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Ein Zentralabitur ist dringend nötig!

Niveau und Gerechtigkeit sichern!

Für hohes Niveau sowie Gerechtigkeit kann nur ein deutsches Zentralabitur sorgen, sagen Prof. Dr. Katja Koch, Pädagogin an der Uni Rostock und Mathias Brodkorb, von 2011 bis 2016 Bildungsminister in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Nationale Bildungsbericht 2020 vermeldete , dass erstmals seit 2006 die Anzahl der Absolventen mit Hochschulreife nicht mehr angestiegen, sondern gegenüber 2014 um drei Prozentpunkte gesunken sei. Damit verfügten nunmehr nur noch 50 Prozent der Schulabgänger über die Berechtigung, eine Hochschule zu besuchen. Ob dies, wie durch Bundesbildungsministerin Karliczek konstatiert, zeigt, dass der langjährige Trend zu höheren Abschlüssen seine Grenzen erreicht hat, oder eine zufällige Schwankung ist, bleibt abzuwarten.

Die Probleme des „Akademisierungswahns“ werden dadurch jedoch nicht einmal in die Nähe einer Lösung gelangen, wenn die Quote der Studienanfänger um ein paar Prozentpunkte sinkt. Denn Fakt ist: Wenn etwa die Hälfte aller jungen Menschen ein Abitur bestehen soll, das noch vor drei Jahrzehnten nur ein Viertel eines Jahrganges absolvieren konnte, hat das seinen Preis, und der heißt: Niveauverlust. Eindrücklich belegen wissenschaftliche Untersuchungen, dass in Mathematik und in den Naturwissenschaften nur etwa 25 Prozent der Abiturienten die Regelstandards erreichen. Gerade in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen ist dieses Problem bekannt.

Längst muss an Hochschulen daher in Einführungskursen für ein annähernd ausreichendes und gleiches Niveau gesorgt werden. Die Universität als Nachhilfe-Institut - zu solch’ peinlichen Blüten hat es die deutsche Bildungsmisere gebracht. Diesem Problem lässt sich nur durch eine Absenkung der Abiturientenquote auf etwa die Hälfte des heutigen Standes beikommen. Ein drastischer Rückgang von Hochschulabsolventen wäre kaum zu befürchten, vielmehr dürften sich die Abbrecherquoten an Hochschulen deutlich verringern.

Aber auch mit weniger Abiturienten wäre nicht gesichert, dass alle Absolventen über ein vergleichbares Leistungsniveau verfügen. Grund dafür ist der Bildungsföderalismus. Abitur ist Ländersache, deshalb unterscheiden sich Unterrichtsinhalte, Stundentafeln, Belegungspflichten, Prüfungsanforderungen und Abschlussquoten. Wie bitte soll da ein vergleichbares Niveau herauskommen? Und noch vieles andere ist faul in der Bildungsrepublik: Nicht einmal dann, wenn zwei Schüler aus unterschiedlichen Bundesländern dieselben Fächer belegt haben, exakt identische Leistungen erbringen und auch vollständig gleiche Noten haben, ist auch dieselbe Abiturnote garantiert. Geht es noch absurder?

Ja, z. B. mit einem länderübergreifenden Aufgabenpool. Mit irrsinnig hohem finanziellem und personellem Aufwand werden Jahr für Jahr durch die Länder Abituraufgaben in diesen Pool gelegt, aus dem sie sich für die Prüfungen bedienen können. Nota bene: die Entnahme ist freiwillig, und auch nur für die Kernfächer Mathe, Deutsch und Englisch/Französisch überhaupt möglich. Wozu das führt? In der Sache zu rein gar nichts, es ist einfach nur eine Nebelbombe! Geworfen, um die Bevölkerung zu beruhigen, welche mehrheitlich längst gegen den föderalen Wildwuchs votiert.

Ein Beispiel: Wenn es leichter ist, für weniger Leistung in Thüringen eine bessere Note zu erreichen als anderswo, ist der Thüringer Abiturient im Ranking um begehrte Studienplätze ganz vorn. Auch wenn der bayerische Absolvent womöglich mehr gelernt hat, hat er de facto schlechtere Noten. Die Abiturnoten sind nicht gleichwertig, und das ist ungerecht! Mehr noch: Es ist ein staatspolitischer Skandal, denn das Grundgesetz garantiert die Gleichbehandlung aller vor dem Gesetz und „gleichwertige Lebensverhältnisse“. Davon kann beim Abitur keine Rede sein.

Kurzum: Weder verbürgt das Zertifikat „Allgemeine Hochschulreife" die Studierfähigkeit ihrer Besitzer, noch geht es bei der Vergabe der Hochschulreife gerecht zu. Um das zu ändern, müssten zwei Probleme beseitigt werden: das geringe Leistungsniveau und die nicht vorhandene Gleichwertigkeit. Und genau daran scheitert der Bildungsföderalismus seit nunmehr 70 Jahren.

Wir sind überzeugt, dass sich nichts zum Besseren wenden wird, ohne dass der Bund in Bildungsfragen die Federführung übernimmt. Wir brauchen ein bundesweites Zentralabitur, und das lässt sich nur auf Bundesebene regeln. Damit das Abitur gerecht ist, müssen alle Schüler in Deutschland dieselben Abschlussprüfungen ablegen. Damit das geht, müssen sie zuvor auch dieselben Inhalte auf hohem Niveau gelernt haben - und zwar in derselben Zeit, sonst ist es wieder nicht fair.

Diese drei Punkte lassen sich nicht voneinander trennen. Wir brauchen also zentrale Abschlussprüfungen, einheitliche Rahmenpläne und einheitliche Stundentafeln. Ein solches „Deutschland-Abitur“ wäre gerecht, übersichtlich, unbürokratisch und kostengünstig. Und es wäre familienfreundlich. Bei berufsbedingten Umzügen von einem Bundesland in ein anderes hätten die Sprösslinge keine Anschlussprobleme mehr.

Ein Argument, das immer wieder gegen gleiche Bildungsinhalte und für den Bildungsföderalismus herhalten muss, ist: Die Länder seien eben nicht „gleich“. Aber funktionieren Mathematik, Biologie oder Philosophie in Bayern tatsächlich anders als in Bremen oder Thüringen? Natürlich nicht! Zudem wäre es gar kein Problem, in einem „Deutschland-Abitur“ auch Freiräume für die Pflege regionaler Kulturbestände zuzulassen. Die Sicherung kultureller Vielfalt ist auch ohne Bildungsföderalismus möglich, und zugleich ohne Chaos, ohne Ungerechtigkeit und mit Niveau.

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Diesen Gastkommentar finden Sie auch in Ausgabe 1/2021 auf Seite 93. Zum besagten Heft führt ein Klick auf den nachfolgenden Button!

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