Wo die russische MIR zu Hause ist
Auf den Spuren von Sigmund Jähn
Die Raumfahrt ist ein wichtiger Schrittmacher in Sachen Technik. Ungezählte Errungenschaften bereichern heute unseren Alltag, die ursprünglich für die Weltraumfahrt ersonnen wurden. Im sächsischen Örtchen Muldenhammer residiert die in den alten Bundesländern kaum bekannte Deutsche Raumfahrtausstellung, die ausführlich über die östliche und westliche Weltraumfahrt informiert.
Deutsche Raumfahrtausstellung
Eingefleischte Raumfahrtfans in Ost und West sind problemlos in der Lage, die Frage nach dem Vogtländischen Ort Morgenröthe-Rautenkranz zu beantworten. Ist dies doch der Geburtsort von Dr. Sigmund Jähn, dem ersten deutschen Kosmonauten. Zu seinen Ehren wurde an seinem Heimatort die Deutsche Raumfahrtausstellung erbaut, in dem schon zahlreiche weitere Astro- und Kosmonauten ein Stelldichein gaben.
Kein Wunder, dass das Museum mit zahlreichen Original-Exponaten glänzen kann, die es in dieser Fülle wohl an nur wenigen weiteren Orten zu besichtigen gibt. Da wären beispielsweise zahlreiche Originalraumfahrtanzüge, die einmal Thomas Reiter, John Glenn oder Juri Gagarin bei ihren Weltraumabenteuern begleiteten. Für so manchen Besucher aus dem früheren „Westen“ wird es eine überraschende Neuigkeit sein, dass russische Kosmonauten, die in der kasachischen Steppe landeten, mit einer prächtig gearbeiteten Tracht geehrt wurden. Eines dieser kunstvoll gearbeiteten Kleidungsstücke kann in Muldenhammer bestaunt werden.
Sänger-Projekt
Ein Raumfahrtmuseum wäre unvollständig, wenn die Geschichte der Weltraumfahrt-Anfänge nicht erzählt würde. Zahlreiche Originalexponate, wie etwa die Original-Brennkammer einer V2, dokumentieren Innovationen deutscher Wissenschaftler in Sachen Raketentechnik. Diese fußen auf den genialen Vorarbeiten von Konstantin E. Ziolkowski, einem russischen Autodidakten. Dieses durch eine Scharlacherkrankung nahezu taube Genie schlug als erster die Verwendung flüssiger Treibstoffe für Raketen vor, da er erkannte, dass Feststoffraketen zu schwach wären, um den Weltraum zu erreichen. Bereits 1903 veröffentlichte er seine berühmte Raketengleichung und war auch sonst in vielen Dingen zur Rakete seiner Zeit weit voraus.
Weitere Weltraumpioniere, die im Museum vorgestellt werden, sind der Amerikaner Robert H. Goddard, dessen Rakete bereits 1935 die Schallmauer durchbrach, Hermann Oberth, der bereits 1917 die technischen Voraussetzung zum Bau mehrstufiger Raketen mit Flüssigkeitsantrieb beschrieb oder der Österreicher Eugen Sänger, der bereits in den 1960er Jahren die Idee hatte, einen Raumgleiter waagrecht zu starten und zu landen, um nur einige Pioniere zu nennen, deren Wirken vorgestellt wird.
Visionäre waren also die Wegbereiter einer neuen Technik, die zunächst für viel Leid sorgte, ehe sie zum Nutzen des Menschen eingesetzt wurde. Im Museum wird gezeigt, welche Innovationen der „Kalte Krieg“ in Ost und West hervorbrachte. In Sachen Weltraumfahrt hatten zunächst die Russen die Nase vorn. Diese hatten, wie die Amerikaner, zahlreiche kriegsgefangene Raketenspezialisten rekrutiert und sich mit deren Hilfe einen Vorsprung erarbeitet, der die Welt staunen ließ.
Bereits sieben Jahre nach Kriegsende, am 4. Oktober 1957 konnte Russland seinen ersten Satelliten, Sputnik 1, in den Weltraum schießen. Auch von diesem ist ein nachgebautes Modell im Museum ausgestellt. Mit Sputnik 2 gelang es, ein Lebewesen ins All zu schießen. Die Hündin Laika konnte jedoch in der unisolierten Kapsel nicht lange überleben. Sie starb an Überhitzung und Stress.
MIR-Simulator
Pioniere sind gefragt
Raumfahrttechnik ist eine hochkomplizierte Errungenschaft, die man sich Stück für Stück erarbeiten muss. Das mussten auch die Amerikaner erkennen, die ohne Beteiligung deutscher Raketenpioniere mit dem Vanguard-Programm Satelliten ins All schießen wollten. Neun von zwölf Versuchen schlugen fehl. Erst der deutsche Wernher von Braun sorgte mit dem Explorer-Programm dafür, dass die Amerikaner den Vorsprung Russlands einholen konnten.
Natürlich wird in Morgenröthe-Rautenkranz auch der Wettlauf zum Mond dokumentiert, der von beiden Großmächten erbittert geführt wurde. Hier hatten zunächst einmal mehr die Russen die Nase vorn. Mit Luna 9 gelang am 3. Februar 1966 sogar die erste weiche Landung auf dem Mond. Den Russen blieb jedoch der ganz große Erfolg verwehrt, nämlich den ersten Menschen zum Mond zu bringen. Obwohl russische Sonden den Mond vermaßen, Gesteinsproben zur Erde brachten und ferngesteuerte Rover künftige Landeplätze auskundschafteten, scheiterte das Vorhaben am Bau der für diese Reise benötigten Rakete, der N1.
Unter der Leitung von Wernher von Braun schafften es deutsche und amerikanische Wissenschaftler, die Saturn-Rakete zu entwickeln, die sich als zuverlässiges Arbeitspferd in den Dienst der Raumfahrt stellte. Am 21. Juli 1969 konnten daher Neil Armstrong und Edwin Aldrin die Flagge Amerikas in den staubigen Mondboden rammen.
Das Innere des MIR-Simulators
Auch für kritische Stimmen, die in Abrede stellen, dass Amerikaner als erste Menschen den Mond betreten haben, hat das Museum gut ausgearbeitete Exponate vorbereitet, die auf heikle Fragen plausible Antworten bieten. Auch die jüngst von den Landestellen gemachten Satelliten-Aufnahmen sind ausgestellt, auf denen man deutlich die Spuren von Menschen beziehungsweise die Umrisse und Schatten der Mondlandemodule erkennen kann. Ganz werden kritische Stimmen wohl erst verstummen, wenn dereinst Touristen den Mond als Urlaubsziel anfliegen können und sich, wie heute bei den Pyramiden, neben den Mondladefähren fotografieren lassen können.
Ein gewichtiger Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit Sigmund Jähn. Bereits von weitem ist das damals von ihm geflogene MIG-Jagdflugzeug sichtbar, das vor dem Museum „parkt“. Zahlreiche Originalexponate von ihm zeigen das Wirken des 1937 geborenen, ehemaligen Buchdruckers und Jagdfliegers für die Raumfahrt. Zusammen mit dem sowjetischen Kommandanten Waleri Bykowski flog Sigmund Jähn am 26. August 1978 mit Sojus 31 zur Raumstation Salut 6 und blieb dort acht Tage.
Auch nach der Wende ging er seiner Berufung nach und engagierte sich als Berater beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Europäischen Weltraumagentur (ESA). So konnte er aktiv an der Vorbereitung und Durchführung deutscher Missionen zu den Raumstationen MIR und ISS mitwirken.
Maßstäbliche Raketen und Raumfahrzeuge
Technik mit Schrittmacher-Faktor
Mittlerweile ist die MIR nach 15 langen Dienstjahren Geschichte. Sie wurde am 23. März 2001 über dem Pazifischen Ozean kontrolliert zum Absturz gebracht, in den nicht verglühte Trümmer stürzten. Der in Köln bei der ESA vorhandene MIR-Simulator zur Ausbildung von Astronauten war nun ebenfalls nicht mehr von Nutzen, weshalb er heute in Morgenröthe-Rautenkranz besichtigt werden kann.
Alleine schon dieses imposante Stück russischer Raumfahrttechnik ist es Wert, ins Vogtland zu kommen. Wer einmal das Innere des MIR-Simulators betreten hat, ist überrascht, wie aufgeräumt und groß alles ist. Keine Spur von Enge. Näheres Mustern der Ausstattung lässt robuste und wohlüberlegte Raumfahrttechnik erkennen. Dies zeigt sich auch in der langen Lebensdauer, die ursprünglich lediglich mit sieben Jahren angesetzt war.
Ein Nachbau der Sojus-Landekapsel in Originalgröße mit der Computertechnik zum Andocken eines Raumschiffes an die ISS kann ebenfalls in der Deutschen Raumfahrtausstellung bestaunt werden.
Auch Autogrammjäger kommen auf ihre Kosten. Allerlei prominente Namen haben sich hier auf Tafeln verewigt. Ob Jesco von Puttkamer, Ulf Merbold oder Thomas Reiter, alles, was in Sachen Weltraumfahrt Rang und Namen hat, hat sich hier verewigt. Natürlich sind hier auch zahlreiche russische Kosmonauten zu lesen, die für westlich geprägte Menschen zum großen Teil noch unbekannt sind. Ein guter Grund, in den ersten Stock des Museums zu gehen, um die Vita dieser Weltraumpioniere näher zu studieren.
Sowjetisches Mondmobil ›Lunochod‹
Weltraumtaugliches für den Alltag
Mit einem gut gemachten Film, der in einem eigenen kleinen Museumskino gezeigt wird, kann die Reise zur Raumstation ISS miterlebt werden. Wer im bequemen Kinosessel seine Gedanken kreisen lässt, wird sich viele Fragen stellen, die eine Weltraumfahrt aufwirft. Zum Beispiel welches Werkzeug genutzt wird wenn es gilt, mit einem dicken Handschuh an einem Sonnensegel eine lockere Schraube festzuziehen.
Die Antwort findet sich in der Ausstellung: Wer hätte gedacht, dass das Akku-Werkzeug ein Produkt der Weltraumfahrt ist? Diese praktischen Werkzeuge wurden ursprünglich für die Mondlandung entwickelt und sind auch heute noch etwa auf der ISS im Gebrauch. Ebenso ist der Airbag ein Kind ehrgeiziger Weltraumprogramme. Ursprünglich ist diese Innovation nicht für havarierte Autofahrer ersonnen worden, sondern sollte US-Raumfahrer in deren Kapsel vor dem harten Aufprall auf die Wasseroberfläche schützen. Ein ganz wichtiges Werkzeug für Raumfahrer war und ist der Sekundenkleber, der extra dafür entwickelt wurde, um etwa Lecks abzudichten, durch die lebensnotwendiger Sauerstoff entweicht.
Dem Space Shuttle-Programm ist die Einführung des Strichcodes zu verdanken, ohne den heute in der modernen Logistik nichts mehr geht. Der Grund zu dessen Entwicklung war, dass rund zwei Millionen Teile des Space Shuttle als „kritische Teile“ betrachtet wurden, die keinesfalls, wie etwa die Hitzeschutzkacheln, verwechselt werden durften. Auch der Klettverschluss erblickte in einem Raumfahrt-Forschungslabor das Licht der Welt.
Er half, dass Raumfahrer trotz dicker Handschuhe Gegenstände problemlos öffnen, schließen, befestigen oder ablösen konnten. Eine Errungenschaft, die sich heute nicht nur an Schuhen findet. Auch die Knopfzelle, der Mikrochip und der Rauchmelder stammen aus der Weltraumforschung und bereichern unseren Alltag, wie man in der Deutschen Raumfahrtausstellung erfahren kann.
Es zeigt sich, dass die friedliche Raumfahrt jede Summe wert ist, die man dort investiert. Nicht alleine der technische Fortschritt lohnt die Investition, sondern auch der Austausch der Nationen, die auf diesem Gebiet zusammenarbeiten. Ob Rohstoffabbau auf Asteroiden oder Erforschung des Mars, die Zukunft des Menschen liegt eindeutig im Weltraum. Auch diese Geschichte wird dereinst sicher in der Deutschen Raumfahrtausstellung erzählt werden.
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Mehr Informationen:
Deutsche Raumfahrtausstellung | |
Morgenröthe-Rautenkranz | |
Bahnhofstraße 4 | |
08262 Muldenhammer | |
Tel.: 037465-2538 | |
Fax: 037465-2549 | |
E-Mail: Raumfahrt@t-online.de | |
Öffnungszeiten: 10:00 - 17:00 Uhr | |
Eintrittspreise: Erwachsene: 6 Euro / Ermäßigt: 3,50 Euro | |
www.deutsche-raumfahrtausstellung.de |
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