweise einen Deckelpokal aus dem Jahre 1753 zu besichtigen, in dessen konischen Wandung figürliche Darstellungen aus dem Alten Testament eingearbeitet sind. Zu sehen sind Lot mit seiner Frau und den Töchtern, während im Hintergrund die Stadt Sodom zu erkennen ist.

An einem Prunkpokal aus dem Jahre 1840 offerieren sich dem Betrachter ausdrucksstarke Gesichter, exakt ausgeführte Augenpupillen, feinnervige Hände und einen geschmeidigen Faltenwurf der Gewänder, die Moses, Aaron und Josua gehören. Es überrascht immer wieder, welche wuchtige Kunst fähige Hände trotz der damals einfachen Technik in Glas zauberten.Dass diese nicht in Großserie entstanden, zeigt beispielsweise eine Prunkschale, die im Zeitraum zwischen 1878 bis 1881 entstanden ist. Hier wurde farbloses Kristallglas von unten graviert, um einen größtmöglichen plastischen Effekt zu erzielen.

Eine ganz besonders präzise Arbeitsweise erforderte die sogenannte ›Lithophanie‹. Bei dieser Technik werden in zwei Tafeln aus farblosem Glas – eine mit kobaltblauem und eine mit kupferrubinrotem Überfang – die Motive deckungsgleich herausgearbeitet und die Glasplatten hintereinandergelegt. Dadurch entstehen farbige Glasbilder von überraschendem Reiz. Der Fantasie wurden keine Grenzen gesetzt, den Werkstoff Glas weiter zu verbessern.

So konnte durch die Zugabe von Knochenmehl erreicht werden, dass durchsichtige Gläser milchig wurden, weshalb diese auf den ersten Blick mit Porzellan verwechselt werden konnten. Doch egal, ob Milchglas oder Klarglas – Künstlerhände haben auf vielen ausgestellten Bechern, Flaschen und Pokalen Werke von allerhöchster Güte aufgebracht, die von Stadtansichten über Liebespaare bis hin zum besonderen Kalender reichten.

Sehenswerte Exponate

Einige Motive wurden damals nach geschichtlichen Ereignissen ausgewählt. So gibt es im Museum beispielsweise einen Becher mit dem Portrait des russischen Zarren Alexander I. zu bestaunen, der an die Schlacht von Culm erinnern soll, wo am 29. August 1813 rund 8 000 Russen den Vormarsch der napoleonischen Armee aufhielten. Besonders interessant ist, dass die Gläser im Museum raumweise nach denjenigen Glashütten geordnet sind, von denen sie hergestellt wurden.

Auf diese Weise ist es möglich, detaillierte Einblicke in die Produktion einzelner Glashütten und deren Entwicklung zu bekommen. Bei der Besichtigung des Museums hat man immer das Gefühl, dass man sich in einem riesengroßen Gebäude befindet, da sich Raum an Raum anschließt. Dieser Eindruck täuscht nicht, denn der Hotel- und Museumskomplex ›Wilder Mann‹ entstand durch die Vereinigung von vier Altstadthäusern unter beispielhafter Erhaltung der historischen Bausubstanz. Die historischen Gebäude stammen aus der Zeit der Gotik und des Barock. Bereits 1303 wird eines der Häuser urkundlich erwähnt.

Berühmte Gäste

Während das Eckhaus jahrhundertelang das Stadtrichterhaus war, war ein weiteres Gebäude das Hotel ›Wilder Mann‹, in dem bereits im 19. Jahrhundert viele berühmte Persönlichkeiten zu Gast waren. 1862 und 1878 übernachtete hier sogar Kaiserin Elisabeth von Österreich. Zwar sind aus dieser Zeit die damals genutzten Betten und Möbel nicht mehr vorhanden, doch hat Georg Höltl – der Gründer von Hotel und Glasmuseum – ein Schlafzimmer-Garnitur aus dem Jahre 1895 erworben, das sich im persönlichen Besitz von Kaiserin Elisabeth befand.

Die Garnitur stammt aus dem Schloss Achilleion auf Korfu und besteht aus einem prunkvoll gearbeiteten Bett mit Nachtkästchen und Kommode. Das wuchtige Bett aus hochpoliertem Eichenholz ist mit silbernen Arabesken verziert. Die Bettpfosten sind aufwändig geschnitzt und haben gedrechselte Abschlüsse. Das aufgesetzte Kapitell am Kopfende zeigt einen gekrönten Delphin. Die Vorderpartie des Bettes trägt das Allianzwappen gehalten von zwei Greifen. Das Pendant zu diesem Bett befindet sich im Wiener Hofmobiliendepot, dem Wiener Möbelmuseum. Wer besonders nächtigen möchte, kann sogar das Zimmer buchen, in dem diese Schlafzimmer-Garnitur steht.

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Diesen Artikel finden Sie auch in Heft 6/2021 auf Seite 32. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!

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Glasmuseum Passau
Schrottgasse 2
94032 Passau
Tel: +49 (0) 851 - 3 50 71
Fax: +49 (0) 851 - 3 17 12
E-Mail: info@glasmuseum.de
www.glasmuseum.de

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