Inklusion ja, doch nicht zu früh
Behinderte brauchen Spezialisten
Ideologien haben Einzug in die Schulen gehalten. Das vormals hoch angesehene deutsche Bildungssystem wurde seiner Effektivität beraubt. Es produziert 100 Jahre nach dem fast vollständigen Sieg gegen den Analphabetismus wieder in großer Zahl Menschen ohne ausreichende Kenntnisse im Schreiben, Lesen und Rechnen. Damit das Desaster nicht zu auffällig ist, werden mittlerweile Lehrer angehalten, bei der Notenvergabe zu schwindeln, um Sitzenbleiber zu vermeiden. Nun sollen auch noch Menschen mit Behinderung ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt beraubt werden. ›Inklusion‹ lautet das Zauberwort, mit dem darum geworben wird, dass Behinderte mit Nichtbehinderten zum Vorteil aller beschult werden sollen. Die Folge wird sein, dass in der Mehrzahl weder die Behinderten, noch die Nichtbehinderten von diesem Ansinnen etwas haben und in ihren Lernchancen behindert werden. Es ist an der Zeit, endlich den unverantwortlich handelnden Akteuren mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.
›Inklusion‹ heißt ein neues Zauberwort, das findige Protagonisten aus den Tiefen des Duden ausgegraben haben. Dieses Ehrfurcht einflößende Wort soll es Menschen mit Behinderung künftig leichter machen, einen Platz in der Welt zu finden, indem ihnen die Möglichkeit geboten wird, zusammen mit Nichtbehinderten zu lernen.
Anders als von den Vertretern eines bestimmten politischen Farbenspektrums suggeriert, ist das in vielen Fällen schon seit Langem selbstverständlich, wenn die Art der Behinderung dem Lernerfolg nicht entgegensteht. Wer beispielsweise nur leicht schwerhörig ist oder trotz Rollstuhlnutzung den Weg in den Klassenraum bewältigen kann, dem wurde in der Regel noch nie vom Besuch seiner Wunschschule abgeraten.
Die jahrzehntelange Erfahrung in der Behindertenarbeit zeigt jedoch, dass Behinderte mit bestimmten Behinderungsarten weit besser gefördert werden können, wenn sie besondere Zuwendung bekommen und das Lerntempo ihrer Leistungsfähigkeit angepasst wird. Wurde früher den Behinderten vielfach die Ausbildungsfähigkeit abgesprochen, reifen die jungen Leute heute in spezialisierten Einrichtungen zu leistungsstarken Mitgliedern der Gemeinschaft und gesuchten Fachkräften heran.
Plötzlich soll nun alles noch viel besser werden. Alle Behinderten sollen ab sofort, unabhängig von ihrer Behinderungsart, mit Nichtbehinderten beschult und langfristig die speziellen Einrichtungen und Schulen für Menschen mit Behinderung geschlossen werden. Über 200 Jahre erfolgreiche Behindertenarbeit würden so Geschichte, ohne dass ein Mehrwert entsteht.
Im Gegenteil! Durch den Wegfall etwa der Berufsbildungswerke würden vom Leben Benachteiligte sicher nicht mehr so einfach Spitzenberufe wie etwa KFZ-Mechatroniker, Industriemechaniker oder Mediengestalter lernen können, da sich Betriebe die Bewerber für eine Ausbildung genau ansehen. Schließlich steckt kein Unternehmen viel Geld in einen jungen Menschen, von dem er nicht sicher sein kann, dass dieser ihm am Ausbildungsende als Fachkraft zur Verfügung steht.
Überhaupt ist im Bildungswesen eine unglaubliche Fehlentwicklung erkennbar, der nun sogar schon Nichtbehinderte zum Opfer fallen. Selbst Experten sprechen mittlerweile von einer Katastrophe, da viele Schüler dank fragwürdiger Lernmethoden nicht mehr richtig lesen und schreiben lernen. Die gleichen Akteure, die hier Verantwortung tragen, möchten nun auch behinderte Menschen „beglücken“ und Ihnen große Chancen, wie etwa Berufsbildungswerke vorenthalten.
Ein Plan, der rundweg abzulehnen ist. Wie kommen überhaupt Nichtbehinderte dazu, sich anzumaßen was für Behinderte gut zu sein hat? Auch Eltern sollen sich fragen, ob sie zu wenig selbstbewusst sind, das Talent ihres Kindes von Spezialisten wecken zu lassen, daher es lieber in „normalen“ Klassen verstecken. Dabei sind es nicht zuletzt Behinderte, die unsere Welt formen! Bei vielen Genies wie Albert Einstein, Isaac Newton und Mozart war eine Ausprägung von Autismus vorhanden. Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Daher gilt es, die Talente der Behinderten zu fördern und nicht deren Gebrechen zu verstecken.
Links:
Ein Interview von Ursula Haberkorn, Leiterin des BBW München, finden Sie hier.
Einen Gastkommentar von Thomas Harlander, Schuhmacherausbilder im BBW München und Vorsitzender des Schwerhörigenvereins München/Obb e.V. finden Sie hier.
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