Spanflug-Gründer im Interview
Der neue Weg zum Teil
Spanflug Technologies, ein Startup der Technischen Universität München (TUM), bietet als erster Online-Fertiger einen vollständig automatisierten Bestellprozess für CNC-Dreh- und Frästeile an. Die Firmengründer Dr. Markus Westermeier und Dr. Adrian Lewis erklären, wie dieser funktioniert und wie Anwender konkret davon profitieren können.
Herr Dr. Westermeier, Herr Dr. Lewis, wie entstand die Idee, diesen Online-Shop zu entwickeln?
Markus Westermeier: Die Idee für Spanflug entstand, als ich noch im Vertrieb eines Fertigungsdienstleisters für Dreh- und Frästeile beschäftigt war. Zu meinen Aufgaben gehörte es unter anderem, Angebote zu erstellen. Dieser Prozess ist sehr zeitaufwändig, weil viele manuelle Arbeitsschritte notwendig sind. Ich habe mir damals überlegt, wie ich den Angebotsprozess automatisieren könnte. Promoviert hatte ich am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der TUM. Dabei konnte ich mir sehr viel Hintergrundwissen aneignen. Zusammen mit meinen Mitgründern Johannes Schmalz und Adrian Lewis setzten wir schon ein Jahr später den Prototypen eines Algorithmus zur Angebotspreisberechnung für Dreh- und Frästeile um.
Wie unterstützen Sie damit Anwender konkret und wie profitieren diese davon?
Adrian Lewis: Der zentrale Kundennutzen von Spanflug ist die automatische Analyse, ob das Teil gefertigt werden kann, und die Berechnung des Preises, basierend auf einem CAD-Modell und einer technischen Zeichnung. Damit können Kunden in unserem Online-Shop sofort Dreh- und Frästeile bestellen, ohne auf Rückmeldungen warten zu müssen – und das 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Wir arbeiten mit einem großen Netzwerk aus qualifizierten Fertigungsbetrieben in ganz Deutschland zusammen. Damit stellen wir unseren Kunden eine unbegrenzte Fertigungskapazität und immer den passenden Partner zur Seite. Sie sparen bei ihrer Suche deutlich Zeit und senken den Aufwand für Kommunikation und Qualifizierung ihrer Lieferanten. Sie können dadurch ihre Fixkosten in der Beschaffung reduzieren. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten passen unsere Kunden so ihre Fertigungskapazitäten sehr flexibel an volatile Marktentwicklungen an.
Wie kommt der Nutzer zu seiner gewünschten Bestellung?
Adrian Lewis: Er loggt sich einfach auf spanflug.de ein und lädt die Zeichnung des Bauteils hoch. Dann kann er sofort den Angebotspreis berechnen lassen und seine gewünschte Ware bestellen. Schneller geht es nicht.
Die Preiskalkulation für CNC-Dreh- und Frästeile ist oft aufwändig. Wie schaffen Sie es, zuverlässig marktgerechte Preise in wenigen Sekunden zu ermitteln?
Markus Westermeier: Dreh- und Frästeile sind sehr vielfältig und komplex. Heute schaffen wir es, für über 90 Prozent der Bauteile im Markt automatisch Angebotspreise zu berechnen. Das gelingt uns mit dem eigenentwickelten Preisalgorithmus, den wir ständig verbessern, um noch mehr Bauteile automatisch bearbeiten zu können.
Wie lange dauert es, bis der Kunde sein gewünschtes Produkt erhält?
Adrian Lewis: Kunden können die Lieferzeit ihrer Bauteile im Online-Shop frei wählen. Aktuell liegt die kürzeste Zeitspanne bei zehn Arbeitstagen. Durch verbesserte Prozesse und unser Fertigungsnetzwerk können wir bald für viele Bauteile den Versand innerhalb von drei Arbeitstagen anbieten.
Wo lassen Sie die Aufträge fertigen, handelt es sich dabei um ausgewählte Betriebe?
Markus Westermeier: Ja, um die Qualität und eine schnelle Lieferung sicherzustellen, ist es uns ein besonderes Anliegen, die Fertigung möglichst lokal durchzuführen. Wir arbeiten deshalb ausschließlich mit Lieferanten, die in Deutschland produzieren.
Gibt es Beschränkungen der CNC-Teile – zum Beispiel in Größe, Material oder Komplexität – oder konnten Sie bisher alle Kundenwünsche erfüllen?
Markus Westermeier: Unser Ziel ist es, alle Fertigungsaufgaben im CNC-Bereich zu erfüllen. Daran arbeitet ein Großteil unserer Entwickler täglich. Wir erweitern unser Angebot kontinuierlich zum Beispiel mit neuen Werkstoffen oder Oberflächenbehandlungen. Die aktuellen Fertigungsmöglichkeiten in Bezug auf Bauteilgröße und Werkstoffe können Sie in unserem Onlineshop einsehen.
An wen kann sich der Kunde wenden, wenn er Fragen hat oder spezielle Anforderungen stellt?
Adrian Lewis: Spanflug ist während des kompletten Bestellprozesses zentraler Ansprechpartner für den Kunden. Für Rückfragen sind unsere Mitarbeiter während der Geschäftszeiten von acht bis 18 Uhr telefonisch und per E-Mail erreichbar. Angebotsanfragen für spezielle Anforderungen, wie ein besonderer Werkstoff oder eine bestimmte Oberflächenbehandlung, können Kunden schnell und unkompliziert über den Online-Shop an uns senden. Alle eingegebenen Daten werden mit dem CAD-Modell und der technischen Zeichnung an uns übermittelt. Der Kunde erhält in der Regel innerhalb eines Werktags ein individuelles Angebot.
Wie kommen die Lieferanten zu den Aufträgen, wie erfolgt die Zusammenarbeit mit Ihnen, und wie profitieren die Lieferanten durch diese Vorgehensweise?
Markus Westermeier: Bei unseren Fertigungspartnern folgen wir ganz klar dem Motto „Qualität statt Quantität“. Bevor wir eine Zusammenarbeit beginnen, schauen wir uns Unternehmen, die sich für uns interessieren, sehr genau an. Wir bewerten unsere Fertigungspartner fortwährend anhand der gelieferten Produkte, der Liefertreue und ihrer Reaktionszeit. Um mehr über den Aufnahmeprozess zu erfahren, können sich die Betriebe direkt an uns wenden. Als Partner haben sie zum Beispiel den Vorteil, dass sie keinen Aufwand für den Vertrieb leisten müssen. Sie profitieren zudem von einer sehr effizienten und durchgängig digitalen Auftragsabwicklung sowie zusätzlichen Aufträgen – genau dann, wenn es zu ihrer Auslastung passt.
Welche Stückzahlen bieten Sie an und wie hoch sind diese in der Regel?
Markus Westermeier: Die automatische Preisberechnung bieten wir aktuell für Stückzahlen von eins bis 1.000 an. Diese Spanne schöpfen unsere Kunden aus. Deshalb arbeiten wir daran, unseren Preisalgorithmus auch für mehr als 1.000 Stück freizugeben.
Wie werden Sie den Online-Shop ausbauen, um den Kundennutzen weiter zu erhöhen?
Adrian Lewis: Das ist eine sehr interessante Frage, zu der es eine lange Liste von Entwicklungsaufgaben und Ideen gibt. Viele davon sind aber noch nicht spruchreif. Grundsätzlich geht es uns darum, Kunden sowohl in ihren Arbeitsabläufen als auch bei ihren technischen Anforderungen noch besser zu unterstützen. Spanflug ist heute schon der schnellste und einfachste Weg, professionelle Fertigungsteile zu beschaffen. Uns geht es immer darum, den Alltag der Kunden noch einfacher zu gestalten und noch mehr Menschen mit unserem Online-Shop zu erreichen. Wir denken natürlich auch an neue Funktionen. Dazu gehören eine direkte Anbindung an ERP-Systeme und die automatische Verarbeitung von Baugruppen.
Herr Dr. Westermeier und Herr Dr. Lewis, welchen Background haben Sie?
Markus Westermeier: Ich habe im Jahr 2016 am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der TUM promoviert. Ich leitete dort die Abteilung Spanende Werkzeugmaschinen. Darüber hinaus konnte ich mir während meiner Tätigkeit als Geschäftsführer eines Lohnfertigungsunternehmens für spanende Fertigung umfassendes Know-how sowie ein breites Netzwerk in der Produktionstechnik aufbauen. In der Geschäftsführung von Spanflug verantworte ich die Fertigungstechnik und den Vertrieb. Bei dem Lohnfertiger war ich damals sowohl als Kunde wie auch als Dienstleister mit dem ineffizienten Beschaffungsprozess für CNC-Bauteile konfrontiert. Mir wurde schnell klar: Hier steckt viel Potential für Kunden und Lieferanten.
Adrian Lewis: Ich habe 2014 an der University of Oxford in experimenteller Teilchenphysik promoviert. Der Fokus meiner Arbeit lag in der Auswertung der am ATLAS Detektor (Large Hadron Collider am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf, Anm. d. Redaktion) aufgenommenen großen Datenmengen. Damit können wir die Wahrscheinlichkeit präzise messen, mit der in Proton-Proton-Kollisionen W/Z-Bosonen erzeugt werden. Nach meiner Promotion war ich als Software-Engineer bei der Brainlab AG beschäftigt, die komplette Hard- und Softwaresysteme für das bildgesteuerte Operieren sowie die Strahlentherapie entwickelt und vermarktet. Anschließend arbeitete ich bei der Cognostics AG, die Verfahren entwickelt, die das menschliche Denken im Umgang mit Komplexität unterstützen. Seit der Gründung von Spanflug verantworte ich als Geschäftsführer die Themen Software-Architektur, Web-Entwicklung und Dev-Ops. An Spanflug interessiert mich insbesondere die Schnittstelle zwischen Maschinenbau und Informatik. Vor allem begeistert mich die Möglichkeit, durch intelligente Algorithmik die Abläufe in der Fertigungsindustrie effizienter zu gestalten.
Mehr Informationen zu Spanflug:
Spanflug Technologies GmbH | |
Bürgermeister-Steinberger-Ring 4 | |
84431 Rattenkirchen | |
Tel.: 089-21555438 | |
E-Mail: info@spanflug.de | |
www.spanflug.de |
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