Signale aus dem Erdinneren
Neutrinos auf der Spur
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Borexino-Kollaboration haben neue Ergebnisse zur Messung von Neutrinos vorgelegt, die aus dem Innern der Erde stammen. Die schwer fassbaren „Geisterteilchen“ interagieren nur äußerst selten mit Materie, was den Nachweis schwierig macht.
Unser Planet leuchtet, auch wenn es mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist. Grund dafür sind Geoneutrinos, die in radioaktiven Zerfallsprozessen im Innern der Erde entstehen. Jede Sekunde durchdringen etwa eine Million davon jeden Quadratzentimeter der Erdoberfläche. Das Borexino-Instrument im größten Untergrundlabor der Welt, das Laboratori Nazionali del Gran Sasso in Italien, ist einer der wenigen Detektoren weltweit, die in der Lage sind, die spukhaften Teilchen zu erfassen.
Bereits seit 2007, also seit über zehn Jahren, sammeln Forscher mit Borexino Daten über Neutrinos. Bis 2019 konnten sie doppelt so viele Ereignisse wie zum Zeitpunkt der letzten Auswertung im Jahr 2015 registrieren – und die Unsicherheit der Messungen von 27 auf 18 Prozent herunterschrauben, was auch auf neue Analysemethoden zurückzuführen ist.
„Geoneutrinos sind die einzigen direkten Spuren der radioaktiven Zerfälle, die irgendwo im Inneren der Erde stattfinden und die einen noch unbekannten Teil der Energie erzeugen, die die gesamte Dynamik unseres Planeten antreibt“, erklärt Livia Ludhova, eine der beiden aktuellen wissenschaftlichen Koordinatoren von Borexino und Leiterin der Neutrino-Gruppe des Instituts für Kernphysik am Forschungszentrum Jülich.
Den Forschern der Borexino-Kollaboration ist es gelungen, das Signal von Geoneutrinos aus dem Erdmantel, der sich unter der Erdkruste befindet, über den bekannten Beitrag des oberen Erdmantels und der Erdkruste - der so genannten Lithosphäre - zu bestimmen.
Die Verhältnisse im Inneren der Erde sind in vielerlei Hinsicht einzigartig im gesamten Sonnensystem. Man denke etwa an das intensive Magnetfeld, die unablässige vulkanische Aktivität, die Bewegung der tektonischen Platten und die sogenannte Mantelkonvektion. Die Frage, aus welchen Quellen sich die innere Wärme der Erde speist, beschäftigt Wissenschaftler bereits seit über 200 Jahren.
„Die Hypothese, dass in der Tiefe keine Radioaktivität mehr vorhanden ist, kann jetzt mit 99-prozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden. Das ermöglicht es nun zum ersten Mal, einen Mindestgrenzwert für die Uran und Thorium Häufigkeiten im Erdmantel festzulegen“, konstatiert Livia Ludhova.
Die Werte sind für unterschiedliche Erdmodell-Rechnungen interessant. So lässt sich mit hoher, konkret: 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit daraus ableiten, dass radioaktive Zerfallsprozesse im Inneren der Erde mehr als die Hälfte der inneren Wärme der Erde erzeugen. Die andere Hälfte stammt zum Großteil noch aus der ursprünglichen Formation unseres Planeten. Radioaktive Prozesse in der Erde stellen demnach einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Energie bereit, die Vulkane, Erdbeben und das Erdmagnetfeld antreibt.
Die nächste Herausforderung für die Forschung mit Geoneutrinos besteht nun darin, Geoneutrinos aus dem Erdmantel mit größerer Präzision zu messen: vielleicht mit Detektoren, die an verschiedenen Positionen auf unserem Planeten verteilt sind. Ein solcher Detektor wird der JUNO-Detektor in China sein, an dem die Jülicher Neutrino-Gruppe ebenfalls beteiligt ist. Der Detektor wird um einen Faktor 70 größer sein als Borexino, was dazu beiträgt, dass schon in einer kurzen Zeitspanne eine höhere statistische Signifikanz erreicht werden kann.
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