Form- und Lagetoleranzen im Griff
Ein Ratgeber mit viel Tiefgang
Die Herstellung von Teilen aus Kunststoffen ist alles andere als einfach, da diese sich strukturell anders verhalten als Teile aus Metallen. Ganz zu schweigen davon, dass im späteren Einsatz deren Eigenheiten berücksichtigt werden müssen, um vorzeitigen Ausfall zu vermeiden. Infolgedessen müssen hier die zu verwendeten Toleranzen wohlbedacht sein. Optimale Hilfestellung gewährt das Fachbuch ›Bemaßung und Tolerierung von Kunststoffbauteilen‹ von Bernd Klein.
Die Anwendung von Toleranzen ermöglicht die problemlose Serienfertigung identischer Teile, da dadurch sichergestellt wird, dass im Reparaturfall ein defektes Bauteil problemlos ersetzt werden kann. Während sich bei Stählen und NE-Metallen die Maßhaltigkeit, Form- und Lagestabilität sowie Steifigkeit in einem Temperaturbereich zwischen – 40 und + 150 Grad Celsius nicht gravierend ändert, ist dies bei Kunststoffen völlig anders.
Hier muss mit der Aufnahme oder Abgabe von Flüssigkeit, mit Schwindung oder Relaxation sowie mit größeren Wärmeausdehnungen gerechnet werden. Die Folge ist eine deutliche Abhängigkeit der Idealgestalt von auf das Teil einwirkende Prozessgrößen. Man sollte deshalb bei der Tolerierung von Kunststoff-Formteilen nicht zu enge Funktionstoleranzen wählen. Wertvolle Tipps gibt es diesbezüglich im Fachbuch ›Bemaßung und Tolerierung von Kunststoffbauteilen‹ von Bernd Klein zu lesen.
Dieses Buch ist ein kompetenter Ratgeber, wenn es darum geht, die technisch zulässigen Abweichungen von den Sollwerten als Toleranz festzulegen. Klar wird beispielsweise hervorgehoben, dass eine Tolerierung so genau wie nötig, doch so ungenau wie möglich ausfallen sollte, um die Fertigungskosten nicht unnötig in die Höhe zu treiben. Bei der Toleranzfestlegung sollte berücksichtigt werden, dass viele Kunststoff-Formteile oft nicht so genau wie Metallteile sein müssen, da sich mit der höheren Dehnung und dem niedrigeren E-Modul viele Ein- und Ausbausituationen entschärfen lassen.
Wie es sich für ein hochwertiges Fachbuch gehört, werden neueste Normen verwendet, doch zusätzlich ein Verweis auf bisher gültigen Normen getätigt, die von diesen ersetzt werden. So wird beispielsweise dargelegt, dass für spanend hergestellte Formteile bisher die Norm ISO 286 galt, um Abmaße und Passungen für Wellen und Bohrungen festzulegen. Ergänzend konnten die Normen DIN ISO 2768 beziehungsweise ISO 22081 über Allgemeintoleranzen herangezogen werden. Nunmehr existiert mit der DIN EN 15860 eine eigene Norm für die spanende Verarbeitung von Thermoplasten. Dies wurde nötig, da sich in den letzten 20 Jahren die Sortenvielfalt der Kunststoffe verzehnfacht hat.
Nicht zuletzt Konstrukteure von Werkzeugen und Formen für die Kunststoffbearbeitung werden das Buch gerne in die Hand nehmen, da dort sehr viele Praxistipps niedergeschrieben sind. So wird beispielsweise erläutert, wie asymmetrische Toleranzen angegeben sein sollten, um Werkzeuge in beiden Richtungen korrigieren zu können.
Doch ist das Buch allen Personen zu empfehlen, die in ihrer täglichen Praxis mit Form- und Lagetoleranzen konfrontiert sind. In einer wirklich gelungenen Art wird vermittelt, was wo wie verwendet wird. Und das ist auch nötig, denn in den letzten Jahren hat sich die Komplexität einer Technischen Zeichnung massiv ausgeweitet. Den Durchblick hier zu behalten ist alles andere als einfach. Umso erfreulicher, dass Bernd Klein dies erkannt hat und in seinem Buch fundierte Infos gibt, das Symbol-Dickicht erfolgreich zu meistern.
So hat er beispielsweise einen „Fahrplan“ mit elf Einzelschritten im Buch untergebracht, mit dessen Hilfe die Festlegung von Form- und Lagetoleranzen gelingt. Dieser kommt anhand eines Praxisbeispiels zum Einsatz, bei dem es darum geht, eine alte Fertigungszeichnung schrittweise von Texthinweisen zu befreien und diesen Text in Normsymbole zu „übersetzen“. Auf diese Weise kann die Zeichnung an Fremdunternehmen weitergegeben werden, ohne dass es zu Problemen bei der Textinterpretation kommt.
Zahlreiche Übungen zur korrekten Anwendung von Form- und Lagetoleranzen runden dieses für Fachleute, wie beispielsweise Ingenieure, Konstrukteure, Lehrer und Ausbilder sehr empfehlenswerte Fachbuch ab. Es ist für diesen Personenkreis auf jeden Fall ein Gewinn, da die hier niedergeschriebenen Kapitelabschnitte sich zum großen Teil auch dann nutzen lassen, wenn der eigene Arbeitsschwerpunkt nicht auf der Verarbeitung von Kunststoffen liegt.
Mehr Informationen:
Titel: Bemaßung und Tolerierung von Kunststoffbauteilen | |
Autor: Bernd Klein | |
Verlag: Expert-Verlag | |
ISBN: 978-3-8169-3513-1 | |
Jahr: 2020 | |
Preis: 69,80 Euro | |
www.expertverlag.de |
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