Klartext von Dr. Thomas Lindner
Eine wichtige Rede zum Standort Deutschland
In seiner Rede anlässlich des 6. Deutschen Maschinenbau-Gipfels hat VDMA-Präsident Dr. Thomas Lindner bemerkenswerte Worte an die Zuhörer gerichtet.
Guten Tag meine Damen und Herren, herzlich willkommen zu unserer Pressekonferenz im Rahmen des 6. Maschinenbau-Gipfels. Alle reden über die Schuldenkrise – wir auch, aber nicht nur. Das Leben geht weiter und wir wollen vom Maschinenbau-Gipfel ganz klar positive Botschaften senden:
- Wir setzen auf Wachstum und wirtschaftliche Erholung im festen Glauben an unsere Innovationskraft.
- Die dominierende Position des deutschen Maschinenbaus zeigt sich auch aus unserer Tendenzbefragung, die Sie in Ihren Unterlagen finden: 19 Prozent unserer Unternehmen sehen sich als Weltmarktführer, weitere 43 Prozent zählen sich zur Spitzengruppe der TOP Five.
- Wir brauchen einen klaren gesellschaftlichen und politischen Konsens, dass Deutschland und Europa Industriestandorte sind und bleiben wollen.
- Klimaschutz und Energiewende lassen sich nur durch eine starke und leistungsfähige Industrie in Europa erreichen – und zwar auf der Basis stabiler und funktionierender Wertschöpfungsketten.
Meine Damen und Herren, im Bewusstsein vieler Menschen in unserem Land ist das Jahr 2012 nicht unbedingt ein gutes Jahr für die Industrie. Das bedeutet für uns: Bewusstsein und Realität stehen nicht im Einklang! Für 2012 rechnen wir mit einem absoluten Rekordumsatz von 209 Milliarden Euro. Das ist der höchste Umsatz, den die Maschinenbauindustrie je erreicht hat.
Das absolute Spitzenjahr 2008 lag bei rund 208 Milliarden Euro. Vor zehn Jahren (2002) lagen wir bei lediglich 133 Milliarden Euro, das heißt, wir haben in zehn Jahren 57 Prozent, also mehr als die Hälfte, zugelegt. 3 Entscheidend dabei ist die weiter fortschreitende Internationalisierung unseres Geschäfts, das heißt die Exportquote ist in den letzten zehn Jahren von 68 (2002) auf rund 75 Prozent (2011) gestiegen. Für ein kleines Land wie Deutschland ist es sensationell, nach wie vor Exportweltmeister zu sein.
Dieser Erfolg kommt auch bei den Menschen in Deutschland an: Im Juli 2012 verzeichnete die Maschinenbauindustrie 974.000 Beschäftigte, das heißt, sie hat innerhalb eines Jahres von Juli 2011 bis Juli 2012 rund 43.000 Arbeitsplätze geschaffen. Das beruht auch auf statistischen Effekten. Aber dieser Aufbau insgesamt ist und bleibt ein Beleg dafür, auf welch gutem Weg die Maschinenbau-industrie als größter industrieller Arbeitgeber ist. Unsere Tendenzbefragung, die Sie in der Pressemappe finden, zeigt ebenfalls deutlich, dass unsere Unternehmen positiv in die Zukunft sehen, zumal der deutsche Maschinen- und Anlagenbau im internationalen Vergleich als äußerst wettbewerbsfähig gilt. Dies wird auch durch unsere Produktionsprognose für 2013 unterstrichen, die auf plus zwei Prozent lautet.
Die Unternehmen setzen dabei auf ihre eigene Innovationskraft und auf die technologischen Entwicklungen, für die Deutschland international bekannt ist. Lassen Sie mich klar sagen: Der deutsche Maschinenbau steht für internationale Spitzenleistung. Ohne die deutschen Maschinenbauer ist eine international wettbewerbsfähige Produktion auf der Welt kaum möglich. Diese Chance sehen unsere Unternehmen, und das stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Sie sehen aber auch, dass wir in der preislichen Wettbewerbssituation in Deutschland – trotz aller Anstrengungen, trotz Kostenreduzierung und Effizienzsteigerungen – seit unserer ersten Umfrage im Jahr 2000 im internationalen Vergleich etwas verloren haben. Der Gewinner heißt China. Nicht ganz überraschend. Und dabei sollten wir nicht übersehen, dass wir von den gegenwärtigen Wechselkursen profitieren. Trotzdem, meine Damen und Herren, lassen Sie uns nicht vergessen: Vor 10 Jahren galt das Thema produzierende Industrie, für das Deutschland stand, als „old fashioned“, überflüssig und als Auslaufmodell. Dienstleistungen, Banken und so weiter waren das Thema der Zukunft. Heute ist völlig klar: Eine produzierende Industrie wie die Maschinenbauindustrie steht für das Thema Zukunft, steht für das Thema Wohlstand wie keine andere Industrie.
Es ist nunmehr ein geradezu verdächtig breiter Konsens, dass wir einen klaren Kurswechsel brauchen in Richtung einer starken europäischen Realwirtschaft und industrieller Strukturen. So zum Beispiel die klare Aussage der SPD. EU-Kommissar Tajani fordert eine dritte industrielle Revolution, die den Anteil der Industrie an der europäischen Wirtschaftsleistung von derzeit 16 Prozent bis 2020 wieder auf 20 Prozent steigern soll. Wir unterstützen diesen Ansatz sehr, müssen aber auch klar sagen, dass es sehr wünschenswert wäre, wenn nicht nur starke Worte und programmatische Aussagen das Bild prägen würden, sondern konkrete Taten.
Dies betrifft insbesondere die Kommission, betrifft aber auch das politische Brüssel. Wir können momentan noch nicht sehen, dass in Brüssel klar ist, welche Bedeutung eine produzierende Industrie für die Zukunft Gesamt-Europas hat und dass die Schuldenkrise, dass Klimaschutz und Energiewende sich nur mit einer starken Industrie in Europa bewältigen lassen. Kurz: Wir brauchen klare Taten und nicht nur starke Worte! Denn um weiterhin erfolgreich und wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir auch ein entsprechendes Umfeld. Das heißt, Rahmenbedingungen, die uns den Erfolg erlauben. Es wäre schön, wenn Herr Kommissar Tajani dies auch seinen restlichen Kollegen in der Kommission näher bringen könnte. Hier hat man doch zu oft den Eindruck, dass gute Industriepolitik nicht im Setzen von Leitplanken gesehen wird, sondern glaubt, uns mit einem ständig engmaschigeren Regelungsnetzwerk beglücken zu müssen.
Meine Damen und Herren in Brüssel, das wird schief gehen! Ich habe heute Morgen schon klar in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass wir alles tun müssen, um die Wertschöpfungs-ketten zu sichern. Dieses System der gegenseitigen Zusammenarbeit ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die gesamte deutsche Industrie und in dieser Dichte ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Dies geht von der Antriebstechnik, von der Steuerung, von den Elektromotoren bis hin zu den Lüftern und den zahllosen Spezialunternehmen im kleinen und mittelständischen Bereich.
Diese Technologiekette umfasst aber auch eindeutig die sogenannten energieintensiven Unternehmen aus Stahl und chemischer Industrie. Sie sind unverzichtbarer Teil unseres gemeinsamen Erfolges. Wir haben dies gemeinsam mit der Chemieindustrie und der Stahlindustrie in einem Gutachten des IW in Köln untersucht.
Die Studie „Wertschöpfungsketten und Netzwerkstrukturen der deutschen Industrie“ liegt in Ihren Unterlagen. Sie räumt unter anderem auch mit dem naiven, geradezu dummen Vorurteil, auf, was die Technologiekraft energieintensiver Unternehmen betrifft: Das Gutachten sagt klar, dass energieintensive Unternehmen im Netzwerk wichtige Innovationsleistungen für das gesamte Verarbeitende Gewerbe erbringen und damit mitentscheidend sind für den Erfolg des Standortes Deutschland. Deshalb möchte ich auch vor dem Hintergrund der massiv erhöhten EEG-Umlagen eine klare Aussage treffen: Ich halte es nach wie vor für richtig, dass die energieintensiven Unternehmen, die in hartem internationalen Wettbewerb stehen, von dieser Umlage ausgenommen werden.
Das ist häufig überlebenswichtig. Ich kann dies auch aus der Perspektive der Maschinenbauindustrie sehr neutral sagen: Der Maschinenbau ist mit einem Energiekostenanteil von durchschnittlich rund einem Prozent am Umsatz in den meisten Fällen nur wenig betroffen. Wir wissen aber auch, dass gerade die kleinen energieintensiven Unternehmen, die nicht unter die Ausnahmeregelung fallen, zum Teil massiv betroffen sind.
Um ein Missverständnis zu vermeiden: Die Energiewende ist politisch gesetzt und die Maschinenbauindustrie hat immer gesagt, dass sie zu dieser politischen Entscheidung steht und die Kraft und die Möglichkeit hat, diese umzusetzen. Wir haben aber auch gesagt, dass es Geld kosten wird und dass alles getan werden muss, um die knappe Ressource Geld im Bereich der Energiewende möglichst effizient einzusetzen. Sie darf nicht zum Spielplatz von 16 kleinen Energiewendlern in den Bundesländern und von hunderten sogenannter energieautarker Kommunen werden. Ich habe darauf auch heute Vormittag sehr klar hingewiesen.
Lassen Sie mich aber noch einen Punkt ergänzen, insbesondere weil mir scheint, dass in der Energiediskussion in Deutschland Entwicklungen, die nicht ins geliebte Bild passen, leicht unter den Tisch fallen. Wir müssen schon aufpassen, was mit der Gas- und Ölproduktion in den Vereinigten Staaten mit modernen Produktionsmethoden passiert und welche Auswirkungen das auf die internationalen Öl- und Gaspreise hat. Wenn die USA wirklich diese enormen Förderungen vornehmen können, müssten die internationalen Preise für Gas und Öl geradezu dramatisch absinken. Das würde alle langfristigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen für die Energiewende zu Makulatur werden lassen. Darauf müssen wir uns einstellen, und die Politik darf nicht länger vor dieser Realität die Augen verschließen. Denn – wir reden von nichts anderem als von der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland und in Europa.
Meine Damen und Herren, der Maschinenbau steht bekanntlich nicht nur für Innovationen und Exporterfolge, sondern auch für eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen – Kennzahl: alleine 3.100 VDMA-Mitglieder – die häufig familiengeführte Unternehmen sind. Deshalb ist die immer wieder in Wahlkämpfen aufflammende Diskussion über höhere Steuern oder gar die Wiedereinführung alter, aufwändig zu erhebender Steuern aus der Sicht der Maschinenbauindustrie extrem schädlich. Ich wundere mich schon, dass vor dem Hintergrund von Rekordsteuereinnahmen der Öffentlichen Hand immer wieder die Neiddiskussion über die Vermögenssteuer und der Erbschaftsteuer aufflammt. Das ist nicht nur ein emotionales Thema! Ich möchte unterstreichen, dass es in der letzten Krise gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen waren, die, entgegen aller betriebswirtschaftlichen Überlegungen, ihre Mitarbeiter gehalten und letztlich den Karren mit rasender Geschwindigkeit aus dem Dreck gezogen haben.
Es ist aber auch ein ökonomisches Thema, denn gerade unsere Industrie ist so zyklisch wie kaum eine andere Industrie. Wir brauchen also das Eigenkapital für die Vorfinanzierung der Aufträge, wir brauchen das Eigenkapital, um zyklische Abschwünge – ggf. auch sehr starke zyklische Abschwünge – ausgleichen zu können. Wir brauchen diese finanzielle Luft, um mit den internationalen Zyklen zu atmen. Nur so – und das ist eine der wichtigsten Lehren der vergangenen Krise – können wir die Zukunft meistern. Deshalb ist meine klare Forderung, dass die Politik endlich aufhört, aus wahltaktischen Gründen mit Substanzsteuern die Kraft unserer Unternehmen zu unterminieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Mehr Informationen zum VDMA:
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. | |
Lyoner Strasse 18 | |
60528 Frankfurt/Main | |
Postfach 71 08 64, 60498 Frankfurt/Main | |
Telefon +49 69 6603 0 | |
Fax +49 69 6603-1511 | |
E-Mail: Kommunikation@vdma.org | |
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